Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

DOI Artikel:
Schölermann, Wilhelm: Die hessische Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe in Darmstadt 1908
DOI Artikel:
Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Pariser Société Nationale
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0245

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
467

Der Salon der Pariser Societe Nationale

468

das Kunstgewerbe und Verwandtes einer besonderen
Würdigung vorbehalten werden muß, so mögen hier
wenige Andeutungen genügen.

Das mit dem vielbesprochenen nach einer Idee
Sr. Kgl. Hoheit des Oroßherzogs aufgebauten »Hoch-
zeitsturm« versehene Ausstellungsgebäude für freie
Kunst wurde von Olbrich und Stadtbauinspektor
Buchsbaurn ausgeführt. Es ist gut und praktisch ge-
worden, wie bei Olbrich nicht anders zu erwarten
war. Die Vorzüge, die schon sein Wiener Aus-
stellungshaus vor zehn Jahren überraschend zeigte,
sind hier in größerem Maßstabe mit mehr Mitteln er-
weitert zu einein bedeutenden Werke. Es zu be-
schreiben würde hier zu weit führen.

Das Ausstellungshaus für die Raumkunst und das
Kunstgewerbe hat Albin Müller entworfen und dem
architektonischen Gesamtbilde sehr glücklich eingefügt.
Man erhält auch hier den Eindruck einer sicheren,
ruhigen Durchbildung der äußeren Erscheinung, unter
Verzicht auf Nebensächliches. Von dem noch nicht
ganz fertigen Inneren, welches die Ausstellungsräume
des Staates und der Privataussteller enthält, sei hier
einstweilen nur des am Eingang unter freiem Himmel
offenen Schmuckhofes gedacht. Dieser besteht aus
Terrakottaplastik, entworfen von dem Bildhauer Hein-
rich Jobst, ausgeführt von der Oroßherzoglich Kera-
mischen Manufaktur unter Scharvogels Leitung. Es
soll hier ein Beispiel gegeben werden was sich aus
diesem Material machen läßt: Säulen und Pfeiler,
Kapitäle, Bekrönungen, Brunnenbecken. Alles in der
gelblichen »gebackenen Erde«. Eine Überraschung. —
Ein Kapitel für sich verdient die ausgezeichnete
Kleinwohnungskunst. Die Anlage der sechs kleinen
Arbeiterhäuser zu einem »Arbeiterdorf« erscheint als
Clou, als über die nur künstlerische Seite des großen
Unternehmens hinausreichende Anziehungskraft. Was
soll man noch sagen, wo die Tagesblätter und Zeit-
schriften schon hierüber begeisterte Berichte bringen?
Ein Einfamilienhaus, wie es Olbrich oder wie es
Rings gebaut hat, für 4000 M. (schreibe viertausend
Mark, die ganze Mobiliareinrichtung 5—600 Mark),
Zweifamilienhäuser wie das von Mahr und Markwort
oder Georg Metzendorf (letzterer im Auftrage des
Freiherrn Heyl zu Herrnsheim in Worms) möchte
man sofort kaufen und beziehen. Die Darmstädter
Mathildenhöhe zeigt ein Bild vom Werdegange
deutscher Kultur im Laufe von sieben Jahren. Zeigt,
wie die Kunst wieder in das praktische, tägliche
Leben hinübergeleitet werden kann. Es ist etwas
Eigenes um ein solches Werden und Wachsen in der
und mit der Gegenwart. Das neue Museum in Darm-
stadt, das Messel baute, enthält Werke altdeutscher
Schule, die an Ausdruck und psychologischer Tiefe
das Leben von Jahrhunderten enthalten. Heute noch
so frisch fast wie am ersten Tag. Das großherzog-
liche Schloß birgt noch das Altarbild des Baseler
Bürgermeisters Meier »Zum Hasen«, der mit seinem
bartlosen Luthergesicht so ernstfromm zur katholischen
Muttergottes aufblickt! Und das Museum ein anderes
Werk von Holbeins Meisterhand: der Manneskopf
auf dem grünblauen Grunde! Mehr konzentrierte

Kultur lebt vielleicht in einem solchen Bilde, als in
ganzen Ausstellungen von Bildern von heute. Das
mag sein. Aber daß wir auch wieder in Deutsch-
land jetzt aufbauendes Leben haben, beweist das neue
Darmstadt zur Genüge. Wenn die Politik, wie man
sagt, lebende Weltgeschichte ist, zu der uns nur das
richtige Pathos der Distanz fehlt, dann ist das Wer-
dende, was wir in diesem Jahre wieder auf der Ma-
lhildenhöhe entstehen sehen, als Künstlerkolonialpolitik
eine lebendige Kunstgeschichte.

DER SALON DER PARISER SOCIETE NATIONALE

In diesem Jahre scheinen sich alle Kunstaus-
stellungen zu bemühen, durch Extrakünste, die mit
Kunst nichts zu tun haben, das Publikum anzulocken.
Bei den Unabhängigen hat die Polizei ein paar
Arbeiten entfernt, die geeignet schienen, den deutschen
Kaiser zu beleidigen, und alsbald hat sich auch in
der Societe nationale etwas gefunden, was Wilhelm IL
ärgern sollte. Man könnte wirklich beinahe meinen,
die betreffenden Pariser Behörden wollten sich über
den deutschen Kaiser lustig machen mit ihrem über-
triebenen Eifer, ihn vor den Malern und Bildhauern
in Schutz zu nehmen. Oder aber man wird zu der
Annahme gedrängt, daß sensationslüsterne Pariser
Künstler sich den deutschen Kaiser aussuchen, um in
aller Mund zu kommen. Es würde mich weiter gar
nicht wundern, wenn die Leute, die auf diese Art
sich und ihre Arbeit in die Presse der gesamten Welt
zu bringen wissen, die Sache recht mit Fleiß auf eine
solche Reklame anlegten, ja daß im Grunde sie selbst
es sind, die auf die mögliche Staatsgefährlichkeit ihrer
Arbeit aufmerksam machen, um die hohe Obrigkeit
zum Einschreiten zu bewegen. Jean Vebers Wilhelm II.
ist nun nicht im Salon, dafür aber ist die Abbildung
seiner Malerei in allen illustrierten Blättern gewesen,
und während man im Salon sehr wahrscheinlich an
dem Bilde vorübergegangen wäre, ohne auch nur
daran zu denken, daß der karikierte deutsche Offizier
Wilhelm H. sein solle — denn die Sache ist total
unähnlich — ist durch die Entfernung des Bildes
aus dem Salon diese Arbeit wie ihr Urheber plötz-
lich in der ganzen Welt berühmt geworden.

Noch zwei andere Arbeiten im Salon wurden von
der Zensur bedroht, diesmal aber nicht aus Gründen
der äußeren Politik: Paul Renouard, der geniale
Zeichner und Griffelkünstler, hat ein sehr gutes Bild
vom Prozeß in Rennes gemalt, worauf den Zeugen,
Richtern und Zuschauern wie ein höllisches Gespenst
Esterhazy erscheint, der den toten Henry in den
Armen hält. Und der Bildhauer Baffier wollte eine
Medaille ausstellen, die zu Ehren des Generals Mercier
von einem nationalistischen Komitee bestellt worden
ist. Es ist durchaus unverständlich, was diese Medaille
für ein Ärgernis hätte erregen können. In der unge-
heuren Ausstellung verschwinden derlei kleine Arbeiten
durchaus unbeachtet, aber selbst ein riesengroßes Bild-
nis Merciers hätte doch wahrhaftig keine Revolution
bewirken können. Baffier, der bei vielfachen Ge-
legenheiten gezeigt hat, daß er einer Reklame nicht
 
Annotationen