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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Pariser Société Nationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0247

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Der Salon der Pariser Societe Nationale

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biälter, und die Allegorien vom vorigen Jahre und
vom jetzigen Salon zeigen ihn als einen dichterisch
veranlagten Kopf, aber wiederum gar nicht als De-
korateur.

Weitere dekorative Arbeiten sind: Pierrots Traum
von Adolphe Willette, ein älteres und sehr schönes
Gemälde des anmutigen Zeichners, der damals noch
nicht so mißtönig in der Farbe war, wie er es in
den letzten Jahren geworden ist; ein in Gobelinmanier
gehaltenes Waldbild mit Faun und Nymphe von
Victor Koos; die an den Spanier Anglada erinnernden
sehr schönen Arbeiten von Guillaume Roger; eine
äußerst geleckte und mittelmäßige Darstellung des
Paradieses von Gustav Courtois; eine Morgenstimmung
am See mit Schwänen und badenden Mädchen von
Auburtin, die zu ihrem Schaden an Puvis de Cha-
vannes erinnert; das silbergrau in dunkelbra"un ge-
haltene Porträt eines auf hoher Bergeshalde im Winde
stehenden und sich scharf gegen den klaren Himmel
abhebenden jungen Mannes von Bernard Boutet de
Monvel; ferner Bilder von dem Australier Bunny und
den Amerikanern Abbey und Friesecke.

Unter den Porträtisten seien genannt: de la Gan-
dara mit drei weiblichen Bildnissen in seiner be-
kannten distingierten Manier; Claudio Castelucho mit
einem entzückenden weiblichen Porträt und einem
höchst lebendig aufgefaßten und frisch und charakte-
ristisch wiedergegebenen kleinen Mädchen; Blanche
mit mehreren Sachen, die allzu stark an die englischen
Porträtisten des achtzehnten Jahrhunderts und leider
mehr an Lawrence denn an Reynolds erinnern; von
Glehn mit einer famosen Velasquezprinzessin; Boldini
mit zwei virtuos hingeknallten Damen; Dora Hitz,
die man nur noch selten in Paris antrifft, mit dem
vortrefflichen Bildnisse der Frau Gerhardt Hauptmann,
an dem nur der etwas zu heftig bewegte und nach
vorne drängende Hintergrund zu rügen wäre; La
Touche mit dem Bildnis des Malers und Griffel-
künstlers Bracquemond, das weder ein guter La Touche
noch ein gutes und charakteristisches Porträt dieses
sehr bedeutenden Menschen ist; Gari Melchers mit
zwei ganz famosen, vortrefflichen Arbeiten, die sich
seinen allerbesten Schöpfungen würdig anreihen, einer
jungen Dame und einer Holländerin mit zwei Kindern
in einer sonnendurchschienenen grünen Laube; end-
lich Beraud, Gervex und Carolus-Duran, die es jedes
Jahr aufs neue bedauern lassen, daß der Künstler
nicht wie der Offizier und Beamte in gewissem Alter
zurücktritt und Pension erhält, sondern gezwungen
ist, immer weiter draufloszuarbeiten und den einstigen
Ruf zu zerstören.

Auch in der Landschaft ist viel Schönes, obschon
kaum etwas Neues. Denn daß Rene Billotte, J. J. Ga-
briel, Boulard, Mesle, Le Sidaner, Morrice, Haweis,
Maurice Eliot tüchtige Poeten der Landschaft sind,
ein jeder in seiner eigentümlichen Art, wissen wir
schon lange, freuen uns aber freilich alljährlich aufs
neue an ihren Schöpfungen. In diesem Jahre seien
außerdem genannt die überaus feinen Meeres-
stimmungen von Raoul Ulmann, die kräftigen Fluß-
landschaften von Louis Gillot und die sehr ge-

schmackvollen Ansichten aus dem Parke von Ver-
sailles von Guirand de Scevola, der auch ein gutes
Porträt ausgestellt hat und sich außerdem bei den
Pastellisten als trefflichen Künstler zeigt.

Lucien Simon hat ein ausgezeichnetes großes Ge-
mälde, ein Hochamt in der Kirche, weiß, Gold, etwas
rot, schön und stark in der hellen Harmonie, ausge-
zeichnet in der charakteristischen Durchführung der
Personen. Cottets »Trauer«, eine an die tausend
Grablegungen der letzten fünf Jahrhunderte erinnernde
Darstellung eines von den Frauen beweinten er-
trunkenen Fischers, ist wie alle Arbeiten der letzten
Jahre dieses Malers etwas schwarz und farblos. Zu-
loagas drei Bilder, die Hexen von San Millan, der
Zwerg Gregorio el Botero und in geringerem Maße
Mademoiselle Breval als Carmen muten an wie Kari-
katuren Goyas, zeugen aber von dem großen tech-
nischen Können dieses Malers. Die Mädchen von
Vex im Sonntagsstaate des Schweizers Dalleves sind
hart und eckig wie alte Holzschnitte, aber vielleicht
ist diese Manier dem Gegenstande ganz angepaßt.
Alice Dannenberg hat eine gute Kinderspielszene aus
dem Luxembourggarten, Henri Morisset mehrere kolo-
ristisch höchst ansprechende Interieurs in der Art
Renoirs, Friant, der früher nur Friedhöfe und schwarz-
gekleidete Frauen malte, ist auf die sonderbare, für
den illustrierten Teil des Petit Journal passende Idee
gekommen, die Guillotine bei der Arbeit zu malen,
Walter hat eine allegorische Darstellung von »Kunst
und Leben« gesandt und der Belgier Smeers ist mit
einer koloristisch außerordentlich wirksamen Strand-
szene erschienen. Endlich müssen noch zwei Künstler
genannt werden, die Sonderausstellungen veranstaltet
haben: der Schweizer Burnand zeigt sich mit seinen
Bibelillustrationen gewiß als vortrefflicher Zeichner,
aber er wirkt auf die Dauer doch etwas ledern, lang-
weilig, schulmeisterlich. August Lepere, neben Brac-
quemond wohl der bedeutendste französische Griffel-
künstler unserer Zeit, ist weit interessanter, weil
frischer, lebendiger und vielseitiger. Er hat eine große
Anzahl Ölgemälde, Zeichnungen, Radierungen, Holz-
schnitte und illustrierte Bücher ausgestellt, alles un-
gemein anregend, voll von feinen künstlerischen Ideen
und neuen technischen Versuchen.

Wie immer bei dem räumlich beschränkten Be-
richte über eine so große Ausstellung — 2647 Nummern
im Katalog, wobei die erwähnten Sonderausstellungen
nur je eine Nummer haben — kommen die letzten
zu kurz. Ich nenne nur eilend die Namen der Bild-
hauer und Graphiker, die mit bedeutenden Arbeiten
erschienen sind: Franz Kupka, eine Reihe ausgezeich-
neter Radierungen, Illustrationen zu einer Luxusaus-
gabe der Gedichte von Leconte de Lisle, Eugen Bejot,
radierte Ansichten von Paris, Edgar Chahine, Andre
Dauchez, Eugen Decisy, Alexander Lunois, Margue-
ritte Carriere, Radierungen nach Gemälden ihres Vaters
Eugen Carriere, Henri Riviere und Eugen Viala bei
den Ausstellern von schwarzen Radierungen. Von
den farbigen Radierungen seien genannt die Arbeiten
von Arsene Chabanian, Bernard Boutet de Monvel,
Louis Braquaval, Allan Osterlind, Raffaelli, der bei
 
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