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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schumann, Paul: Die Dresdener Kunstausstellung 1908
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Londoner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0264

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Londoner Brief

506

Künstlern müssen wir uns kürzer fassen, zumal da
sie naturgemäß meist ältere Werke geschickt haben,
die schon in München, Berlin usw. ausgestellt waren.
Die Kunstgenossenschaften sind offiziell überhaupt
nicht, sondern nur durch einzelne Künstler vertreten,
die durch Vertrauensmänner zur Beteiligung auf-
gefordert worden sind. Trotz des Fehlens mancher
markanter Persönlichkeiten ergeben die Ausstellungen
der Münchener (Sezession, Bayern, Luitpoldgruppe), der
Düsseldorfer, Münchener, Stuttgarter und Karlsruher an-
sehnliche Gesamtbilder, die der Ausstellung zu ihrem
hohen Niveau verhelfen. Die Tonmalerei, die den großen
Einfluß Leibis zeigt, überwiegt bei weitem; und daß
die Münchener die bei weitem stärkste allgemeine
künstlerische Kultur inne haben, zeigt auch unsere
Ausstellung wieder eindringlich. Von einzelnen Bildern
sei zuerst erwähnt Robert Weises (Stuttgart) Mutter
Erde, eines der bedeutendsten Werke der Ausstellung
von fast monumentaler Kraft (die Mutter mit ihren
Kindern im Vordergrund, mit weitem Ausblick auf
die Felder in reifender Sommerpracht), dann Oustav
Schönlebers (Karlsruhe) große prächtige Aussicht von
Laufenburg mit seinen Stromschnellen, Arthur Kampfs
(Berlin) meisterhaft gemalte Spielpause (Gitarrespieler),
Walther Leistikows Märkischer See u. a., Hans von
Volkmanns (Karlsruhe) Heimtrieb und Bernhard
Pankoks eigenartig plastisch wirkendes Damenbildnis.
Dem Saale der Münchener Sezession geben eine Reihe
Bildnisse von Leo Samberger, die charaktervollen
Büsten von Cipri Adolph Bermann (Emanuel von
Seidl) und eine Sonderausstellung von Rudolph
Schramm-Ziitau besonderen Reiz — letzterer hat außer
seinen virtuos gemalten Hühnern und Enten auch
vortreffliche impressionistisch gemalte Münchener
Straßenansichten ausgestellt. In dem Düsseldorfer
Saale sieht man die fast einzigen bedeutenden reli-
giösen Bilder der Ausstellung von Eduard von Geb-
hardt — Der arme Lazarus und Austreibung der
Händler aus dem Tempel — und von Claus Meyer
— Christus im Tempel. Doch darf auch Kurl
Wohlrabs (Dresden) große Komposition» Kreuzige« als
eine Probe ernsten Strebens und wachsenden tüchtigen
Könnens erwähnt werden. Mit diesen wenigen An-
deutungen müssen wir uns begnügen.

In der plastischen Abteilung ist wohl die an-
haltende Steigerung der Kabinetts- und Kleinplastik
nach Zahl und Güte als bemerkenswert zu verzeichnen.
Ausgezeichnete sonstige Werke sind Wilhelm Wand-
schneiders nackter Coriolan, eine gelungene Ver-
körperung entschlossenen Mutes und rücksichtsloser
Schroffheit; Edmund Qomanskys Andante genannte
verzückte, dahinschreitende Tänzerin, zwei getönte
Brunnenreliefs von Arthur Volkmann, Hugo Lederers
Sockelfiguren vom Hamburger Bismarckdenkmal, die
als Beispiele architektonisch gebundener Plastik und
im Ausdruck von geistiger Dumpfheit bei gewaltiger
Körperkraft gleichbedeutend erscheinen, Max Langes
trotziger Lucifer, August Hudlers (f) charaktervolle
Apostelfiguren Johannes und Paulus, Selmar Werners
prächtige Jünglingsgestalten Ringkämpfer und Diskus-
werfer, Emil Epples reizvolle Brunnenfigur Mädchen

auf Schildkröte, die humorvollen Kindergestalten von
August Kraus, ausgezeichnete Bildnisbüsten von
Robert Diez und eine tiefempfundene Grabmalsgruppe
von Jenny Doussin (Dresden).

In der graphischen Abteilung hat Hans Wolfgang
Singer, der sie mit großem Geschick zusammengestellt
hat, weise Beschränkung walten lassen. Sie umfaßt
etwa 350 Blatt, wobei die verschiedenen Techniken
in besonderen Gruppen zusammengestellt wurden, so
daß der Laie sich mit ihnen besser vertraut machen
kann. Außer einigen hervorragenden Meistern, wie
Leo Samberger, Walther Leistikow, Max Klinger, Max
Slevogt, Otto Fischer, Käthe Kollwitz, Emil Orlik,
Heinrich Wolf u. a. sind namentlich jüngere auf-
strebende Talente zu Worte gekommen.

Als besondere Anziehungen sind der Ausstellung
eine altjapanische und eine kursächsische Abteilung
angegliedert worden. Die japanische umfaßt vor-
wiegend Gegenstände des 18. Jahrhunderts — im
ganzen 488 Stück. Woldemar von Seidlitz, der die
interessante Abteilung aus öffentlichen und privaten
Sammlungen zusammengestellt hat, bemerkt im Vor-
wort zum Katalog: Es ist Zeit, daß wir uns von der
Bewunderung der bloßen Technik, die in Japan, be-
sonders in der späteren Zeit eine anderswo kaum
anzutreffende Höhe erreicht hat, allmählich losmachen,
um die Kraft und Ausdrucksfähigkeit der älteren Zeiten,
die, je weiter sie zurückreichen, mit um so ein-
facheren, dafür aber auch um so ausdrucksvolleren
Mitteln wirken, besser schätzen zu lernen. Der Katalog
enthält außer dem Sachverzeichnis auch eine Liste der
Künstler mit Jahreszahlen, eine Zeittafel der Haupt-
daten der Geschichte Japans und Erklärungen ja-
panischer Benennungen — alles sehr zweckmäßige
Neuerungen. Auf die Ausstellung im Sächsischen
Hause Kunst und Kultur unter den Sächsischen Kur-
Jürsten werden wir noch zu sprechen kommen.

PAUL SCHUMANN.

LONDONER BRIEF
Die Bewegung auf dem Kunstgebiet Londons hat
noch niemals einen so außerordentlichen Umfang,
eine solche Vielseitigkeit, und was die Hauptsache
ist, in der Güte des Gebotenen, eine derartige Höhe
erreicht, wie in diesem Jahre! In Erwartung des un-
geheueren und auch wirklich eingetroffenen Fremden-
zuflusses vom "Kontinent, hervorgerufen durch die
Anziehungskraft der »Franko-Britischen Ausstellung«,
sind einige zwanzig Galerien hier in den Wettbewerb
um die Gunst des Publikums eingetreten! Sie alle
haben sich bemüht, ihr bestes Können zu zeigen
und es verdient, anerkannt zu werden, daß selbst in
der kleinsten dieser Ausstellungen sich ein oder
mehrere Objekte von tatsächlicher allgemeiner und un-
gewöhnlicher Bedeutung vorfinden, oder daß für das
Interesse des Spezialisten gesorgt wurde. In An-
betracht des überwältigenden Materials kann nur
summarisch das Wesentlichste hervorgehoben werden,
um wenigstens eine Idee davon zu geben, was sich
hier in bezug auf Kunstentfaltung während der Saison
abspielt.
 
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