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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 6
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Rundschau
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0093

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zeitung für Buchhändler. Ls giebt ohue weiteres
den Fortschritt zu, der bei einem vergleich der deutschen
werke einer fünfzig Iahre zurückliegenden Zeit mit
den damaligen französischen und englischen und dann
bei einem solchen fener früheren und der entsprechen-
den verhältnisse in der Gegenwart unverkennbar zu
Tage tritt. Aber das liege hauptsächlich am Druck
und am ssapier, während unsere Schriften auch heute
noch nicht die Schönheit der guten englischen und

französischen erreicht hätten. Als beklagenswert be-
zeichnet der verfasser „die Geschmacksverbildung, um
nicht zu sagen, Geschmacklosigkeit" in der überladenen
altertümelnden Ausstattung so mancher unserer Buch-
werke. Das urteilslose Nachahmen des Alten, nur
weil es alt, die Nachäffung von Schnörkeln und
launischen Absonderlichkeiten wird lebhaft angegriffen.
„Alle Geschmacksrichtungen lassen sich ertragen, nur
nicht die gewaltsam gesuchten."


vom

» Der ^z. Dezember war der fünfundzwanzigste Todestag
ernes unserer eigenartigsten Dichter der Nachgoethefchen Ieit
und eines der kraftvollsten und zartesten, will sagen: an
innerer Fülle reichsten INannesgeister, die Deutschland je be-
sessen bat, Friedrich bsebbels. Seine wuchtigen Dranren
sind längst Gemeingut der Gebildeten geworden, feine von
tiefer, echt lyrischer Lmpfindrrng wie von mächtiger Gestaltrrngs-
kraft gleich zeugenden Gedichte Gemeingut wenigstens der
kleinen Gemeinde, die echte Lffrik irr sich nachzrrbilden die
Muße hat. Immer noch wenig bekannt aber ist eine bsinter-
lassenschaft Lsebbels, die in gewissem Sinne der ganze bsebbel
selber ist, bedeutend in feinen 5tärken, bedeutsam in feinen
Mängeln: jene ,,Tagebücher", die vor wenigen Iahren Felix
Bamberg im Grotefchen verlage zu Berlin herausgab. wer
in den 5chatz, den sie ihm bieten, einmal geblickt hat, dem
ist er auch lebendig geworden: er kehrt imrner und immer
wieder voll Dankbarkeit und Liebe nachdenksam zu ihm zurück.
Aber wir Mnder unserer Zeit blicken fo selten in etwas,
wir blicken höchstens darauf und glauben gar, wir könnten
so von ihm entnehmen, was sich entnehmen läßt. Deshalb
fei mir's erlaubt, an Lsebbels Todestage bevorzugend dieser
,,Tagebücher" zu gedenken.

Gelegentlich einer Anerkennung, welche der „ksamb.
Aurier" der vermeidung von Fremdwörtern in der letzten
Thronrede zollt, weist er auf ein Beifpiel hin, das allerdings
fchlagend gleich wenigen zeigt, wie alt auch auf diesem Gebiete
die Menschengattung ist, deren Angehörige heute den Ivort-
neubildungen gegenüber so heiter werden, als fei ungewohnt
und lächerlich auch für erwachsene Leute dasselbe. Urbild und
Nrschrift — wie gut bekannt sind uns die beiden jetzt! In
seinen „Beyträgen vom Iahre ^733" fchreibt aber Gottsched:
„Urbild ist ein neugemachtes !Vort. Denn die Deutfchen
haben dergleichen sonft nicht gehabt; sie haben Ur- und Bild
nie znsammengesetzt. 5o wunderlich es klingen würde, wenn
Iemand vor die erste That die Urthat fagen, und feinen
ersten Beförderer den Urbeförderer, oder das uuto§rapbum eine
Urschrift nennen wollte: 5o übel fcheint mir auch das Urbild
befchaffen zu fein."

* „Es mehren sich die Unternehmungen", fchreibt die
„Tägl. Rundschau", „welche handgreistich beweisen, daß in
buchhändlerischen Areisen das Bedürfnis, Gedichte
drucken zu lassen, für ausbeutungsfähiger gehalten wird,
als dasjenige, Gedichte zu lesen. Beweis folgende Anzeige,
die sich in einer Berliner Zeitung findet. »perlen der Dicht-
kunst. Unter obigem Titel ist eine großartige Schöpfung
in's Leben gerufen worden, welche jungen aufstrebenden
Talenten Gelegenheit geben foll, ihre Geistesprodukte zur
veröffentlichung bringen zu können und hierdurch in weiteren
Areisen einen Ruf und Namen zu erlangen. Die »jderlen
der Dichtkunst« werden von ersten Größen redigirt und ge-
langen sämtliche gute Erzeugnisse der Abonnenten, fowohl
poesie, wie auch Romane, Novellen, Erzählungen usw. zur

Tage.

unentgeltlichen Benutzung; Nicht-Abonnenten haben für jede
aufzunehmende jdoesie 7,50 M. zu entrichten. Das Abonne-
ment beträgt vierteljährlich 6 M., welcher Betrag, fowie
auch alle Briefe an cherrn Buchdruckereibesitzer 2l. Lohn,
Berlin L., Poftstraße 6, einzufenden ist. Befonders gute
Lrzeugniffe werden prämiirt.« Man darf von der Gefchäfts-
tüchtigkeit des Lserrn Lohn erwarten, daß er feiner Sache
sicher ist, wenn er foviel für eine Anzeige aufwendet. Auf
ihre Lchtheit wird er die »jderlen« der Dichtkunst wohl nicht
allzuhart prüfen." Uns erfüllt diefe Anzeige mit wehmütiger
Lrinnerung an cin anderes weitstrahlendes Zeugnis dafür, daß es
noch einen Dienft des Lsohen giebt, an die „Dichterwiege",
das „Gemeingut poetifch angelegter Naturen", deren Lenker
auf dem Gebiete der Zeitfchriften nach gleichem Grundfatze
verfuhr, wie jenes von echter lveit- und Großherzigkeit
zengende Unternehmen des bserrn Buchdruckereibesitzers A.
Lohn in Berlin L. Aber ach, f i e hat ausgewiegt! Der
hämische Sxott war's, der ihr sanftes Schaukeln anhielt.

» Uber Rudolf Baumbach heißt es in einer Be- '
sprechung feines neuesten Buchs „Raifer Max und feinIäger"
im „Magazin": „Ls ist eine merkwürdige Gattung von jdoesie,
welche sich durch Baumbachs neueste epifche Dichtung, welche
gewiß zahlreiche lveihnachtskäufer werben wird, um ein neues
Ltück vermehrt. Lin wenig Liebe, ein wenig 5age, ein wenig
mythischer Aberglaube, ein wenig literargefchichtlicher Anklang,
ein wenig Rührung, ein wenig fanfter Schmerz und vor Allem
ein wenig harmlose Reimerei im hergebrachten »Ton«, fami-
liärer Namenssinn, der bsans und Marilene, Sachs und Max
und Lixt dem Leser gleich zu guten Bekannten macht, alio,
daß man fchon beim Lsören des bloßen Namens das jdoetische
der 5ache ohne lveiteres einsieht — das sind die Bestand-
teile, aus denen folch eine leichte Gper in erzählender Form
zusammengesungen wird. Und wenn's nur hübfch klappt und
fchnapxt, und Alles, was man gerne hat (als da find: Gemfen,
falige Fräulein, Lpielhahnfedern, Mädel im Flachshaar), kurz
was wir lieben, darin vorkommt, fo ist das lverk fürtrefflich
geraten, um Männlein und kveiblein fattfam zu entzücken.
Aber »vorkommen« muß das Alles darin und auf das »Darin-
vorkommen« wird denn auch das Ganze angelegt. Lsans
Sachs lebte zu jener Zeit, selbstverftändlich muß bsans Sachs
auch darin vorkommen; lhans Sachs pflegte feine Sxäße mit
einem Reime auf feinen Namen zu befchließen, felbftverftänd-
lich kommt's auch vor und wer nicht einsieht, daß »Flachs« und
»lsans Sachs« zu reimen oder gar »Max und Sachs« ein fa-
moser lvitz ist, nun der ist ein Sxielverderber und fchnöder
Rezenfente. lvir wollen nicht Spielverderber fein; es muß
auch folche Büchelchen geben und wenn auch Alles nur ein
bischen angemalt ist, wenn auch die j)oesie hier nur Schön-
heitspflästerchen und zarte Schminke ist, welches hübfche Mäd-
chen des vorigen Zahrhunderts legte die jdflästerchen nicht
gern auf? In Deutschland heißt es: »Singe wem Gefang
gegeben«, der Spruch ift felbst zum Schönheitspflästerchen ge-

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