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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 12
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Rundschau
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0188

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man die Suminen, welche jetzk auf die Berliner Museeu
verwendet werden, über die jDrovinzen verteilen, ja
selbst wenn man sie für diesen Zweck verdoppeln und
verdreifachen wollte. Der Runstbesitz der einzelnen
Städte würde etwas schneller wachsen, doch bei den
j?reifen, welche jetzt für Meisterwerke bezalstt zu werden
pflegen, würden selbst Iahrhunderte nicht ausreichen,
um dem j?rovinzialen in seiner Lseimat eins allseitige
Anschauung des frühSren Runstschaffens zu ermöglichen.
Und gerade in unserer Zeit ist das Bsdürfnis danach
ein unabweisbares. Unsere Runst ist im Lrblühen,
unser Runstgewerbe fast erst iin Lntstehen. Der neuen
Merdelust, die sie durchdringt, steht überall tastende
Unsicherheit zUr Seite. U)o inan ffine Dorbilder suchen
solle, ist der große Streit. Um das Beste zu behalten,
muß man alles prüfen: damit Uünstler und j?ublikum
sich in dem Streit der Uwinungen ein eigenes Urteil
bilden, müfsen sie die Leistungen aller Lpochen
mit einander vergleichen können, und dies ist nur in
einer zentralisibten großen Uunstanstalt möglich. wollte
man uns j?roviitziale auf Uosten Berlins >begünstigen«,
fo müßten wir uns die ästhetische Belehrung auf
teuren und mühsamen Ueisen von cklladt zu ck-tadt
zusannnensuchen und fänden sie doch nicht so gut und
vollftändig, wie wenn wir die Leistungen der ver-
schiedenen Rünstler und Stile an demselben Grte nüt
einander vergleichen können. Und dieser Ort ist das
Zentrum der Monarchie, vom äußersten Osten ebenso
weit entferilt, wie vom äußersten Mesten, es ift die
Reichshauptstadt.

Man verweist uns auf die Sammlungen von
Dresden und URinchen, die ja auch nicht schwer zu
erreichen seien. Die Dresdener U'tuseen sind seit einem
Zahrhundert, die Münchener fast seit einem halben
Zahrhundert so gut wie stabil geblieben; die einzigen
öffentlichen Sammlungen Deutschlands, die sich stetig
und ansehnlich vermehren, sind die Berliner. Dieser
Umstand ist für die Zwecke der ästhetischen Belehrung
keineswegs gleichgiltig. Denn jede Zeit sammelt im
Geiste des ihr eigentümlichen Geschmackes und jede
bevorzugt daher in einseitiger Meise gewisse Nichtungen
und Schulen und läßt anderen nicht die ihnen zu-
kommende Gerechtigkeit widerfahren. Die Allseitigkeit
der Anschauung, welche für die Ausbildung des
Schaffenden, wie des Genießenden, so wichtig ist,
kann also nur erreicht wchrden, wenn lange Zeiträume
hindurch stetig und gleichmäßig fortgesammelt wird.
Unsere ZUuseen sind jung, wie alles in j?reußen.
Uüt den Uunstwerken größten ^tils, die schon vor
Zahrhunderten in feste Hände gelangt sind, haben sie
sich nicht mehr schmücken können; doch genießen sie
dafür des Dorteils, daß sie ganz im Sinne unserer
Zeit angelegt sind, und soweit die Uüttel reichen, ihr
gerade das bieten, was sie fordert. Sie sind daher
zwar nicht die schönsten und reichsten, aber doch die
belehrendsten von ganz Deutschland, ja fast von ganz
Luropa; nur die Londoner Sammlungen, welche unter

ähnlichen Oerhältnissen, aber mit mehr Geld, zu-
sammengebracht sind, > mögen sie vielleicht auch in
dieser Beziehung übertreffen. U"lan hüte sich dahrx,
sie des einzigen Vorzugs zu berauben,. der sie vor
ihren Schwesteranstalten auszeichnet. Man gönne
ihnen die Mitteh.immer jung zu bleiben.

Doch wer für das Berliner Utuseum sxricht, der
spricht nicht nur für Berlin und proußen, sondern
für die gesammte Wissenschaft; selbst der Lngländer
und Franzose hätte Grund sich zu freuen, wenn ein
Merk von Hervorragender Bedeutung in unseren Be-
sitz übergeht. Denn mit ^>tolz dürfen wir es sagen,
daß die ^chätze keiner ^ammlung der Melt so mannich-
faltig ausgebeutet, so gründlich durchforscht werden,
wie die des Berliner Uluseums. Man erinnere sich,
wie die j?ergamener Skulpturen aussahen, als sie dort
ankamen, ein Trümmerhaufen, aus dem einzelne schöne
Torsi, hier und da die Nefte einer verstümmelten
Gruppe hervorragten. Zn paris oder London wären
sie das wahrscheinlich immer geblieben: in Berlin hat
deutsche Gründlichkeit und deutscher ^charfsinn, unter-
stützt durch das technische Geschick eines italienischen
Uwrmorarbeiters, die Trümmer zu einem Ganzen zu-
saminenzufügen gewußt, wie uns aus dem Altertum
so vollständig und so inhaltreich kein zweites erhalten
ist. Zedes Gemälde, jede Statue, jede Dase, jede
Ulünze, die in unser Museum einzieht, findet alsbald
in publikationen und Besprechungen ihre eingehendste
wissenschaftliche Berwertung; jeder Gelehrte aus j?ro-
vinz und Ausland, der sich mit brieflichen Anfragen
an die Leiter der Anstalt wendet, erhält in zuvor-
kommendster und gründlichster weise die gewünschte
Belehrung. Auf allen Gebieten der Alterlums- und
Runstwissenschaften danken wir dem Berliner Uttffeum
eine Ueihe der schönsten Tntdeckungen."

Der Derfasser spricht noch von der Gunst der
Zeit für Ankäufe, davon, „daß gerade jetzt eine Reihe
der herrlichsten Aunstwerke auf den Uüarkt kommt,
die Zahrhunderte lang nicht käuflich waren und
auch sobald nicht wieder käuflich sein werden. Die
großen englischen Grundbesitzer sehen ihre jDachtgüter
verlassen; ihre Tinkünfte schwinden von Zahr zu Zahr
und mancher wird dem Beispiel der Herzoge von
Uwrlborough und bsamilton folgen und den alter-
erbten Uunstbesitz seiner Bäter zu Geld machen.
Sollen die Bilder von Nafael, Tizian und Nubens,
nachdem sie endlich aus dem Versteck der englischen
Schlösser in die welt, der sie gehören, hinausgetreten
sind, wieder in den j)rivatgalerien der j)ariser und
wiener Geldbarone verschwinden oder gar nach Ame-
rika entsührt werden? Ts ist an uns, dies zu ver-
hüten; denn j)reußen ist gegenwärtig der einzige unter
den Großstaaten, der sich den edlen Luxus einer aus-
gedehnten Aunstpflege ohne ^chaden für seine Finanzen
gestatten kann." Die auch im „Runstwart" be-
sprochenen griechisch-ägxptischen Bildnisse empsiehlt der
Derfasser gleichfalls lebhaft zum Ankauf.


Drei neue historische Roinane (von Lbers, Lck-
stein und Dahn> liegen Zur Besprechung vor. Der lsistorische
Roman ist eine „ Spezialit.ät" der Literatur unseres Iahr-
hunderts. Lr wird unter allen Lrscheinungen der modernen

Vom Tage.

Romanliteratur vielleicht am lebasteften versolgt, von den
Linen init ihrer Liebe, von den Andern mit ihrein bsaß; je
nach dem Btandpunkte, den sowohl der unschuldsvolle Leser,
wie auch die gestrenge Rritik ihm gegenüber einnimmt, und


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