und deutschtümelnd, aber es sind das Dinge, deren Spuren
im Volksglauben und volksbrauch noch oorhanden sind; und
die Lntwickelungsgeschichte der Ideen eines
Volkes ist etwas unserm »darwinistischen Iahrhundert« durch-
aus Geinäßes. Waruin soll nun unser Volk nicht in seine
eigne geistige Lntwicklungsgeschichte eingeweiht werden?"
In München soll eine Akadeinie für Geinälde-
restaurirung deinnächst eröffnet werden. —Sie wird unter
Leitung des zuin Prosessor ernannten Alois khauser stehen, der
dnrch seine wiederherstellung der Darinstädter Madonna Lsol-
beins auch in den weiteren Areisen des Volkes bekannt wurde.
» In den Lälen des Lchwarzenbergpalastes zu N)ien wurde
eine Goldschmiede - Aunst - Ausstellung eröffnet, die
hauptsächlich aus das Beinühen der ^ürstin lNetternich zurück-
zuführen scheint, das Publikuin jedes Iahr auf neue weise
zu kleinen Geldopsern sür wohlthätige Zwecke anzuregen.
-X- Geswrben. Aarl wartenburg, Schriststeller nnd
Dichter, geb. (826 zu Leipzig, gest. am 29. Axril zu Gera.
SprecksnAl.
(tltntcr sacblicber lSerantwortung dcr Dcrren Linsender.)
Zu der s?erfallschen Bühuenreform
uud dem sie betreffeuden, auch im „Auustwart" wieder-
gegebenen «Lrlaffe des Biünchner Generaliuteudanten
gestatt; ich mir, die solgenden kurzeu Bemerkuugeu
zu machen:
t. Uuzweifelhaft richtig ist der au die 5pitze des
zuuächst für die Utttglieder des Ugl. Theaters be-
stimmten Ruudschreibens gestellte Satz Nudolf Genees,
daß die dramatische Uuust, wie jede Uuust überhaupt,
auf mitwirkende jDhantasie der Lmpfäuger zu rechlien
hat. Der phautasielose Uieusch ist jeder küustlerischeu
Lmpfäuglichkeit baar — dem phautasiereicheu genügt
selbst das Dürftige, Uuvollkommue. — Ich würdige
geru und rückhaltslos die Dorzüge meiuer Zeit, —
aber das Beiwort „phautasiereich" wird sie im Grnst
wohl kaum für sich iu Auspruch nehmeu wolleu.
Die Geueescheu Zdeen uud die darauf begrüudeteu
Grklärungeu uud Absichteu j)erfalls scheineu mir also
eiu recht gut gemeiutes uuterlhäuiges Komplimeut
für das moderue Theaterpublikum zu seiu, aber wie
ich fürchte, eiu ziemlich veruuglücktes.
Auf dem Gebiete der Theaterdekoratioueu uud
Maschiuerieen ist uoch keiueswegs das Aieuschen-
mögliche, das überhaupt Trreichbare geleistet — es
bleibt der Phautasie des Zuschauers wahrlich uoch
geuug zu thuu übrig, um über alle die kleiuereu uud
größeren szenischen wläugel, dereu er sich selbst au
großeu Hoftheateru bei jeder eiuigermaßeu kritischeu
Stelle verseheu muß, hiuweg zu kommeu uud Stuuden
des küustlerischeu Geuießens, uicht des Attßverguügeus
zu durchlebeu — — und uuu gar dem uüchterueu,
weuig oder gar uicht mitdichteuden, phautasireudeu
Zuschauer, der erst sieht uud dauu hört, der uur hört,
weuu er sieht! Lür ihu, weil er iu der überwiegeudeu
Mehrzahl gegeuwärtig ist uud theatralische Auf-
führuugeu besucht, muß die moderue Bühue alle
techuischeu Lortschritte sich uutzbar zu macheu sucheu,
muß auch das klassische Drama, voruehmlich das
Shakespeares, das Gepräge des Ausstattuugsstückes
tragen, um überhaupt uoch möglich zu seiu. Zwischeu
volleudeter uud überladeuer, geschmackloser Ausstattuug
ist trotz alledem eiu gewaltiger Uuterschied: jeue er-
höht die IVirkuug, diese zerstört sie — diese wird man
siiehen, jene auf alle weise erstrebeu müsseu.
lVenu also ^err von j?erfall gegeuwärtig die
Darstelluug der Shakesspearescheu Drameu auf, freilich
etwas umgeäuderte, altenglische Art vorbereitet, so
köuuten Uueiugeweihte, die das Müuchner bsoftheater
als solches uicht keuueu (das trotz seiues Alters, was
die szeuischen Uttttel aulaugt, doch immer mit zu deu
leistuugsfähigsteu deutscheu Bühneu gehört), zu dem
Gedauken verleitet werden, die j)erfallsche Ueform
bedeute iu IVahrheit uichts audres, als ein: uon
VO88UMU8! „wir(die Leiter des wlüuchner ksoftheaters)
sind uach zahlreicheu Aufführungeu Shakespearescher
Dramen, mit deuen wir uus die redlichste Blühe ge-
geben habeu, zu der Überzeuguug gekommen, daß
gleichwohl uicht Alles so klappt, uicht Alles so wirkt,
wie wir es erwartet habeu. Liu größeres ZVlaß
vou Sorgfalt, als das bisher auf die Tinstudirung
dieser Drameu verweudete, ist uicht deukbar — weitere
techuische Lortschritte sind uicht zu erwarteu, oder
doch für uusre Bühue uicht verwendbar — also:
geheu wir lieber uackt, als ärmlich bekleidet, d. h.
spieleu wir lieber ohne Dekorationeu, als mit unzu-
länglicheu!"
Tiu audrer Uueiugeweihter könnte auf deu Tin-
fall kommeu, das Münchner Theaterpublikum sei iu
der That durchweg so phautasiereich, wie es Lserr vou
perfall bekomplimeutirt, der au der Spitze seiues Bund-
schreibeus von „vieleu aufrichtigeu Lreundeu und
wahreu Keuueru der dramatischen Auust" als seiueu
Gewährsmäuueru spricht. Aber ich kann aus eiguer
Lrfahruug versichern, daß das Alüuchuer Theater-
publikum sich iu Nichts von dem audrer großer
^tädte uuterscheidet.
Die gauze j)erfallsche Neform hat ihreu Urspruug
jedeufalls uicht in ästhetischen Trwäguugeu, deuu dem
verdieustvolleu Leiter der Wünchuer üofbühne ist eiu
derartiges vollkommeustes Verkeuuen des Geschmacks
uud des Bedürfuisses seiues j)ublikums uumöglich zu-
zutraueu: sie stellt sich vielmehr lediglich als eius von
deu historischeu Lxperimeuteu dar, iu denen sich unsre
Zeit uuu eiumal gefällt: sie sieht aus, als wäre ein
jDrofessor der euglischeu Literatur ihr Vater — sie
riecht gelehrt, pedautisch. Attt demselbeu Fuge köunte
heute oder morgen eiu j)rofessor der altgriechischen
Literatur deu t^atz als ästhetische Forderuug aufstelleu,
damit er dauu vou eiuem Theateriutendanten als
Grundlage eiuer Reform beuützt werde, daß man, um
die werke der großeu helleuischen Tragödeu mit
„wirklich küustlerischer wirkuug" darzustelleu, die Dächer
der Bühueuhäuser beweglich, zum Abnehmen einge-
richtet herstelleu müsse: der Zuschauer köune der-
artige Drameu nur uuter freiem üunmel geuießen.
— Sagt vielleicht Lserr vou j)erfall auch, Shakespeare
könue uur daun wirken, wenn man dem j?ublikum
gestattet, sich auf altenglische weise im Theater zu
benehmeu: den üut auf dem Nopfe zu behalten, Ale
zu trinken, sich auf die Bühne zu setzen und j)ossen
zu treiben?
2. t^hakespeare würde, wenn er die Dekorationen
— 236 —
im Volksglauben und volksbrauch noch oorhanden sind; und
die Lntwickelungsgeschichte der Ideen eines
Volkes ist etwas unserm »darwinistischen Iahrhundert« durch-
aus Geinäßes. Waruin soll nun unser Volk nicht in seine
eigne geistige Lntwicklungsgeschichte eingeweiht werden?"
In München soll eine Akadeinie für Geinälde-
restaurirung deinnächst eröffnet werden. —Sie wird unter
Leitung des zuin Prosessor ernannten Alois khauser stehen, der
dnrch seine wiederherstellung der Darinstädter Madonna Lsol-
beins auch in den weiteren Areisen des Volkes bekannt wurde.
» In den Lälen des Lchwarzenbergpalastes zu N)ien wurde
eine Goldschmiede - Aunst - Ausstellung eröffnet, die
hauptsächlich aus das Beinühen der ^ürstin lNetternich zurück-
zuführen scheint, das Publikuin jedes Iahr auf neue weise
zu kleinen Geldopsern sür wohlthätige Zwecke anzuregen.
-X- Geswrben. Aarl wartenburg, Schriststeller nnd
Dichter, geb. (826 zu Leipzig, gest. am 29. Axril zu Gera.
SprecksnAl.
(tltntcr sacblicber lSerantwortung dcr Dcrren Linsender.)
Zu der s?erfallschen Bühuenreform
uud dem sie betreffeuden, auch im „Auustwart" wieder-
gegebenen «Lrlaffe des Biünchner Generaliuteudanten
gestatt; ich mir, die solgenden kurzeu Bemerkuugeu
zu machen:
t. Uuzweifelhaft richtig ist der au die 5pitze des
zuuächst für die Utttglieder des Ugl. Theaters be-
stimmten Ruudschreibens gestellte Satz Nudolf Genees,
daß die dramatische Uuust, wie jede Uuust überhaupt,
auf mitwirkende jDhantasie der Lmpfäuger zu rechlien
hat. Der phautasielose Uieusch ist jeder küustlerischeu
Lmpfäuglichkeit baar — dem phautasiereicheu genügt
selbst das Dürftige, Uuvollkommue. — Ich würdige
geru und rückhaltslos die Dorzüge meiuer Zeit, —
aber das Beiwort „phautasiereich" wird sie im Grnst
wohl kaum für sich iu Auspruch nehmeu wolleu.
Die Geueescheu Zdeen uud die darauf begrüudeteu
Grklärungeu uud Absichteu j)erfalls scheineu mir also
eiu recht gut gemeiutes uuterlhäuiges Komplimeut
für das moderue Theaterpublikum zu seiu, aber wie
ich fürchte, eiu ziemlich veruuglücktes.
Auf dem Gebiete der Theaterdekoratioueu uud
Maschiuerieen ist uoch keiueswegs das Aieuschen-
mögliche, das überhaupt Trreichbare geleistet — es
bleibt der Phautasie des Zuschauers wahrlich uoch
geuug zu thuu übrig, um über alle die kleiuereu uud
größeren szenischen wläugel, dereu er sich selbst au
großeu Hoftheateru bei jeder eiuigermaßeu kritischeu
Stelle verseheu muß, hiuweg zu kommeu uud Stuuden
des küustlerischeu Geuießens, uicht des Attßverguügeus
zu durchlebeu — — und uuu gar dem uüchterueu,
weuig oder gar uicht mitdichteuden, phautasireudeu
Zuschauer, der erst sieht uud dauu hört, der uur hört,
weuu er sieht! Lür ihu, weil er iu der überwiegeudeu
Mehrzahl gegeuwärtig ist uud theatralische Auf-
führuugeu besucht, muß die moderue Bühue alle
techuischeu Lortschritte sich uutzbar zu macheu sucheu,
muß auch das klassische Drama, voruehmlich das
Shakespeares, das Gepräge des Ausstattuugsstückes
tragen, um überhaupt uoch möglich zu seiu. Zwischeu
volleudeter uud überladeuer, geschmackloser Ausstattuug
ist trotz alledem eiu gewaltiger Uuterschied: jeue er-
höht die IVirkuug, diese zerstört sie — diese wird man
siiehen, jene auf alle weise erstrebeu müsseu.
lVenu also ^err von j?erfall gegeuwärtig die
Darstelluug der Shakesspearescheu Drameu auf, freilich
etwas umgeäuderte, altenglische Art vorbereitet, so
köuuten Uueiugeweihte, die das Müuchner bsoftheater
als solches uicht keuueu (das trotz seiues Alters, was
die szeuischen Uttttel aulaugt, doch immer mit zu deu
leistuugsfähigsteu deutscheu Bühneu gehört), zu dem
Gedauken verleitet werden, die j)erfallsche Ueform
bedeute iu IVahrheit uichts audres, als ein: uon
VO88UMU8! „wir(die Leiter des wlüuchner ksoftheaters)
sind uach zahlreicheu Aufführungeu Shakespearescher
Dramen, mit deuen wir uus die redlichste Blühe ge-
geben habeu, zu der Überzeuguug gekommen, daß
gleichwohl uicht Alles so klappt, uicht Alles so wirkt,
wie wir es erwartet habeu. Liu größeres ZVlaß
vou Sorgfalt, als das bisher auf die Tinstudirung
dieser Drameu verweudete, ist uicht deukbar — weitere
techuische Lortschritte sind uicht zu erwarteu, oder
doch für uusre Bühue uicht verwendbar — also:
geheu wir lieber uackt, als ärmlich bekleidet, d. h.
spieleu wir lieber ohne Dekorationeu, als mit unzu-
länglicheu!"
Tiu audrer Uueiugeweihter könnte auf deu Tin-
fall kommeu, das Münchner Theaterpublikum sei iu
der That durchweg so phautasiereich, wie es Lserr vou
perfall bekomplimeutirt, der au der Spitze seiues Bund-
schreibeus von „vieleu aufrichtigeu Lreundeu und
wahreu Keuueru der dramatischen Auust" als seiueu
Gewährsmäuueru spricht. Aber ich kann aus eiguer
Lrfahruug versichern, daß das Alüuchuer Theater-
publikum sich iu Nichts von dem audrer großer
^tädte uuterscheidet.
Die gauze j)erfallsche Neform hat ihreu Urspruug
jedeufalls uicht in ästhetischen Trwäguugeu, deuu dem
verdieustvolleu Leiter der Wünchuer üofbühne ist eiu
derartiges vollkommeustes Verkeuuen des Geschmacks
uud des Bedürfuisses seiues j)ublikums uumöglich zu-
zutraueu: sie stellt sich vielmehr lediglich als eius von
deu historischeu Lxperimeuteu dar, iu denen sich unsre
Zeit uuu eiumal gefällt: sie sieht aus, als wäre ein
jDrofessor der euglischeu Literatur ihr Vater — sie
riecht gelehrt, pedautisch. Attt demselbeu Fuge köunte
heute oder morgen eiu j)rofessor der altgriechischen
Literatur deu t^atz als ästhetische Forderuug aufstelleu,
damit er dauu vou eiuem Theateriutendanten als
Grundlage eiuer Reform beuützt werde, daß man, um
die werke der großeu helleuischen Tragödeu mit
„wirklich küustlerischer wirkuug" darzustelleu, die Dächer
der Bühueuhäuser beweglich, zum Abnehmen einge-
richtet herstelleu müsse: der Zuschauer köune der-
artige Drameu nur uuter freiem üunmel geuießen.
— Sagt vielleicht Lserr vou j)erfall auch, Shakespeare
könue uur daun wirken, wenn man dem j?ublikum
gestattet, sich auf altenglische weise im Theater zu
benehmeu: den üut auf dem Nopfe zu behalten, Ale
zu trinken, sich auf die Bühne zu setzen und j)ossen
zu treiben?
2. t^hakespeare würde, wenn er die Dekorationen
— 236 —