Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI issue:
Heft 22
DOI article:
Vom Tage
DOI article:
Aus der Bücherei
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0354

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
sv^--

nationaler Besonderheit man nicht durch Gewöhnung oer- j Frankreich oder Italien kaufen, als hier. (wir brauchen

traut ist, und ich gestehe, daß mir ihre Sehweise, die alles in
die Länge gestreckt und ausgezogen schaut, vorläufig einsach
unerträglich ist, sast so unerträglich wie ihr Fanatismus der
Reinlichkeit, dem kein Bild deutlich, sauber und ausgeleckt
genug ist, als ob die Malerei eine wasch- und jdlättanstalt
wäre. ksermann Bahr.

-^Ueber die Berliner Aunstindustrie im Allge-
meinen und die Bronze-Aunstindustrie im Besonderen sxricht
sich der Iahresbericht der Ältesterr der Berliner Aausmannschast
für das Berichtsjahr Mai t888—89 in solgender nicht er-
sreulicher Weise aus: Leider hat sich die wirkliche Aunstindustrie
nicht gehoben, im Gegenteil, mehrere achtbare Fabriken sind
eingegangen. Die Gegenstände sollen billig sein und nach
recht viel aussehen, vor allen Dingen mehr scheinen, als sie
sind; bei dieser Auffassnng läßt sich nicht viel übcr Gcschmacks-
richtung sagen. Man ahmt alte Rokokowerke, sowie japanische
werke nach, es wird manchmal geschickt Majolika mit Bronze
in Berbindung gebracht, häufig auch recht geschmacklos; doch
eine srische, verjüngende Araft tritt uns selten entgegen; es
ist nur ein Tasten und Suchen nach kapriziösen Benheiten.
An Arästen zur bserstellung guter Sachen dürste es wohl kaum
fehlen; es sind Aünstler und Zabrikanten genug in Berlin,
welche jeder an sie gestellten Aufgabe gewachsen sind; abcr an
Räufern sür gute Sachen sehlt cs; es ist heute geradezu lAode,
Alles so billig als möglich kausen zu wollen. Die rührigsten
Aräste erlahmen, wenn die Mühe vergcbens ist; da nützen
auch die besten Rezepte nichts Die Aräste der ganzen Aunst-
industrie sind überangestrengt. Die Lhändler und das jdublikum
betrachten die Runstindustrie als cine Modesache, wie etwa
ein Aonfektionsgeschäst, das alle Monate ganz neue Moden
bringt; sür Alcidcr mag dies gut sein, sür Aunst oder Runst-
industrie ift dies der schlimmste Feind und hetzt jedes ernste
Streben zu Tode, es bleibt dann nur die Tändelei übrig.
Die rein geschästliche Seite dieses Zweiges hat sich auch nicht
gebessert. Die verschiedenen Ausstellungen haben wohl keinen
wesentlichen Linsluß nach irgend welcher Richtung gehabt.
Die Aussuhr nach überseeischen Ländern hat sich nicht gehoben;
die hohen Eingangszölle sür Amerika und Rußland machen
einen ksandel mit echten Sachen sehr schwer; nnr die billigsten
Artikel und meistens auch nur Imitation ist nach diesen
Ländern verkäuslich. Der bsandel im Inlande hat damit zu
kämxfen, daß die bsändler die besseren Gegenstände lieber in

unsere Leser nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie
vollständig sich die obigen Ansichten über Aunst und Mode
mit denen des kserausgebers in dem Aussatze über Nouveautös
in Nr. 7 des z. Iahrgangs decken. Die „Aöln. Ztg." bemerkt
übrigens zu der obigen Anslassnng solgendes: Die Berliner
Runstindustrie erntet, was sie gesäet hat. Ls ist an anderen
Drten, wie ksamburg, Franksurt, Röln, München, mag auch
allerlei sehlen, mit dem Geschmack des jArblikums nicht so
schlecht bestellt, wie nach dieser amtlichen Aussage in Berlin.
Dort hat man eben von Ansang an das Runstgewerbe in den
Dienst einer heuchlerischen Scheinvornehmheit gestellt nnd zu
einer Zeit, da der Geschmack des Berliner jdubliknms noch
viel weniger ausgebildet war, als der obengenannter Städte,
mit in Massen aus den Markt gcworfener Ramschware, sür
welche ost noch die jdresse Reklame machte, das Streben ernster
Runstgewerbetreibender im Reime erstickt.)

» Für das Germanische Museum in Nürnberg ist
soebcn zum Preise von 206Z83 Mk. die großartige wafien-
sammlung des Grasen Sulkowski aus Schloß Feistritz angekauft
worden. Sie ist ursprünglich von dem baronisirten lheeres-
Großlieferanten i es Aaisers Lranz, kserrn Dietrich, dem Groß-
vater des Fürsten Sulkowski zusammen gebracht worden und
gchört zu den bemerkenswcrtesten waffensammlungen des
Aontinents. Allerdings birgt sie manche Stücke, deren sonder-
bare Bezeichnungen dem Renner nur ein Lächeln abnötigen,
wie den bsarnisch Götz von Berlichingens oder gar die Arm-
brust wilhelm Tells; daneben aber hat sie Rabinetsstücke
ersten Ranges, zum Teil Unika, welche der Lngländer Meyrik
in seinem Meisterwerke über alte wafien als wahre jderlen
bezeichnet. Namentlich steht die Sammlung von Turnier-
harnischen sast cinzig da, serner finden sich Topshelme aus
dem Ansange dcs js. Iahrhunderts, Tartschen, Turnierlanzen,
kolossale „Bidenhander", Radschloßbüchsen, Armbrüste usw.
Die waffensammlung ist siir Nürnberg noch von ganz be>
sonderer Bedeutung, denn viele Stücke derselben stammen aus
dem alten Nürnberger Zeughause, dessen wertvollsten abcr
mit Lnde des vorigen Iahrhunderts gänzlich verschollenen
Tcil sie bildeten. Um dcn Ankauf der Sammlung zu ermög-
lichen, hat das Germanische Museum ein Darlehen von
200000 Mk. ausgenommen, das in Z2 Iahren zurückbezahlt
werden wird, wenn ihm nicht besondere Gaben sür diesen
Zweck zusließen.


Nus der Wücberei.

ikunststudien veu L. Dusse. Drittes yeft. Die
Verkläruug von 'lkattuel. Breslau. L. F. wiskott t«89.
Der j)ros. der Anatomie an der Uuiversität Breslau vr. L.
lhasse ist von dem großartigen Bilde Rafiaels in der Natika-
nischen Galerie oder vielmehr nur von den Nachbildnngen
desselben so ergriffen worden, daß er sich bewogen gesühlt hat,
seiner Lrklärnng eine besondere Lchrift zu widmen. Lr be-
kennt sich zu dem Satze: „Der Geist, der Gedanke, welcher in
einem Gemälde zum Ausdruck kommt, ist immer die ljaupt-
sache, nicht aber das Geschick der Farbengebnng." Nach
einein Ueberblick über die verschiedenen Ansichten, welche die
Rimstsorscher über Raffaels Bild geäußert haben, entwickelt
der Uersasser als Grnndgedanken dcs werkes den Satz: „Nnr
im Glaubcn an den einigen Gott ist das lheil." Dann weist
er die Liuheitlichkeit des Bildes nach, endlich benennt cr die
neun Iünger im unteren Tcile desselbcn. Lin Lichtdruck
des Bildcs ist der schön ausgestattcten Lchrist beigegeben. --
wir zweiseln sehr daran, daß Rafiael der lsassesche Grundge-
danke vorgeschwcbt habe; der Rünstler ist vielmehr vom Ge-
genstande, also der Nerklärung und der kserbeisührung des
besessenen Rnaben ausgegangen. Alles andere ist 5ache
der künsterischen Durchdenkung und Durchbildung. Das
beweist dic Entstehungsgeschichte zahlreicher Raffaelscher

Bilder, die sich an den lhandzeichnungen verfolgen läßt. Ab-
straktion ist nicht das Merknial der Renaissancekunst, am we-
nigsten der Rafiaels. Auch die Benennung der einzelnen
Apostel wird dem, der Runstwerke vom künstlerischen, nicht
von dem gedanklichen Ltandpunkte aus zu genießen gewohnt
ist, die Freude an Rafiaels hohem werke nicht hervorragend
steigern. Trotzdcm ist bfasses Arbeit keineswegs unnütz. Spricht
es 'doch für die Größe Rafiaelischer Runst, daß Leute ganz
verschiedener Runstanschauung zur höchsten Besriedigung zu
gelangen, erhebenden Genuß aus ihr zu schöpsen vermögen.

SLStein dcr 'lkünstc. mit Rücksicht aus dic Frage der
Nereinigung verschiedener Rünste und des Baustils der Zu-
kunst, dargestellt von Theodor Alt. Berlin. G. Grotesche
verlagsbuchhandlung 1888. 260 S. Wir stehen im ganzen
ästhetischen Lystemen nicht besonders freundlich gegenüber, er-
achten vielmehr einesteils die historische, andernteils eine
ganz unbefangene Betrachtung der Runstwerke sür srucht-
barer. Indeß müssen wir anerkennen, daß 2llts werk eine
geistvolle und gedankenreiche Arbeit ist, welche auf gründlichen
Studien beruht und für Lrkenntniß und Beurteilung des
Runstschönen sehr beachtenswerte und anregende Beiträge
liesert. Der Standpunkt des Dersassers, die Rünste aus die
Möglichkeit ihrer Nereinigung hin zu betrachten, ist von Lin-

348 —
 
Annotationen