welche ihre frühere Arbeiten so ungemein auszeichnete,
in Rurzem jegliche Spur verschwiudet." In Spanien
war diese Gefahr kein Geheimnis; Iusepe Martiuez
bemerkt in seinen OiZcursos pructicubl68, „die Zeichnung
werde durch solche ^tudien hart, trocken und höchst
unersreulich sürs Auge." Iudeß dürsten diese der
jetzigen Zeit so satal gewordenen asterklassischen und
antimalerischen Aianieren des solgenden Zahrhunderts
doch weniger eine wirkung der eifriger studirten An-
tike sein, als des schon eingetretenen Marasmus, der
von solchen Transsusionen versüngnng der Säste er-
hoffte. Die natürliche widerstaridskrast der gebornen
Aialer srüherer Zahrhunderte brauchte solche Ab-
lenkungen nicht zu sürchten (II, t5 6).
Zdealismus.
Bevor wir zu dem Hauptgegenstaud des Buches,
dem Bealismus, übergehen, seien in diesem Zusammen-
hang die köstlichen worte angeführt, mit denen der
verf. den Zdealismus (der nach Lagarde, Deutsche
Schristen II,-179, sehr wohlvon der Zdealität zu unter-
scheiden ist) absertigt. Mas ist Geist iu der Alalerei?
srägt er (II, 27 3). Geist fehlt in den bildenden
Aünsten denen meist ganz und gar, welche den Geist
in Morten und Zdeen haben. Zdeen in jenem Sinn,
wo Allegorien und Rarikaturen, oder programm-
malereien vorzugsweise Zdeen hätten. „Traut denen
nicht," sagt Diderot, „die den ^>ack voll Geist haben
und ihn bei jedem Anlaß ausstreuen. Sie haben den
Dämon nicht." Nembrandt, Torreggio, Tizian, Alurillo
sind geistreiche Alaler gewesen, nicht weil sie geistreiche
Ginfälle gehabt haben und Literaten Stoff zu Dekla-
mationeu und Abhandlungen gaben, sondern weil sie
Geist in Blick und Fingern hatten. Geist ist präg-
nanter und überraschender Ausdruck, von dem auch
der Aleister gesteht, daß ihm das uicht eiugesallen
wäre, Geist haben die, welche sehen, was wir andern
nicht sehen, die, bei denen mau uicht vorhersagen
kann, wie sie einen ^toff behandeln werden, die also,
wie Rant sagt, Dinge machen, die nicht aus Negeln
zurückzusühren sind. Geistlos langweilig pffegen
Alaler zu seiu, welchen die Ächtbarkeit bloß als
Sprache Wert hat, zu der sich die Zdee, wenn auch
noch so gefällig, herabläßt (so auch I, ^t3). Zn
diesem Sinne ist Geist nicht, wie in jenem andern,
dem Genie entgegengesetzt.
Überhaupt ist Zusti aus die „Metaphysik und
Archäologie der ^chönheit", also auf die übliche
theoretische uud augewandte Ästhetik, nicht gerade gut
zu sprechen. Man hat oft gemeint, sagt er (I, 30 7),
die wahre Aritik bestehe nicht darin, seinen echten
Tindruck zu wort kommen zu laffen, sondern an-
gesichts der Runstwerke ästhetische Rompendien im
Gedächtnis aufzuschlagen, und „sich die 2lugen auszu-
stechen, um beffer durchs Fernrohr zu sehen." — Bei
Gelegenheit von velazquez' Gemälde „Die Schmiede
vulkans", worin die Tifersucht des hinkenden Gottes
mit übermüthiger Zronie als komisches Aloment aus-
gebeutet wird, meint Zusti: es ließe sich hier eine
j)redigt halten über den Undank des j)ublikums.
Alan bescheinigt mit schwülstigen Lobsprüchen die
Langeweile, welche das korrekt befolgte Nezept ver-
ursacht hat und straft mit hofmeisterlichen Belehrungen
die gute Unterhaltung, die einem abgenötigt wurde.
Statt dem Ulaune zu danken, daß er auch in der
Villa Uledici kein akademisches kvaffer in seinen
kvein gegoffen, daß er die langweiligsts Rlasse mo-
derner Bilder mit einem ^tück bereichert hat, das
Niemand ohne ^achen ansieht (obwohl dies Lachen,
wie der Gracioso der Uomödie, nur eine Zugabe
des höflichen Nlalers war sür die, welchen der
Genuß seiner ernsten künstlerischen Arbeit nicht
genügt hätte): statt deffen hält man ihm eine
Lektion über den Apoll von Belvedere. — Die
klassischen Stosse, sügt er hinzu (II, 363), siud
eben heute in einer schlimmen tzsage. Zm t7. Zahrh.
der ff)edanterie, als selbst in Aladrid „der Lakai la-
tinisirte" (Auevedo), arbeiteten schon die antiken Namen
sür ein Bild, heute entstrahlt ihnen ein Frost von
Langeweile. Ivo der Rünstler sie durch Griffe in die
Natur zu beleben sucht, da ergießt die uufruchtbare
Gelehrsamkeit ihren Spott. Die antiken Figuren des
Velazquez sind eigentlich nicht mehr j)arodie, als die
des Nubens und der Nenaiffance. S. S.
(Fortsetzung folgt.)
Vom
Ä- Uber „Berlin im Roman" spricht UI. Ijarden in
der lViener „Deutschen Zeitnng" (63;Z). —N)ir unterbreiten
das wesentlichste der Arbeit unsern Lesern, selbstverständlich,
ohne Isardens Urteile über einzelne Zchriststeller ohne U?eiteres
zu dcn unseren machen zu wollen. „Einheimische und Einge-
wanderte, Nord- und Süddeutsche haben den versuch gemacht,
das werdende Ungetüm Reichshauptstadt znm Gegenstand
ihrer Dichtung zu machen. Ijans bsopfen, der Baier, Fritz
Ulauthner, der Gsterreicher, und die Norddeutschen Theodor
Fontane, Ulax Rretzer und s)aul Lindau, sie und viele ihrer
Genossen, die es in sich gähren fühlten, haben Berliner Romane
geschrieben, groß geplante Lrzählungen, die nicht mchr wie
srüher aus einem nebelhasten Ijintergrund sich abspielen,
sondern in dem genau bestimmten Lebensboden des neuen
Berlin wnrzeln sollten. Für Ieden, der die Taine'sche Lehre
von der bestimmenden und nmwandelnden Rraft des «Ulilieu»
annimmt, ist die Bedeutung dieses vorschreitens von der ver-
schwommenheit zur Ularheit offeubar. Nur erkennt man bei
näherem Zusehen gar bald, wie oft auch hier noch ein leeres
Tage.
Spiel mit Aeußerlichkeiten getrieben wird. Me aus unseren
Bühnen durch die getreu der lvirklichkeit nachgeahmte kser-
richtung des umspannenden Rahinens die salsche Theatermoral,
die abgelebte Ronvention nicht verdrängt worden sind, so ist
auch im Roman sür eine frische Natürlichkeitsrichtung noch
nicht viel gewonnen, weil man sich endlich daran gewöhnt
hat, richtige Straßennamen anstatt der erfundenen Bezeich-
nungen anzuwenden. Trotz der genauen 5childerung gewiffer
plätze könnten vicle Berliner Romane mit mindestens dem-
selben Recht zu des seligeu Llauren Zeiten in wolkenkukuks-
heim spielen; man braucht nur die nachträglich ausgepinselte
<2lktualität> abzukratzen, um den guten, alten Roinan mit
seiner rührseligen verlogenheit zum vorschein kommen zu
sehen.
Das gilt besonders von den erfolgreichen Romanen s)aul
Lindaus, der uuter dem Sammeltitel «Berlin» eine Reihe
von Lebeusbildern aus der preußisch-deutschen kjauptstadt ver-
einen will, die nichts Anderes gemeinsam haben sollen, als
eben den Nlutterboden. Der erste Teil dieses weitausblicken-
'T'
— 32S —
in Rurzem jegliche Spur verschwiudet." In Spanien
war diese Gefahr kein Geheimnis; Iusepe Martiuez
bemerkt in seinen OiZcursos pructicubl68, „die Zeichnung
werde durch solche ^tudien hart, trocken und höchst
unersreulich sürs Auge." Iudeß dürsten diese der
jetzigen Zeit so satal gewordenen asterklassischen und
antimalerischen Aianieren des solgenden Zahrhunderts
doch weniger eine wirkung der eifriger studirten An-
tike sein, als des schon eingetretenen Marasmus, der
von solchen Transsusionen versüngnng der Säste er-
hoffte. Die natürliche widerstaridskrast der gebornen
Aialer srüherer Zahrhunderte brauchte solche Ab-
lenkungen nicht zu sürchten (II, t5 6).
Zdealismus.
Bevor wir zu dem Hauptgegenstaud des Buches,
dem Bealismus, übergehen, seien in diesem Zusammen-
hang die köstlichen worte angeführt, mit denen der
verf. den Zdealismus (der nach Lagarde, Deutsche
Schristen II,-179, sehr wohlvon der Zdealität zu unter-
scheiden ist) absertigt. Mas ist Geist iu der Alalerei?
srägt er (II, 27 3). Geist fehlt in den bildenden
Aünsten denen meist ganz und gar, welche den Geist
in Morten und Zdeen haben. Zdeen in jenem Sinn,
wo Allegorien und Rarikaturen, oder programm-
malereien vorzugsweise Zdeen hätten. „Traut denen
nicht," sagt Diderot, „die den ^>ack voll Geist haben
und ihn bei jedem Anlaß ausstreuen. Sie haben den
Dämon nicht." Nembrandt, Torreggio, Tizian, Alurillo
sind geistreiche Alaler gewesen, nicht weil sie geistreiche
Ginfälle gehabt haben und Literaten Stoff zu Dekla-
mationeu und Abhandlungen gaben, sondern weil sie
Geist in Blick und Fingern hatten. Geist ist präg-
nanter und überraschender Ausdruck, von dem auch
der Aleister gesteht, daß ihm das uicht eiugesallen
wäre, Geist haben die, welche sehen, was wir andern
nicht sehen, die, bei denen mau uicht vorhersagen
kann, wie sie einen ^toff behandeln werden, die also,
wie Rant sagt, Dinge machen, die nicht aus Negeln
zurückzusühren sind. Geistlos langweilig pffegen
Alaler zu seiu, welchen die Ächtbarkeit bloß als
Sprache Wert hat, zu der sich die Zdee, wenn auch
noch so gefällig, herabläßt (so auch I, ^t3). Zn
diesem Sinne ist Geist nicht, wie in jenem andern,
dem Genie entgegengesetzt.
Überhaupt ist Zusti aus die „Metaphysik und
Archäologie der ^chönheit", also auf die übliche
theoretische uud augewandte Ästhetik, nicht gerade gut
zu sprechen. Man hat oft gemeint, sagt er (I, 30 7),
die wahre Aritik bestehe nicht darin, seinen echten
Tindruck zu wort kommen zu laffen, sondern an-
gesichts der Runstwerke ästhetische Rompendien im
Gedächtnis aufzuschlagen, und „sich die 2lugen auszu-
stechen, um beffer durchs Fernrohr zu sehen." — Bei
Gelegenheit von velazquez' Gemälde „Die Schmiede
vulkans", worin die Tifersucht des hinkenden Gottes
mit übermüthiger Zronie als komisches Aloment aus-
gebeutet wird, meint Zusti: es ließe sich hier eine
j)redigt halten über den Undank des j)ublikums.
Alan bescheinigt mit schwülstigen Lobsprüchen die
Langeweile, welche das korrekt befolgte Nezept ver-
ursacht hat und straft mit hofmeisterlichen Belehrungen
die gute Unterhaltung, die einem abgenötigt wurde.
Statt dem Ulaune zu danken, daß er auch in der
Villa Uledici kein akademisches kvaffer in seinen
kvein gegoffen, daß er die langweiligsts Rlasse mo-
derner Bilder mit einem ^tück bereichert hat, das
Niemand ohne ^achen ansieht (obwohl dies Lachen,
wie der Gracioso der Uomödie, nur eine Zugabe
des höflichen Nlalers war sür die, welchen der
Genuß seiner ernsten künstlerischen Arbeit nicht
genügt hätte): statt deffen hält man ihm eine
Lektion über den Apoll von Belvedere. — Die
klassischen Stosse, sügt er hinzu (II, 363), siud
eben heute in einer schlimmen tzsage. Zm t7. Zahrh.
der ff)edanterie, als selbst in Aladrid „der Lakai la-
tinisirte" (Auevedo), arbeiteten schon die antiken Namen
sür ein Bild, heute entstrahlt ihnen ein Frost von
Langeweile. Ivo der Rünstler sie durch Griffe in die
Natur zu beleben sucht, da ergießt die uufruchtbare
Gelehrsamkeit ihren Spott. Die antiken Figuren des
Velazquez sind eigentlich nicht mehr j)arodie, als die
des Nubens und der Nenaiffance. S. S.
(Fortsetzung folgt.)
Vom
Ä- Uber „Berlin im Roman" spricht UI. Ijarden in
der lViener „Deutschen Zeitnng" (63;Z). —N)ir unterbreiten
das wesentlichste der Arbeit unsern Lesern, selbstverständlich,
ohne Isardens Urteile über einzelne Zchriststeller ohne U?eiteres
zu dcn unseren machen zu wollen. „Einheimische und Einge-
wanderte, Nord- und Süddeutsche haben den versuch gemacht,
das werdende Ungetüm Reichshauptstadt znm Gegenstand
ihrer Dichtung zu machen. Ijans bsopfen, der Baier, Fritz
Ulauthner, der Gsterreicher, und die Norddeutschen Theodor
Fontane, Ulax Rretzer und s)aul Lindau, sie und viele ihrer
Genossen, die es in sich gähren fühlten, haben Berliner Romane
geschrieben, groß geplante Lrzählungen, die nicht mchr wie
srüher aus einem nebelhasten Ijintergrund sich abspielen,
sondern in dem genau bestimmten Lebensboden des neuen
Berlin wnrzeln sollten. Für Ieden, der die Taine'sche Lehre
von der bestimmenden und nmwandelnden Rraft des «Ulilieu»
annimmt, ist die Bedeutung dieses vorschreitens von der ver-
schwommenheit zur Ularheit offeubar. Nur erkennt man bei
näherem Zusehen gar bald, wie oft auch hier noch ein leeres
Tage.
Spiel mit Aeußerlichkeiten getrieben wird. Me aus unseren
Bühnen durch die getreu der lvirklichkeit nachgeahmte kser-
richtung des umspannenden Rahinens die salsche Theatermoral,
die abgelebte Ronvention nicht verdrängt worden sind, so ist
auch im Roman sür eine frische Natürlichkeitsrichtung noch
nicht viel gewonnen, weil man sich endlich daran gewöhnt
hat, richtige Straßennamen anstatt der erfundenen Bezeich-
nungen anzuwenden. Trotz der genauen 5childerung gewiffer
plätze könnten vicle Berliner Romane mit mindestens dem-
selben Recht zu des seligeu Llauren Zeiten in wolkenkukuks-
heim spielen; man braucht nur die nachträglich ausgepinselte
<2lktualität> abzukratzen, um den guten, alten Roinan mit
seiner rührseligen verlogenheit zum vorschein kommen zu
sehen.
Das gilt besonders von den erfolgreichen Romanen s)aul
Lindaus, der uuter dem Sammeltitel «Berlin» eine Reihe
von Lebeusbildern aus der preußisch-deutschen kjauptstadt ver-
einen will, die nichts Anderes gemeinsam haben sollen, als
eben den Nlutterboden. Der erste Teil dieses weitausblicken-
'T'
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