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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 17
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Schaffner, Hans: Vom Holzschnitt in unseren Zeitschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0263

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uöer alle Ueöiete^eSMcbönen.

17. Stück.

Lrscbctnt

im ersten und dritten viertel

- '-

Derausgeber:

zferditland Avenarius.

Kestellpreis:
vierteljährlich 2 t/z Mark.

2. Zabrg.

Vom Dolzsclmitt in unseren Leitsebritten.

?au müßte xecht hoch greifeu, wollte man
)die Bedeut/ng der vervielfältigenden Runst
.für eiu volk überschätzen. was der wlaler,
ä^^der Bijdhauer nüt feinen feineren Augen
sieht und durch sein Aönnen auf der Leinwand oder
im Steine festhält — „von Angesicht zu Angesicht" sehen
es ja wie wenige im Verhältnis zu deu Vielen, die
durch einen ^tich, einen ^olzschnitt davon ersahren !
<Ls wäre nicht sehr übertrieben, wollte mau sagen:
das volk bildet seine Anschauungen von der Runst
überhaupt nach werken der vervielsältigenden Rünste
— deuu was die große Menge von Gelbildern, von
Statuen sieht ist ja so wenig, daß es kaum in Betracht
kommt. Und weil viel mehr dazu gehört, eiu gutes
Gelbild wirklich zu verstehen, als eine wiedergabe,
die alle wirkvngen von Farbe und Licht doch immer
vereinsachen muß, so sällt jenes wenige noch leichter
ins Gewicht. Sicherlich haben auch die meisten unserer
echten Rünstler in ihrer Zugend kaum viel mehr Gel-
bilder gesehen, als etwa das überm Altar in der
Rirche uud ein oder das audere Lrbstück: die Bilder
im Ralender und im Famlienblatt waren es, aus
denen die jungen Augen Renntnis über das sogen,
was draußen die Alten „machten". Nach einem An-
schlag Lipperheides, der sicherlich eher unter als über
den Thatsachen bleibt, gewinnen etwa sünsunddreißig
Millionen Deutsche ihre nahezu einzige künstlerische
Anregung durch den Holzschnitt.

Aeine andere Technik der veroielsältigenden Aünste
kann sich ja sreilich mit diesem, was Bolkstümlichkeit
anbelangt, messen. Lebt er doch allein von allen in
bester Freundschast mit dem Buchdruck, 2lrm in Arm
mit ihm Hütten und f)aläste durchwandernd. Die
billige Zinkätzung läuft den Beiden nach, aber sie ist
keine Aunsr, sie ist nur eine rein mechanische Technik.
Thut sie treffliche Dienste, wo es gilt, etwa eine

Zeichnung ganz getreu und dabei billig im Buchdruck
wiederzugeben, so versagt sie doch sogleich, wo wir
mehr, wo wir sozusagen nicht einen eintönigen vor-
leser, sondern einen lebendig warm vortragenden
vermittler des Urwerks verlangen. Und der Lsolz-
schnitt kann solch ein Dermittler sein sür Bilder der
allerverschiedensten Art: er kann nicht nur, was die
Zinkographie unter Anderm auch kann und mit sort-
schreitender Derbesserung ihrer Technik immer besser
können wird: mit Linien andere Linien nachzeichnen,
er kann auch mit reichem Ausgebot von Schatten,
Lichtern und Ubergangstänen den Neizen eines kolo-
ristischen kVerkes solgen, er kann malerisch oder
zeichnerisch wirken und doch dabei charakteristisch
bleiben, was er ist. „ Ls giebt kein Gebiet," schreibt
köecht vom Liolzschnitt, „das ihm verschlossen wäre,
keine Runsthöhe, sür die er nicht einen passenden Aus-
druck sände. Lr ist eineni Ainde verständlich und
vermag das Bedürsnis des wahren Uenners zu be-
sriedigen. Voll Arast und Lnergie, glänzend, wo es
sein muß, und von äußerster Schmiegsamkeit, ist er
doch klar uud einsach und darum übersichtlich und
voll überzeugender Mahrheit. Dabei ist seine Aus-
drucksweise warm und ansprechend, seine Trscheinung
durchaus sympathisch." Gr ist somit vielleicht die
sachlichste, die objektivste aller veroielfältigenden Rünste.
Weit weniger als der Radirer oder Aupferstecher
tritt der gute Facsimile-Lsolzschneider vor sein vorbild.
Beruht der Beiz einer guten Radirung oft gerade
darin, daß wir eine Zndividualität eine andere
wiederspiegeln sehen, so will der bsolzschneider ver-
gessen werden über dem Urwerk. Zeichnet er doch
(ich spreche immer vom Lacsimile-Holzschnitt) nur Linie
sür Linie seiner Vorlage nach, während der Aupser-
stecher oder Radirer sein Vorbild „übersetzen" muß.

Aber pflegen wir in Deutschland nicht zu einseitig


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