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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 14
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0226

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sie waren ein wenig schwach und inachten sich des-
halb die Sache leicht, „denn es ist sa leicht mit bsilfe
der Lasnren allerhand üppige (— die ehrlichen mo-
dernen Münchner schütteln sich moralisch —) geheim-
nisvolle Farbenwirkung zu erzielen." Solche Üppig-
keit aus Schwachheit macht es klar, warum sie keine
Lhrsurcht vor der Natur hatten und ihr Zwang an-
thaten. Sonnenglanz, Tageslicht, Nnterschiede zwischen
der LHchtwirkung in geschlossenen Näumen und im
Freien merkten sie nicht, und was etwa tzleonardo in
seinem Traktat über die Malerei geschrieben hat,
das sind wahrscheinlich nur Traumvorstelluugeu, von
denen er im wachen Zustande bei der Arbeit keinen
Gebrauch gemacht hat. —

Also Rreidegrund macht die Nlalerei weiß und
staubig uud erzeugt farbloses pleiu-uir. Zlber so viel
ich weiß, malten die van Tycks, Dürer, die Vuattro-
ceutisten usw. zumeist aus Areidegruud: sehen deshalb
ihre Bilder wie sarbloses pleiu-uir aus? Sollten des
Derfassers Beobachtungsschlüsse nicht aus verwechse-
lung der j?räpositionen beruhen? Denn allerdings:
Rreide aus die Malerei gestreut macht staubig.

„?1eiu-uir (wenn wir das Fremdwort nicht hätten!)
bedeutet für den Aenner eigentlich nur eine gewisse
(gottlob, es ist nur eiue „gewisse" uötig) Gründlichkeit
und lasurfreie Sorgfalt, welche es denn auch wageu
kaun, dem unmittelbaren Sonnenlichte (wenn es nur
gut bekommt!) ins Auge zu schausn, während man mit
Lasuren senes sichere Licht (Bellini, Dürer, Tizian!!)
eben nicht zu erzeugen vermag."

Zch meinte bisher, die Modernen sähen anders,
auch mit andern Geistesaugen, als ihre vorgänger,
darum malteu sie auch anders. Lin Zrrtum! Sie
sind ehrlicher! Äe malen deshalb nackte Männlein
und Fräulein im Freien hinter Leinwandwänden; sie
verabscheuen die unmoralischen Lasuren und kaufen
sich (setze ich hinzu) ehrliche photographische Apparate,
die uicht betrügen.

wer nun gern so sieht, wie diese Modernen —
ich gönne es ihnen — der bediene sich der Zeltwände,
der großen Sonnenschirme und des A'laschinenauges;
er sei dabei so selbstbewußt, wie er kann, denn „der
Lebende hat Necht." Aber er glaube damit nicht
tugendhaft-ehrlich geworden zu sein -- oder gar ehr-
licher als die, vor deren stiller Größe wir andern
Nachgebornen uns gern beugen. Nlalevolus.
III.'

Zu der Zuschrist des Lserrn Alalevolus, die mir
ein ganz klein wenig wunderlich erscheint, möchte ich
zunächst sragen: warum uuterschreibt sich der ge-
schätzte Tinsender als Alalevolus?! Alalevolus ist
verdeutscht: der „Alißwolleude", der „Übelwollende",
und wenn ich auch nicht ganz unerfahren bin in den
üunstgeheimnissen tiessinniger Zronie, so steckt mir
diesmal doch zu viel Selbstirouie in dem geheimnis-
vollen Namen: der „Böswillige", daß ich nicht zu
mir sagte: Dorsicht, vorsicht, Alann; aus diesem Worte
sieht em arger Schalk heraus; dieser „Alalevolus"
will dich sicherlich aus's Tis sühren.

Lsieße er nämlich nicht „Alalevolus", der „Bös-
willige", sondern hätte er einen ehrlichen Alenschen-
namen, so könnte ich ihm sagen: Lserr, Äe blamiren
sich ja ganz schauderhaft, wenn Sie die van Lycks,
Dürer, die Tuattrocentisten mir namhast machen und
daß sie „zumeist aus Rreidegrund" malten; wenn Sie
damit etwas glauben gesagt zu haben gegen die Aus-
führungen meines Aussatzes, welcher gegen die ver-
wechselung der sogenannten Ls^^malerei mit dem,
was man die Trockenmalerei nennt, sich wenden.
Zn der That verwechseln Äe Beides und Viele, ach,
Viele mit Zhnen, Ls^rr Alalevolus; wenn man heut-
zutage von „gekreideten Bildern" spricht, so meint
man ein ganz anderes versahren, als dasjenige,
welches etwa die (Huattrocentisten besolgt haben, wo-
rüber Sie sich denn des Meiteren zu unterrichten
haben werden, ehe F>ie sich als ein „Alalevolus"
ferner selbst ironisiren.

So würde ich zu dem geschätzten Linsender sagen,
wenn er nicht eben durch die Unterschrist „Alalevolus"
sich selbst als einen Alissethäter bezeichnet hätte, der
an das, was er sagt, selbst nicht zu glauben scheint.
Mie gut manchmal so ein Decknainen, so eine „Lasur"
über die persou ist!

Was die „Thrlichkeit" aulangt, die nach meiner
Ansicht in jener Isellmalerei liegt, von welcher mein
Aussatz haudelte, so vermag ich aus die spöttlichen
Witzigkeiten des geehrten Tinsenders nichts zu er-
widern. Zch habe ja mit dem Morte „Thrlichkeit"
nicht sagen wollen, daß diejenigen, welche über-
mäßig mit Lüsuren arbeiten, etwa silberne Lösfel
zu stehlen pslegten; ich kann also nicht wie der ge-
ehrte Linsender daraus eingehen, einen Dergleich
nun auch meinerseits zu Tode zu hetzen. Wer aber
ein wenig die Wirkungen kennt, welche eine in den
letzten Zahrzehnten geübte Art des Lasirens auf die
Üaltbarkeit der Bilder im Lause der Zeit ausübt —
„Bellini, Dürer, Tizian!" gehen uns hier gar Nichts
an — der wird allerdings sogar geneigt sein, uns
zuzugeben, daß in dem Dersahren, welches jeden Ton
selber mischt, eine Art von rein geschäftlicher Thr-
lichkeit liegt, weil man den Aäufer uicht der Ge-
sahr aussetzt, daß das Bild im Liaufe der Zahre un-
gleichmäßig „einschlägt" — wie die Alaler sagen —
und daß die lasirte Farbenbrühe auch sonst im tzlaufe
der Zeit das Bild verdirbt, wovou zahlreiche Beispiele
vor Aller Augen sind. Znsofern halte ich das Wort
„Thrlichkeit" nicht nur als eineu Vergleich, son-
dern sogar als einen rein k a us m ä n n i sch e n Begrifs
ausrecht. Der Räufer dars wohl verlangen, daß er
für sein gutes Geld auch eine Waare erhält, deren
schöner Schein dem Tinfluß der Zahre besser zu trotzen
versteht, als so viele leichtsertige Lasurarbeit, welche
man in den letzten Zahrzehnten lieserte. ünd, wie
gesagt, „Bellini, Dürer, Tizian" wollen wir hier
gänzlich aus dem Spiele lassen. Deren Bilder trotzen
sreilich der Zeit; sie arbeiteten aber auch auders, als
gewisse neuere ^erren. —

wolsgang Rirchbach.

(ÄE)

Rus der Wttcberei.

Floegel's Gcscbicbte dcs Grotesk-Illonnscben, ! von Friedrich w. Lbeling. s. Auflage. Leipzig, Ls. Bars-
bearbeitet, erweitert und bis aus die neueste Zeit sortgesührt , dors ;888. — Diese sünfte Äuflage ist nur ein Abdrnck der

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