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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 15
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0243

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> und die szenischen Mittel, womit man gegenwärtig
seine Dramen aufführt, sehen könnte, ohne Zweifel
nichts mehr beklagen, als daß ihm diese Mittel zu
seinen Lebzeiten nicht zu Gebote gestanden haben.
kffermit setze ich mich in geraden widerspruch zu Nudolf
Genee. So gut, wie feder moderne Dramatiker (trotz-
dem „er sein Stück unter dem Linsiuß der vorstellung
geschrieben hat, die er von der Bühneneinrichtung
seiner Zeit hat") mit der Art und weise, wie seine
Arbeit dann thatsächlich auf der Bühne verkörpert
wird, niemals zufrieden sein wird, so wird auch Shake-
speare beim Linstudiren seiner in einer keine Schranken
kennenden Begeistrung geschriebenen Dramen, durch
das Mißverhältnis von dichterischem Fluge und mensch-
lich-unvollkommnen Atttteln mehr als eininal zur Der-
zweisiung gebracht worden sein. Oder sollte er wirklich
nicht das Lächerliche empfunden haben, das eine
Schlachtszene bietet, oder ein Truppenaufmarsch mit
Trommeln und fliegenden Fahnen bei einer Bühnen-
einrichtung, wo die sprechenden Schauspieler schon
Mühe haben, ihren s)latz zu behaupten, ihre Arme
zu bewegen? Sollte er wirklich die zahlreichen, zum
Teil recht komplizirten szenischen Bemerkungen, von
denen er wußte, daß sie für seine Bühne gegenstands-
los waren, zum Scherze hingeschrieben haben und
nicht vielmehr in vorahnung einer Zeit, die im
Stande sein würde, sie auf dem Theater zur That zu
machen?

3. Die Trkenntnis des bserrn von j)erfall, daß
mit einer bloßeu Kopie des altenglischen Theaters
nichts gethan sei, ist unbedingt zu loben. ^oweit aus
der Beschreibung ersichtlich, soll die Bühne nach dem
Borbilde der bei den „Lutherfestspielen" hauptsächlich
in Anwendung gebrachten Tinrichtung umgestaltet
werden. Füc verfehlt halte ich indeß dabci das ver-
deckte Orchester, das mit als Bühnenraum dienen

soll. Der L-chauspieler wird dadurch gezwungen, aus
seinem Nahmen herauszutreten, er wird körperlich,
massig werden und zudem das beruhigende Gefühl,
von den Seiten her gedeckt zu sein, verlieren — ganz
zu geschweigen von den Geistern und Statisten die
sich ja vornehmlich auf dieser Fläche zu tummeln haben
würden, und von denen kaum zu erwarten steht, daß
sie als dreidimensionale personen dem Auge des
Beschauers allenthalben erfreuliche Ansichten gewähren
werden.

Die Neformbühne des bserrn von s?erfall wird
überhaupt, und wäre der ^intergrund auch noch so
vallendet gemalt, der rechten Perspektive entbehren:
Dolksszenen, Niassenentfaltungen werden immer, wie
auch seinerzeit bei den „Lutherfestspielen" ein an die
Hinterwand gedrücktes Bild geben, dem auch der
jschantasiereiche wenig Anmutiges abgewinnen möchte.
Für derartige Szenen ist eben die Tiefe des Theaters
unerläßlich. Und über welch eine Tiefe verfügt gerade
das U'iünchner bsoftheater! Nichts destoweniger wird
sie bei der s)erfallschen Reform schon bei der zweiten
Aulisse gleichsam vernagelt und dafür durch das schon
erwähnte Grchestergerüste in den Zuschauerraum
hineingeschoben!

Daß die Neformbühne als etwas ganz Tinziges,
Lsistorisches, Mummenschanzartiges eine Zeit lang den
Shakespearevorstellungen der Münchner^ofbühne mehr
Schaulustige zuführen wird, als es die uämlichen
Dramen im alten, ich wollte sagen: im modernen
Gewande gethan haben würden, ist selbstverständlich.
Und den in Uttinchen gerade einigermaßen „abge-
spielten" ^hakespeare auf diese weise, trotz den
Uleiningern, noch einmal zum häuserfüllenden Dichter
zu machen, ist schließlich, wie ich vermute, der
letzte und eigentliche Grund der s?erfall-Geneeschen
Bühnenreform. Uarl wilhelm Geißler.

ller

111. M. tn K. schreibt uns: „<Ls wäre gut, weun der
»AunstvMrt« einmal die Glückwunschadresse der Berliner
Akademie der Wissenfchaften an den Grafen Moltke auf ihre
Sprache lsin ansähe. Als ich das Schriftstück (leider erst
heuM) zum ersten Male las, war ich fchier starr vor 5taunen.
N)ar das nicht das Feuilleton irgend eines Lokalreporters,
mär das wirklich die Adresse einer Aönigl. jdreußischen Aka-
demie der lVissenschaften? Das ganze Ding war ja in Form
und Gedanken billigste 5ch.uderarbeit von vorn bis hinten!
»Dem General - Feldmarschall !serrn Grafen von llloltke,
Lxzellenz, zum 8. lllärz ^889. An dem selteuen Lhrentage,
den Euer Exzellenz morgen zu feiern vergönnt ist, darf die
Aönigliche Akademie nicht zurückbleiben. (sdunkt! lVirklich:
Punkt? Ia, jdunkt! Aber wohiuter und womit bleibt denn
die Aönigliche Akademie der lvissenfchaften nicht zurück?)
Ist es doch ihr 5tolz, den großen Feldherrn, der durch feinen
genialen Blick und seine mit weiser Befonnenheit gepaarte
Rühnheit das vaterland in den gesahrvollsten Momenteu
feiner Gefchichte sicher und rasch von Sieg zu 5ieg geführt
hat, feit 29 Iahren zu den Ihrigen zählen zu dürfen, uud
während sie mit der ganzen Nation in liebcnder Bewunderung
einmütig ist, hat sie noch den besonderen Beruf, dem Lenker
der Schlachten dafür zu danken, was (so! „dafür, was") er
in friedlicher lNuße der lvissenfchast gewesen ist. lvie ^eno-
phon und Läsar, haben Sie (jetzt plötzlich unmittelbare An-
rede!) Ihre glorreichen Feldzüge in Gsten und lvesten mit
mnstergültiger llnbefangenheit selbst in die Iahrbücher der
Geschichte eingetrageu oder uuter Ihrer Leitung darstellen
(in die Iahrbücher der Gefchichte darstellen!) iassen. lllit
dem Geiste des echten Forschers, der mit liebevoller Sorgsalt
allen Lnlwickelungen des lllenschengeschlechts nachgeht (worans
zu eutnehmen, daß aus Befchluß der Aöniglichen Aka-
^ demie der lvissenschaften das lllenschengeschlecht m ehrere Eut-

-

i e b r.

wickelungeu hat. „Liner Lntwickelnng nachgehen" ist
übrigeus auch an und sür sich ein schönes Bild, aus dessen
lserübernahme vom Zeitungsdeutsch die Akademie der lvissen-
schaften stolz sein darf), haben 5ie die Bahnen erössnet, um eines
der wichtigsten Gebicte alter Völkergeschichte, die kleinasiatische
lsalbinsel, unsrer llenntnis wieder aufzuschließen. Ieden
denkwürdigen platz haben Sie in seiuer Ligenart aufzusassen
und mit voller Geistesfrische list Geistesfrische bei eiuem
jungen lllann so merkwürdig?) zu schildern gewußt. Byzanz
und der Bosporus, Rom und die Lampagna siud uus
iu dem von Ihrer lsand gezeichneten Bilde neu lebendig ge-
worden. Das sind Friedeusthaten von unvergänglichcr Be-
deutung. Auch die erste des Gegenstandes würdige Darstellung
von Athen und seiner Landschast verdanken wir dem lang-
jährigen Lhef des Großen Generalstabes, (jetzt hört die un-
inittelbare Anrede wieder auf!) der jeder ernsten Forschung
aus dem Felde alter Länder- und Völkerkunde init Rat nnd
That kräftige lsilfe zn leisten bereit war, uud (weun die Frage
erlaubt ist: welche Gedanken verbindet dieses „und"? Die
erste und zweite ksälfte des Satzes stehen völlig außer Zu-
sammenhang. Lin Ouartanerfehler!) es waren uns unver-
geßliche Festtage, wenn („Festtage, wenn" statt „Festtage, an
denen") wir an unfern ösfentlichen Sitzungen Tuer Lxzellenz
(jetzt kommt, in demselben 5atze mit der indirekten, die direkte
Anrede wieder!) als akademischen Genossen in unsrer Mitte
sehen durstcn. Dasür sei es der Akademie verstattet, heute
ihren dankerfüllten Festgruß auszusprechen, mit dem ties-
empsundenen lvunsche, daß es Tuer Exzellenz noch lange
vergönnt sei, zur Freude des deutfchen Volkes mit nnge-
schwächter Arast aus ein fo wunderbar reich gesegnetes Leben
dankbar und sröh zurückzuschauen. Berlin, den 7. lllärz Z889.
Die Aöniglich jdreußische Akademie der lvissenschaften.« Für
diplomatisch getreue Abschrist bürge ich. lver Neigung hat,

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