trait. Äe würden ihn ebenso gelangweilt haben, wie
seine Heiligen die Beschäftigung mit weltlichen Dingen.
Lr lebte nur in den Vctis Länotorum. — Dagegen
war velazqnez zwar als Rünstler von Ansang an
ungleich sreier, er sah sich in das Bildungsgesetz, ja
in das Innere seiner Menschen hinein, sodaß er sie
nachzuschaffen scheint. Aber er sehnte sich die Zeit-
genofsen zu malen, in ihrer eigenen Rolle, nicht blos
als Spieler in Mysterien, nach dem Programm der §
Theologen . . . velazquez änderte seine Manier gar
bald, Zurbaran beharrte fast sein ganzes Leben bei
dem, was man bei Andern den „ersten Stil" nennt.
Lr war aus härterem Stoff als sie alle und besaß
den richtigen Prinzipienfanatismus der Bomanen.
Murillos geistiger Gehalt ist nach Zusti <1, z)
vergleichbar dem von Devotionsmalern wie Guido,
Tarlo Dolce, Sassoferrato; was ihn weit über diese
hinausrückt ist aber die glückliche Linführung heimat-
licher Dolkstypen, Farben und Lichter in die über-
lieferten Stoffe, sein Naturalismus, sein kindlich-liebens-
würdiger Tharakter. — Akurillo, dem nur in seiner
j)rovinz wohl war, der nur für seine Nachbarn ar-
beitete, aus ihnen seine Zdeale holte, der am wenigsten
nichtspanisches in sich aufnahm, er ist der internatio-
nalste Akaler seiner Nation geworden (I, 4t §). —
Seine Gassenbuben verspotten mit ihrer ungenirten
Natürlichkeit alles, was es sonst ihres Gleichen giebt,
obwohl sie an der Luft und Sonne Andalusiens ge-
formt und gefärbt und in ihrer natürlichen, man
möchte sagen, animalischen Grazie unerreicht sind.
Von diesen Melonen, weintrauben, Rrügen und Resseln
kann jeder Stilllebenmaler lernen; sein j)insel scheint da
in denselben Teig getaucht, aus dem die Natur die
Dinge knetete (4t t). — Tr entdeckte aber auch in
den Gestalten seines volkes zuerst das, was dauernd
und überall geliebt werden kann; er nahm dem
wunder das IVidernatürliche und der Schwännerei
das Nrankhafte; unter seiner anmutigen öand wurde
aus den Gefichten, den Verzückungen und Mönchs-
grillen etwas, das wie allgemein menschlich aussieht.
Zn einer Zeit der Lüge und Verschrobenheit ist er
stets wahr geblieben; in einem Zahrhundert ver-
schnörkelten Nngeschmacks hat er uns Gestalten reiner
ungekünstelter Natur gezeigt, Bewohner glücklicher
arkadischer Gefilde, die uns von seinem Hispanien ein
ganz anderes Bild geben, als das den traurigen An-
nalen seiner Geschichte entnommene.
Nlan hat wohl behauptet, Velazquez sei durch
Rubens beeinflußt worden. Das weist Zusti in
einer geistvoll eingehenden Abhandlung mit Lntschie-
denheit zurück (I, 246 fgg.). Die Faktur des Nubens
ist frei und die des Velazquez ist frei, aber die Frei-
heit beider hat nicht die mindeste Verwandtschaft.
Der Ton des Nubens ist hell und der des velazquez
ist hell, aber dieser ist der kühle Silberton des all-
verbreiteten Tageslichts mit möglichster Zurückstellung
der Farbe, jener ein harmonischer Farbenlärm, mit-
telst gesättigster, lichtgetränkter Tinten und durch-
leuchteter Schatten; dort hervorgebracht mit der
größten Linfachheit, hier mit verschwendung der
Nüttel. — Vergleicht man die Bildnisse von j?ersonen
des spanischen kiofes, die beide gemacht haben, so
ist der Ausspruch immer: ^ier ist die Natur und das
Leben 8un8 pbra.86; dort die Nkanier. Auch Leben
sreilich, aber das Leben des Malers, sein Geist. —
Velazquez hat die Trscheinung seiner Nkenschen auf-
gefaßt nach jener individuellen Gesetzmäßigkeit, die
selbst dem Nüßgeformten etwas Notwendiges ver-
leiht ... Zn Nubens vermißt man die Achtung vor
der Besonderheit: er paßt die Züge, je nachdem ver-
schönernd oder herabziehend, dem seine flchantasie be-
herrschenden Formentypus an; er erteilt ihnen dieselbe
phvsische Ronstitution, denselben Ausdruck sinnlichen
LVohlbefindens und gutmütiger Gffenheit ... was
velazquez schätzte war Veräach no pintura. Gier
sah er nur pintura, eine blendende, berauschende
freilich, aber wie man damals sagte, eine Nkalerei
cle pratioa. Line Nunst, die in allen Stücken auf die
stärksten wirkungen aus war, immer etwas die Gren-
zen der natürlichen wahrheit überschreitend, in Farbe,
Licht, Tharakter und Nttmik.
Tndlich können wir uns nicht versagen, noch die
worte hinzuzusetzen, die Zusti einem sonst allzu schlecht
gemachten Rünstler jener Zeit, dem Bernini — als
porträtbildhauer — widmet (II, t 7 4): Bernini glaubte
nicht, daß es eine Grazie gäbe, die der Natur fehle
und von der Nunst hinzugethan werden müsse: die
Natur wisse ihren Teilen alle Schönheit zu geben, die
ihnen zukommt: die Frage sei, sie im gegebenen Fall
zu erkennen. Lr suchte die Zedem eigentümlichen
Tigenschaften herauszufinden, welche die Natur keinem
Andern geschenkt hat. Tr veranlaßte sein Nlodell, sich
zu bewegen, weil in der Bewegung die Zndividualität
hervortrete, und weil ein Stillstehender sich selbst nie
so ähnlich ist, wie ein wandelnder. Deshalb machte
er mehrere Nlodelle nach dem Leben; aber wenn er
den Nlarmor angriff, that er sie bei Seite. Sie
dienten ihm, der Züge bierr zu werden; bei der Aus-
führung dünkten sie ihm hinderlich, weil das Nunst-
werk der wahrheit, nicht dem Nlodell ähnlich sehen darf.
Aus den gegebenen Auszügen wird hoffentlich nicht
bloß die Neichhaltigkeit, sondern auch der eindringende
Lrnst des Buches hervorleuchten. Nm dieser letzteren
Tigenschaft willen wird man schon über die ^chärse
hinwegsehen müssen, die sich in manchen der ange-
sührten Urteile auf wahrhaft verletzende weise äußert.
Der Nlangel an Nuhe scheint nun einmal zu den Nlerk-
malen unserer Zeit zu gehören. S. ck>.
Vom
-x- Das Denkmal lValthers von der Vogelweide
— ein IVerk des Tiroler Bildhaners Lseinrich Natters, das
vor Allem den Bemühungen des jdrofessors Zingerle sein
Dasein verdankt — ward am September auf dem Iohannes-
plahe zu Bozen unter rauschendem Iubel enthüllt. Die Feier
nahm den Lharakter eines deutschen Nationalfestes an.
» In Graz begeht K. G. von Leitner, „der Nestor der
Tuge.
s österreichischen Dichter", den etwas überfchwängliche Verehrer
! wohlauchden „ästerreichischenUhland"nannten,am;8.September
seinen neunzigsten Geburtstag. Neben Auffätzen, die zumeist
vaterländische Geschichte und Landeskunde behandeln, fchrieb
er (erst kürzlich) ein Trauerspiel „Der Richter von Galwey",
Novellen und Gedichte. Besonders die letzteren zeugen von
einer echten Begabung, die sich in ruhevollen Stimmungs-
37Z —
seine Heiligen die Beschäftigung mit weltlichen Dingen.
Lr lebte nur in den Vctis Länotorum. — Dagegen
war velazqnez zwar als Rünstler von Ansang an
ungleich sreier, er sah sich in das Bildungsgesetz, ja
in das Innere seiner Menschen hinein, sodaß er sie
nachzuschaffen scheint. Aber er sehnte sich die Zeit-
genofsen zu malen, in ihrer eigenen Rolle, nicht blos
als Spieler in Mysterien, nach dem Programm der §
Theologen . . . velazquez änderte seine Manier gar
bald, Zurbaran beharrte fast sein ganzes Leben bei
dem, was man bei Andern den „ersten Stil" nennt.
Lr war aus härterem Stoff als sie alle und besaß
den richtigen Prinzipienfanatismus der Bomanen.
Murillos geistiger Gehalt ist nach Zusti <1, z)
vergleichbar dem von Devotionsmalern wie Guido,
Tarlo Dolce, Sassoferrato; was ihn weit über diese
hinausrückt ist aber die glückliche Linführung heimat-
licher Dolkstypen, Farben und Lichter in die über-
lieferten Stoffe, sein Naturalismus, sein kindlich-liebens-
würdiger Tharakter. — Akurillo, dem nur in seiner
j)rovinz wohl war, der nur für seine Nachbarn ar-
beitete, aus ihnen seine Zdeale holte, der am wenigsten
nichtspanisches in sich aufnahm, er ist der internatio-
nalste Akaler seiner Nation geworden (I, 4t §). —
Seine Gassenbuben verspotten mit ihrer ungenirten
Natürlichkeit alles, was es sonst ihres Gleichen giebt,
obwohl sie an der Luft und Sonne Andalusiens ge-
formt und gefärbt und in ihrer natürlichen, man
möchte sagen, animalischen Grazie unerreicht sind.
Von diesen Melonen, weintrauben, Rrügen und Resseln
kann jeder Stilllebenmaler lernen; sein j)insel scheint da
in denselben Teig getaucht, aus dem die Natur die
Dinge knetete (4t t). — Tr entdeckte aber auch in
den Gestalten seines volkes zuerst das, was dauernd
und überall geliebt werden kann; er nahm dem
wunder das IVidernatürliche und der Schwännerei
das Nrankhafte; unter seiner anmutigen öand wurde
aus den Gefichten, den Verzückungen und Mönchs-
grillen etwas, das wie allgemein menschlich aussieht.
Zn einer Zeit der Lüge und Verschrobenheit ist er
stets wahr geblieben; in einem Zahrhundert ver-
schnörkelten Nngeschmacks hat er uns Gestalten reiner
ungekünstelter Natur gezeigt, Bewohner glücklicher
arkadischer Gefilde, die uns von seinem Hispanien ein
ganz anderes Bild geben, als das den traurigen An-
nalen seiner Geschichte entnommene.
Nlan hat wohl behauptet, Velazquez sei durch
Rubens beeinflußt worden. Das weist Zusti in
einer geistvoll eingehenden Abhandlung mit Lntschie-
denheit zurück (I, 246 fgg.). Die Faktur des Nubens
ist frei und die des Velazquez ist frei, aber die Frei-
heit beider hat nicht die mindeste Verwandtschaft.
Der Ton des Nubens ist hell und der des velazquez
ist hell, aber dieser ist der kühle Silberton des all-
verbreiteten Tageslichts mit möglichster Zurückstellung
der Farbe, jener ein harmonischer Farbenlärm, mit-
telst gesättigster, lichtgetränkter Tinten und durch-
leuchteter Schatten; dort hervorgebracht mit der
größten Linfachheit, hier mit verschwendung der
Nüttel. — Vergleicht man die Bildnisse von j?ersonen
des spanischen kiofes, die beide gemacht haben, so
ist der Ausspruch immer: ^ier ist die Natur und das
Leben 8un8 pbra.86; dort die Nkanier. Auch Leben
sreilich, aber das Leben des Malers, sein Geist. —
Velazquez hat die Trscheinung seiner Nkenschen auf-
gefaßt nach jener individuellen Gesetzmäßigkeit, die
selbst dem Nüßgeformten etwas Notwendiges ver-
leiht ... Zn Nubens vermißt man die Achtung vor
der Besonderheit: er paßt die Züge, je nachdem ver-
schönernd oder herabziehend, dem seine flchantasie be-
herrschenden Formentypus an; er erteilt ihnen dieselbe
phvsische Ronstitution, denselben Ausdruck sinnlichen
LVohlbefindens und gutmütiger Gffenheit ... was
velazquez schätzte war Veräach no pintura. Gier
sah er nur pintura, eine blendende, berauschende
freilich, aber wie man damals sagte, eine Nkalerei
cle pratioa. Line Nunst, die in allen Stücken auf die
stärksten wirkungen aus war, immer etwas die Gren-
zen der natürlichen wahrheit überschreitend, in Farbe,
Licht, Tharakter und Nttmik.
Tndlich können wir uns nicht versagen, noch die
worte hinzuzusetzen, die Zusti einem sonst allzu schlecht
gemachten Rünstler jener Zeit, dem Bernini — als
porträtbildhauer — widmet (II, t 7 4): Bernini glaubte
nicht, daß es eine Grazie gäbe, die der Natur fehle
und von der Nunst hinzugethan werden müsse: die
Natur wisse ihren Teilen alle Schönheit zu geben, die
ihnen zukommt: die Frage sei, sie im gegebenen Fall
zu erkennen. Lr suchte die Zedem eigentümlichen
Tigenschaften herauszufinden, welche die Natur keinem
Andern geschenkt hat. Tr veranlaßte sein Nlodell, sich
zu bewegen, weil in der Bewegung die Zndividualität
hervortrete, und weil ein Stillstehender sich selbst nie
so ähnlich ist, wie ein wandelnder. Deshalb machte
er mehrere Nlodelle nach dem Leben; aber wenn er
den Nlarmor angriff, that er sie bei Seite. Sie
dienten ihm, der Züge bierr zu werden; bei der Aus-
führung dünkten sie ihm hinderlich, weil das Nunst-
werk der wahrheit, nicht dem Nlodell ähnlich sehen darf.
Aus den gegebenen Auszügen wird hoffentlich nicht
bloß die Neichhaltigkeit, sondern auch der eindringende
Lrnst des Buches hervorleuchten. Nm dieser letzteren
Tigenschaft willen wird man schon über die ^chärse
hinwegsehen müssen, die sich in manchen der ange-
sührten Urteile auf wahrhaft verletzende weise äußert.
Der Nlangel an Nuhe scheint nun einmal zu den Nlerk-
malen unserer Zeit zu gehören. S. ck>.
Vom
-x- Das Denkmal lValthers von der Vogelweide
— ein IVerk des Tiroler Bildhaners Lseinrich Natters, das
vor Allem den Bemühungen des jdrofessors Zingerle sein
Dasein verdankt — ward am September auf dem Iohannes-
plahe zu Bozen unter rauschendem Iubel enthüllt. Die Feier
nahm den Lharakter eines deutschen Nationalfestes an.
» In Graz begeht K. G. von Leitner, „der Nestor der
Tuge.
s österreichischen Dichter", den etwas überfchwängliche Verehrer
! wohlauchden „ästerreichischenUhland"nannten,am;8.September
seinen neunzigsten Geburtstag. Neben Auffätzen, die zumeist
vaterländische Geschichte und Landeskunde behandeln, fchrieb
er (erst kürzlich) ein Trauerspiel „Der Richter von Galwey",
Novellen und Gedichte. Besonders die letzteren zeugen von
einer echten Begabung, die sich in ruhevollen Stimmungs-
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