teristik des Materials, die erstere zur Bethätigung
des Rünstlers gehört, weil also beide beim Schaffen
eines Runstwerkes aus den verschiedenen Seiten
der zwei Faktoren (Gegenstand und Gestalter) wirken.
Zch wiederhole: das zn erörtern, würde heute abseits
führen, weil es unnötig ist zur Behandlung der Aern-
frage unserer Meinungsverschiedenheit. Ich nehme
also an, Schumanns Auffassung des Bokokos sei die
richtige, und gehe von dieser Annahme aus weiter.
Das Nokoko ist also ein wirklicher ^til: die Zeit
seiner Herrschaft weist nicht etwa trotz seines Geistes,
sondern wegen desselben Ban- und Runstgewerbe-
Gebilde auf, die echt stilgemäß von innen heraus be-
seelt erscheinen, also Material und Zweck des Gegen-
standes in seiner Form so kennzeichnen, daß sich der
Gegenstand nicht etwa wie ein Musikstück als Ans-
fluß eines fremden Geistes, sondern eben nach kunst-
gewerblichem Stil als Gegenstand selber zu einer
jDersönlichkeit vor uns belebt, die sagt: das bin ich
nnd das will ich. Angenommen also, nicht zugegeben.
Nun aber geht es dem armen Nokoko schlimm: mit
Ausnahme von ein paar äußerst feinfühligen Aunst-
historikern konnnt hinter diese seine Ligenschaft kein
Aiensch. U)ir wollen nicht von Leuten wie etwa
Z. von Falke reden, dem Direktor des österreichischen
Nluseums für Annst und Zndustrie, — der gehört
ja zu seinen Gegnern —, sondern von Niännern
wie Luthmer, dem Leiter der Frankfurter Rnnstgewerbe-
schnle, oder Salvisberg, dem bseransgeber der Ghronik
der Niünchener Aunstgewerbeansftellnng, von seinen
Freunden also. Ach, auch diesen durch ihre Stell-
ung anf die Runsthandwerker so einflußreichen Ge-
lehrten und Praktikern gelang es so schlecht, in den
Busen ihres Freundes zu schauen, daß ^chnmann auf
ihrem Rokoko-Lob humoristischen Anstrich findet. „Das
heißt denn doch einem Gegner die bVaffen selbst in
die bsand drücken", meint er.
wenn aber somit selbst die eifrigsten öffentlichen
verfechter jener Runstweise das ihr eigentliche wesen
so falsch verstehen — was wird wohl die Mehrzahl
unserer Runsthandwerker, was werden die Schüler
von Zenen mit dem Nokoko anfangen? Die Niünchener
Ausstellung gab die Antwort darauf. Mie selten
waren die weißen Naben gleich jener von Schmidt
geschilderten Uhr* wie viel häufiger die Arbeiten, die
von jenem Stilgefühl nicht eine Spur zeigten! Von
Nokokoziminern, die in unserem Sinne als lebendige
* Meine Befchreibung derfelben würde allerdings anch
cin wenig anders lauten: es war, wie ich glaube, weit inehr, j
Näume „anheimelten", war kein einziger auf der
ganzen Ausstellnng, die doch selbst von „altdentschen"
Zimmern dieser Art eine Anzahl aufwies. Zrre ich
nicht, so wird anch Schumann schwerlich anderer
Meinung sein.
wir sind nun anch darin wohl einig, daß die Lr-
ziehung seitens jener genannten Männer des Rnnst-
gewerbes und Gönner der modernen Nokokopflege
wohl schwerlich, was das Stilgefühl betrifft, eine so
verständnisvolle überhaupt sein kann, wie sie Schu-
mann an einem andern Orte an einer einzelnen
Stelle gefunden hat. Ferner: Nlein werter Gegner
erwähnt es als einen vorteil, daß „die alten Nokoko-
möbel auch für uns ohne jede Ändernng bequem"
sind. Lsalten wir's überhanpt noch für ein Ziel, ein-
mal einen eigenen Stil unserer Zeit aus deren Geiste
heraus zu erreichen, so dürfte jene Ligenschaft für
uns eher ein gefahrbringender Schaden sein, der zu
gedaukenloser Nachahmung statt zu dem Versuche an-
regt, einen Gegenstand allein aus den ihm inne-
wohnenden Bedingungen heraus zu kennzeichnen.
Daß dies der Nunsthandwerker, daß er eine Aufgabe
nicht nur zu durchdeuken, sondern auch zu durchfühleu
lerne, das scheint mir die große vorbedingung zur
Lrreichung des ersehnten Stiles unserer Zeit, denn es
umschließt die Grkeuutuis vom wesen der kunstge-
werblichen Aufgaben, während die Ausdrucksmittel,
die jetzt in überwiegendem Maße gelehrt werden, erst
das Zweite sind, nicht das Lrste. Um aber das wesen
zu erkeunen, braucht der Lerneude Gebilde, die klar
sind, nicht gleich denen des Nokokos von solcher Art,
daß — nach der Ausführung meines Gegners —
selbst dem Nokoko wohlgesonnene Fachmänner wie
Luthmer und Salvisberg dieses „wesen", d. h. die
Gharakteristik nach ^toff und Zweck, an ihnen nicht
zu findeu vermögen.
Zur Besprechuug der Frage von der Schönheit
der Farbe und des Umrisses wird sich noch später
einmal im „Nunstwart" Gelegenheit finden. Zch hoffe:
dann zu dem Nachweis, daß es fich auch hier um
mehr, als um „Geschmackssachen" im gewöhnlichen
Sinne des wortes, handelt. F. A.
als das Stilgefühl, der feine plastifche Schmuck jener Arbeit,
der ihr den Reiz gab. Übrigens ist es mit dem porzellan
ein eigenes Ding: es ward und wird in den Luxussachen zu-
meist ganz ähnlich behandelt, wie der Modellirton des Bild-
hauers, also weit mehr als im Sinne des Runsthandwerks in
dem der Aleinplastik. Die meisten derartigen Gebilde
stellen denn auch Zwischcnglieder zwischen dieser und jenem
dar, die mit eigenem Maße gemessen werden wollen.
verkebr.
W. D. in L. !Vir vermeiden's nach Rrästen, lange
Leitaufsätze zu bringen, ohne doch immer dazu im Stande zu
sein. Im vorliegenden bseste z. B. ging es nicht an. bsaben
5ie Nachsicht dasür.
2. D. in W. In Sachen phrasirungsbezeichnung
steht allerdings auf die Lntgegnung bsugo Riemanns im ,,Sprech-
faal" unseres vorigen bsestes auch eine Rückäußerung Richard
Aadens zu erwarten, die wir an derselben 5telle bringen
werden. Der ,,Sprechsaal" ist ja überhaupt im „Aunstwart"
von ungleich größerer wichtigkeit, als in anderen Blättern,
was aus der Darlegung unserer Absichten (im sechsten 5tücke)
doch ohne Weiteres hervorgeht.
Tluk verscbiedene Ankragen teilen wir mit, daß die
Linbanddecken zum „Illunstvvart" in Arbeit sind und
in kürzester Zeit ausgeliefert werden können. Sie werden in
zwei Arten hergestellt: einer helleren (neaxelgelb, Rücken
und Lcken blau, rotes Titelschild) und einer dunkleren
(blau, Rücken nnd Lcken dnnkelbraunrot, Rückenschild dunkel-
blau) nnd sind nach den vorliegenden sdroben von harmoniicher,
kräftiger und vornehmer lvirkung, ähnlich den „Liebhaber-
bänden", obgleich auch der Rücken aus grobkörniger Leinwand
besteht. Der preis dürfte sich auf 2 —M. für das Stück
stellen. Bestellungen werden schon jetzt entgegengenommen.
A.-v.
'lllnsere /Ildusik-Dilettanten, von paul Marsop. Mundscbau. Dichtung: wilhelm Zordan.
Vom Tage. Sprecbsaal. sdaul Schumann und F. A.: In Sachen Rokoko. verkebr.
Scbluss der Lusammenstellung: 20. zfebruar tSSS.
A
T'
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des Rünstlers gehört, weil also beide beim Schaffen
eines Runstwerkes aus den verschiedenen Seiten
der zwei Faktoren (Gegenstand und Gestalter) wirken.
Zch wiederhole: das zn erörtern, würde heute abseits
führen, weil es unnötig ist zur Behandlung der Aern-
frage unserer Meinungsverschiedenheit. Ich nehme
also an, Schumanns Auffassung des Bokokos sei die
richtige, und gehe von dieser Annahme aus weiter.
Das Nokoko ist also ein wirklicher ^til: die Zeit
seiner Herrschaft weist nicht etwa trotz seines Geistes,
sondern wegen desselben Ban- und Runstgewerbe-
Gebilde auf, die echt stilgemäß von innen heraus be-
seelt erscheinen, also Material und Zweck des Gegen-
standes in seiner Form so kennzeichnen, daß sich der
Gegenstand nicht etwa wie ein Musikstück als Ans-
fluß eines fremden Geistes, sondern eben nach kunst-
gewerblichem Stil als Gegenstand selber zu einer
jDersönlichkeit vor uns belebt, die sagt: das bin ich
nnd das will ich. Angenommen also, nicht zugegeben.
Nun aber geht es dem armen Nokoko schlimm: mit
Ausnahme von ein paar äußerst feinfühligen Aunst-
historikern konnnt hinter diese seine Ligenschaft kein
Aiensch. U)ir wollen nicht von Leuten wie etwa
Z. von Falke reden, dem Direktor des österreichischen
Nluseums für Annst und Zndustrie, — der gehört
ja zu seinen Gegnern —, sondern von Niännern
wie Luthmer, dem Leiter der Frankfurter Rnnstgewerbe-
schnle, oder Salvisberg, dem bseransgeber der Ghronik
der Niünchener Aunstgewerbeansftellnng, von seinen
Freunden also. Ach, auch diesen durch ihre Stell-
ung anf die Runsthandwerker so einflußreichen Ge-
lehrten und Praktikern gelang es so schlecht, in den
Busen ihres Freundes zu schauen, daß ^chnmann auf
ihrem Rokoko-Lob humoristischen Anstrich findet. „Das
heißt denn doch einem Gegner die bVaffen selbst in
die bsand drücken", meint er.
wenn aber somit selbst die eifrigsten öffentlichen
verfechter jener Runstweise das ihr eigentliche wesen
so falsch verstehen — was wird wohl die Mehrzahl
unserer Runsthandwerker, was werden die Schüler
von Zenen mit dem Nokoko anfangen? Die Niünchener
Ausstellung gab die Antwort darauf. Mie selten
waren die weißen Naben gleich jener von Schmidt
geschilderten Uhr* wie viel häufiger die Arbeiten, die
von jenem Stilgefühl nicht eine Spur zeigten! Von
Nokokoziminern, die in unserem Sinne als lebendige
* Meine Befchreibung derfelben würde allerdings anch
cin wenig anders lauten: es war, wie ich glaube, weit inehr, j
Näume „anheimelten", war kein einziger auf der
ganzen Ausstellnng, die doch selbst von „altdentschen"
Zimmern dieser Art eine Anzahl aufwies. Zrre ich
nicht, so wird anch Schumann schwerlich anderer
Meinung sein.
wir sind nun anch darin wohl einig, daß die Lr-
ziehung seitens jener genannten Männer des Rnnst-
gewerbes und Gönner der modernen Nokokopflege
wohl schwerlich, was das Stilgefühl betrifft, eine so
verständnisvolle überhaupt sein kann, wie sie Schu-
mann an einem andern Orte an einer einzelnen
Stelle gefunden hat. Ferner: Nlein werter Gegner
erwähnt es als einen vorteil, daß „die alten Nokoko-
möbel auch für uns ohne jede Ändernng bequem"
sind. Lsalten wir's überhanpt noch für ein Ziel, ein-
mal einen eigenen Stil unserer Zeit aus deren Geiste
heraus zu erreichen, so dürfte jene Ligenschaft für
uns eher ein gefahrbringender Schaden sein, der zu
gedaukenloser Nachahmung statt zu dem Versuche an-
regt, einen Gegenstand allein aus den ihm inne-
wohnenden Bedingungen heraus zu kennzeichnen.
Daß dies der Nunsthandwerker, daß er eine Aufgabe
nicht nur zu durchdeuken, sondern auch zu durchfühleu
lerne, das scheint mir die große vorbedingung zur
Lrreichung des ersehnten Stiles unserer Zeit, denn es
umschließt die Grkeuutuis vom wesen der kunstge-
werblichen Aufgaben, während die Ausdrucksmittel,
die jetzt in überwiegendem Maße gelehrt werden, erst
das Zweite sind, nicht das Lrste. Um aber das wesen
zu erkeunen, braucht der Lerneude Gebilde, die klar
sind, nicht gleich denen des Nokokos von solcher Art,
daß — nach der Ausführung meines Gegners —
selbst dem Nokoko wohlgesonnene Fachmänner wie
Luthmer und Salvisberg dieses „wesen", d. h. die
Gharakteristik nach ^toff und Zweck, an ihnen nicht
zu findeu vermögen.
Zur Besprechuug der Frage von der Schönheit
der Farbe und des Umrisses wird sich noch später
einmal im „Nunstwart" Gelegenheit finden. Zch hoffe:
dann zu dem Nachweis, daß es fich auch hier um
mehr, als um „Geschmackssachen" im gewöhnlichen
Sinne des wortes, handelt. F. A.
als das Stilgefühl, der feine plastifche Schmuck jener Arbeit,
der ihr den Reiz gab. Übrigens ist es mit dem porzellan
ein eigenes Ding: es ward und wird in den Luxussachen zu-
meist ganz ähnlich behandelt, wie der Modellirton des Bild-
hauers, also weit mehr als im Sinne des Runsthandwerks in
dem der Aleinplastik. Die meisten derartigen Gebilde
stellen denn auch Zwischcnglieder zwischen dieser und jenem
dar, die mit eigenem Maße gemessen werden wollen.
verkebr.
W. D. in L. !Vir vermeiden's nach Rrästen, lange
Leitaufsätze zu bringen, ohne doch immer dazu im Stande zu
sein. Im vorliegenden bseste z. B. ging es nicht an. bsaben
5ie Nachsicht dasür.
2. D. in W. In Sachen phrasirungsbezeichnung
steht allerdings auf die Lntgegnung bsugo Riemanns im ,,Sprech-
faal" unseres vorigen bsestes auch eine Rückäußerung Richard
Aadens zu erwarten, die wir an derselben 5telle bringen
werden. Der ,,Sprechsaal" ist ja überhaupt im „Aunstwart"
von ungleich größerer wichtigkeit, als in anderen Blättern,
was aus der Darlegung unserer Absichten (im sechsten 5tücke)
doch ohne Weiteres hervorgeht.
Tluk verscbiedene Ankragen teilen wir mit, daß die
Linbanddecken zum „Illunstvvart" in Arbeit sind und
in kürzester Zeit ausgeliefert werden können. Sie werden in
zwei Arten hergestellt: einer helleren (neaxelgelb, Rücken
und Lcken blau, rotes Titelschild) und einer dunkleren
(blau, Rücken nnd Lcken dnnkelbraunrot, Rückenschild dunkel-
blau) nnd sind nach den vorliegenden sdroben von harmoniicher,
kräftiger und vornehmer lvirkung, ähnlich den „Liebhaber-
bänden", obgleich auch der Rücken aus grobkörniger Leinwand
besteht. Der preis dürfte sich auf 2 —M. für das Stück
stellen. Bestellungen werden schon jetzt entgegengenommen.
A.-v.
'lllnsere /Ildusik-Dilettanten, von paul Marsop. Mundscbau. Dichtung: wilhelm Zordan.
Vom Tage. Sprecbsaal. sdaul Schumann und F. A.: In Sachen Rokoko. verkebr.
Scbluss der Lusammenstellung: 20. zfebruar tSSS.
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