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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 18
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Vom Tage
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Zeitungsschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0291

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fehlte fast überall der Goldgrund, in deffen verwend-
nng zu Dekorationszwecken die Künstler anderer Städte
fo geschickt sind? Ferner: trotz der Rürze der Zeit, wie war
es inöglich, daß in der Bildhauerstadt Dresden eine verun-
qlückte Gestalt entstehen konnte, gleich jener ans der Sänle
am Albertplatz? Mie, daß ein anerkannter Meister die doch
schön qedachten zwei allegorischen Frauenbildcr an den präch-
tigen Obclisken aick dcm Schloßplatz s o slüchtig, s o
ohne jede Rücksicht aus die natllrlichen Größenverhältniffe hin-
setzen konnte, daß der Kops jeder der gipsernen Damen mit
Bequemlichkeit Raum in jedem ihrer Arme sände? Boch
Lines: Blatt- oder Fichtennadelgewinde, die über die Straße
gehn, können in der Mitte, die stets ihren tiessten Punkt dem
Gesetz der Schwerkraft gemäß bilden muß, sehr wohl etwas
tragen. Zieht man sie aber gerade in der Mitte an Bind-
saden empor, die das Auge nicht sieht und bringt dann dort
cine Blätterkrone oder dgl. an, die nun scheinbar in der §ust
schwebt, so verstößt man gegen das lDahrheitsgesiihl und da-
mit gegen den guten Geschmack. —

Die erste der qrößeren uns als Aunstsreunde interessiren-
den Festlichkeiten zur Mettinseier bildete das Armeesest, im
wesentlichen ein Reitersest, und in der bsauptsache von Msst-
zieren des sächsischen kseeres in hiftorischen Trachten schön und
xrächtig ausgesührt. Die Lnthüllung des Aönig-Do-
Hann-Denkmals, von dem an anderer Stelle d. Bl. kurz
gesprochen wird, solgte am übernächsten Tag. Den Bormittag
des vierten nahm der große Festzug in Anspruch; ein Abend-
sest, dessen Glanzpunkt das große Feuerwerk bildete, schloß
mit dem vierten Festtage die ganze Feier.

Über den Festzug, der die ksuldigung des Sandes sür
die wettiner ausdrücken sollte, kann hier selbstverftändlich
nicht eingehend berichtet werden. Der Schreiber dieser Zeilen
bekennt, daß seine Lrwartungen weit übertroffen wurden, und
er glaubt, daß keiner, welcher die Schwierigkeiten, die sich der
Aussührung entgegenstellten, kannte, eine nur annähernd so
glänzende Leistung erwartet haben wird. Natürlich waren
die einzelnen Darbietungen nicht nur dem Mittel-Auswande,
sondern auch dem künftlerischen Aönnen nach von sehr ver-
schiedenem lVert. Ich sand aber keine einzige, die man ohne
vorbehalt als „schwach" bezeichnen müßte. Schaustellungen
dagegen wie der Turnierzug und manch anderes Reiterbild
ragten hoch über das auch in Runststädten bei prachtent-
saltungen „Übliche" empor. Und nun gar eine Gruppe, wie
„Die Rückkehr des Lhurfürsten August von der Iagd" I Lnt-
zückend schön l Sie hätte Makarts lVerk sein können! kqinsichtlich
der s)runkwagen sei die erfreuliche Thatsache sestgestellt, daß
sich neben den steisen schwermassigen, aber zur allegorischen
Schilderung mancher Gewerbe unentbehrlichen Bauten, sür
welche die Räder nur wie notwendige Übel zum Fortschaffen
erscheinen, auch lVagen sanden, die ihren Tharakter eben als
IVagen nicht verleugneten, sondern iin Gegenteil in leichten,
lustigen Formen ausgebildet zeigten von rechtem künstlerischen
Stilgesühl. Neben der etwas reichlich vertretenen allegorischen
Festfräuleinswelt in Göttinnenkostümen gab es die verschiedensten
ernsten und heiteren „Lharaktcrmasken" zu bewundern, gab

es auch Tansende von Festzugs-Teilnehmern zu sehen, deren
bunte oder nicht bunte Tracht nur Feier-, Amts-, Arbeits-
oder Sportsgewand war. Die Dresdner Rünstlerwelt hatte
sich insolge von Ilmständen, deren Besprechung kaum hierher
qehört, als Genoffenschast leider am Festzuge nicht beteiligt.

Das Feuerwerk wurde von denselben römischen Feuer-
werkern ausgesührt, die das vorjährige in München besorgt
hattcn. Auch für Feucrwerk-Vorstellungen gilt, was Spitteler
dem Zirkus, Schaffner dem Zeitnngsholzschnitt gegenüber her-
vorhob: das Publikum hat sich noch nicht an die Ausübung
seines guten Rechtes gewöhnt, auch hier höhere, „künstlerische",
Ansxrüche zu erheben. Recht viel buntes Zeug durcheinander,
recht vicl Lärm von Aanonenschüffen nsw. dazu — das genügt
ihm im Allgemeinen. Die Preffe, die es unter ihrer würde
bält, sich mit den bctreffenden „sdroduktionen" ernsthast zu
befaffen, und die, spricht ste überhaupt von ihnen, dies höchstens
in Reklamen thut, sie trägt einen Teil der Schuld daran, daß
der gute Geschmack aus Gebieten solcher öffentlichen Lustbar-
keiten sür vogelsrei gilt. Ich erlaubte mir vorigcs Iahr
darauf hinzuweisen, daß die Feuerwerker mit ihren Mittcln zn
wenig komponir e n; daßsieimAllgemeinen unglaublich wenig
auf das Lrreichen einheitlicher, großer, gruppenmäßiger lVir-
kungen bedacht sind; daß sie viel zu oft schöne Linienwirkungen
dadurch verderben, daß sie durcheinander schwirren laffen, was
nicht durcheinander gehört. „weshalb z. B. störte man sort-
während die ruhige, sast erhabene Lichtwirkung dieses seurigen
Palmenhains, der hoch ins nächtliche Dunkel auswuchs, durch
Leuchtkugeln und dergl., die mitten in die schönen Gebilde
hineinschoffen?" Ich gestand auch verwunderung darüber, daß
keiner ausspräche, daß ein Gerüst bekle i d e t sein müffe, daß es
nicht im bengalischen oder elektrischen Licht als kahles Gerippe
dastchen dürfe, wenn cin wirklich ersrenlicher Lindruck ent-
stehen solle. Bei dieser Gelegenheit eine Frage: weshalb
nimint man bei uns so gut wie nie ein wirkliches stattliches
Gebäude zum Gerüst sür Lichtvorstellungen, wie sie srüher in
Rom an der sdeterskirche gegeben wurden?

Nun muß ich sagen: trotz einzelner Fehler war seineren An-
sorderungen in Dresden weit beffer genügt, als in München. Lin
großer Teil der Darbietungen brachte denn doch wcit inehr,
als Analleffekte sürs Auge, und man vergaß gern darüber die
Übersülle der Rnalleffekte sürs Ghr. Dresden hatte sreilich
sür sein Feuerwerk etwas vor München voraus: die Llbe,
das wasser mit seinen Spiegelungcn. Der Blick von der Brühl-
schen Terraffe über den Fluß hin, von dessen Usern aus Lichter-
reihen über Lichterreihen ihre irdischen Ltcrnbilder zeichnctcn,
aus deffeu Flnt die Lchiffe tansende und abertausende bunter
Lampen und Lichter spiegeln ließen, er gab ein uuvergleichlich
schönes Bild auch dann, wenn die Raketen- und Leuchtkugel-
büschel nicht druuten übers waffer glitzerten und nicht droben
über den Nachthimmel hin. Aus klcinem Raume kann ein
^cuerwerk, eine Zllumination wahrhast schöne wirkungen nicht
! erzielen: erst eine gewisse Ferue giebt ihren an und sür sich
, doch zumeist grelleu Aünsten den magischen Dust, dcn ein
^ künstlerisch gebildetcr Geschmack hicr wenn irgendwo verlangt.


Lettungsscvau.

* bedeutet: Kesprecbung von Linzelwerken, f: bildlicbe Lrlüuterung dcr Nutsütze oder Keigabe von Kildnisscn.

Nllgemeiueres. (Neue Winckelmann-Ltudien) Arast, Ge-
sellsch. 5 ff. - <Psau> David, Nation 36. —

Dicbtuug. (Groth) f G. A. Lrdmann, v. F. z. m. w.
— (Das weib in Goethes Lprik) Reichel, Gwart s. --
(Lenau und Soxhie v. Löwenthal) Deffoff, Frs. Z. ;56 s. -
iManpaffant^Geiger, Gwart. 20. — (Björnson) ff v. F. z.
M. 8. — (Zorilla) ff Faftenrath, III. Z. 23Z8. — (Flau-
bert) weigand, Gegenw. 2(. — philos. Romane inFrank-
reich) * F. vogt, Frs. Z. ^59.

Tbcuter^ (Die Lutwicklung des szenischen Theaters) Genoe,
Allg. Z., B. ;3H ff. — (Die Gonconrt als Dramatiker)
Reyher, Gwart (9. — (Lchweizer Theatervcrhältniffe)
Gppenheim, D. B. - G. 2g> — (Fcstspiel in Rothenburg)
vcrsen, ^ränk^ Aur. 29^. — (Das erste dtsche khostheater)
Leliger, Nat. Z. 336. —- (Theater-Aritik in Deutschland)
Fuld, Gesellsch. 5. —

/Hdusik. (Der musikalische vortrag) Riemann, Allg. M.-Z. 23.
— (Aünstler und Publikum) Neitzel, N. Z. f. N. 23 ff. —

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