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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 17
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0274

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_S)

handschuhen vor! Za, aber die Illnssion? Ie nun,
da ist ja die vielberusene Thätigkeit der jdhantasie
vorhanden, und so sehen wir ja auch ain Telephon
das ganze L>tück. Wozu dann Theater, chpektacula,
Schauspiele? Das Schauen wird überflüssig, wir haben
auf der Bühne dann halb und halb Gratorien ohne B'lusik.

Daß der Zuschauer nach „Vildern iin Bilde"
verlangen wird, wie nach chtücken im chtücke, ist selbft-
verständlich, aber der Dichter weiß am besten, wie
die äußere Umgebung ihm zur „Stimmuug" verhilft.
Auf der Bühne vor allem gilt der Grundsatz „kileider
machen Leute." Der Schauspieler braucht also De-
koratioiwn und Aostüme sehr ost. Ls ist eme psycho-
logische Thatsache, daß das Tragen eines Bockes,
einer Uniform, eines Mantels den Menschen sich selbst
gegenüber erweitert, und gerade so ift es mit der
Umgebung. Zn einem Garten spricht man anders,
als in vier Mänden. Die s?racht eines Aönigssaales
bewirkt andere Stimmungen, als das Düster einer
Kirche, eines Rerkers. Und mit solchen ^timmungen
hat der wahre Dichter seine Weltbilder empfunden,
als er sie im Geiste vor sich schaute, er hat mit ihuen
„gerechnet", als er seine ^zenen für die Darstellung
niederschrieb.

Neue stilgemäße Ausstattung, Ukobiliar, j?racht der
Dekoration, war nie der Fehler der „Meiningerei."
Der Fehler war nur das Überwiegeu nicht zur khaud-
lung berechtigter IVesen vor den Lsuudelnden selbst.
kVenn die A'tasse, die Bewegung der Statisten den

Schauspieler verbarg, war dies ein Vergehen gegen
die Uünstler, gegen die Runst. Wenn im Münchener
kfoftheater in der Ballszene von „Nomeo und Iulia"
j?ierrot, Tolombina, ^arlekin usw. auf der Bühne
tanzen, während Romeo zum ersten Male mit seiner
Iulia spricht, so ist das wirklich überflüssig und lenkt
die Aufmerksamkeit ab. Aber man lasse die chchau-
spieler nur historisch wirken, nicht blos im Sinne des
Dichters, sondern auch der Dichtung, und es ergiebt
sich die stilgemäße Dekoration mit vereinfachter Ver-
wendung, d. h. szenische Umänderung, als Notwendig-
keit. Ausgezeichnet hat in dieser Beziehung in Mün-
chen die Aircheiflzene gewirkt, wo dieselbe Dekoration
Inneres und Äußeres der Rirche, sowie die Szene
am Brunnen bot. cholche Schöpfungen des Malers
sind in ihrer Art kongeniale „Dichtungen."

Trschiene uns der Geist Shakespeares, was würde
er sagen zu diesem Nückschritte zu der beschränkten
Theatertechnik seiner Zeit? würde er nicht darauf
hinweisen, daß er im „Sommernachtstraum", in „Ver-
lorene Liebesmühe" die „Technik" des Rüpelspiels
lächerlich gemacht habe, folglich selbst bessere Dekora-
tionen gekannt und erstrebt haben muß?

kVollen wir ganz auf Dekorationen verzichten, so
lesen wir einfach chhakespeare daheim. Freilich, das
konnten zumeist die kferren Besucher des Drury Laue-
theaters nicht, und wenn sie irgend ein Theaterstück
j vernehmen wollten, mnßten fie es hören.

Nobert j?löhn.


Aus der Küclierei.

Stationen meiner Lebenspilgerscbatt. vonRobert
chamerling. (ksamburg, Verlagsanstalt vorm. I. F. Richter.)
— Aus den deutschen Schriftstellern der Gegenwart ragt
Robert chamerling groß und vornehm hervor als einer der
kvenigen, die ihr Leben lang Dichter gewesen sind, Dichter
im ernsten, xriesterlichen Sinne. Stellt er uns nun fein Leben
dar, wie es sich in der Lrinnerung des älteren kllannes
spiegelt, so ist das schon deshalb dankenswert, weil so für
genaue Zuverlässigkeit aller Angaben über sein Leben gesorgt
ist. Lin ksamerling konnte aber gar nicht nichts weiter
geben, als Daten, hätte er's auch gewollt. !Vo uns ein
trockener Lebensbeschreiber trockene Lchilderungen geboten
hätte, da schließt sich für ksamerling Anschauung an Anschau-
ung zum Bilde zusammen; wo uns ein fremder Biograph
vielleicht kühl psx-chologisch die Lntschlüsse und Lntwürfe seines
„Gegenstandes" erläutert hätte, da giebt uns ksamerling den
unmittelbaren Linblick in eine reiche, krastvolle, kämpfende
Leele, und weit über die Betrachtung seiner einzelnen person
hinans breitet sich sein Gedanke. Lo findet nicht nur der
Literaturhistoriker, nicht nur der Aritiker, ja, nicht nur der
Freund der Dichtung überhaupt reiche Anregungen in kfamer-
lings nenestem kverk: ein jeder Gebildete, der warmen
kferzens ist, wird es lesen mit Gefühlen ausrichtigen Dankes
gegen den Alann, dem auch unter den bittersten Aörperleiden
das Lchafsen und Linnen des Geistes nicht müde wurde.

Gescbicbte ber Mtilcrei von Alsred woltmann
und Aarl U) oer m a n n. Mit vielen Bildern in lholzschnitt.
(Leipzig, L. A. Seemann, s875—s888). ^— Das mit der 22.
Lieserung vollendcte Buch ist gegenwärtig die umsassendste
und beste Geschichte der Malerei. Die gesammte Fachliteratur
ist dabei benutzt; zudem kennt der Versasser — der größte
und wenigstens wissenschastlich wertvollste Teil des Buches
stammt von woermann — fast sämmtliche besprochenen Aunst-
werke aus eigencr Anschauung. Der Lsauptwert des Buches
besteht darin, daß cs über dcn gegenwärtigen Ltand der
isorschung in allen einschlägigen Fragen sachgemäße und voll-
ständige Auskunst gicbt. Zn der Ausfassung seines Gegen-
standes ist sür Woermann der Ltandxunkt der Bilderver-
gleichung hauptsächlich maßgebcnd gewesen. Die ästhetische

Betrachtung tritt darüber mehr in den Lflntergrund, indeß
sinden sich in dem kVerke genug Stellen, wo der Versasser
ganze Perioden der Malerei ihrem geistigen Gehalte nach
und in ihrem Zusammenhange mit der Zeit und Aulturge-
schichte kennzeichnet oder einzelne ästhetische Betrachtungen an-,
stellt. Ls ergiebt sich aus diesen kurzen Andeutungen, daß
wir es hier mit einem durchaus ernsten Buche zu thun haben,
das beim Leser Lrnst, Ausmerksamkeit und den lVillen, dem
Verfasser aus die dornigen Psade der NAssenfchast zu folgen,
voraussetzt. Zu bloßer Unterhaltung ist es nicht geeignet.
N)er aber die genannte Voraussetzung erfüllt, wird das wert-
volle U)erk mit Genuß und Nutzen lesen. Für den Fachge-
lehrten ist es unentbehrlich. (7)

Die General-Verwaltung derAgl. Muse en in Berlin
hat im vergangenen Iahre zwei veröffentlichungen ausgehen
lassen, die wegen ihrer gediegenen Durchsührnng und ihres
im besten Linne belehrenden Lharakters weiteste Verbreitung
verdienen. Die „Wesebreibung ber ällilbwerke der
cbristlieben Lpeebe" von rv. Bode und L). v. Tschudi
(Berlin, !V. Sxemann, 1888) kann als die beste Linführung
in das Ltudium der neueren Bildhauerkunst bezeichnet werden,
denn sie bietet auf den 68 Lichtdrucktafeln in llZuart, die sie
begleiten, eine erschöxfende Nmschan auf dem Gebiete sowohl
der für unsere Zeit fo bedeutungsvollen italienischen Renaissance-
jdlastik, mit Linschluß der Bronzexlaketten, wie auch der
deutschen jAastik des (6. Iahrhunderts, deren vorbereitende
Stusen in den zahlreichen Llsenbeinschnitzereien des srüheren
Mittelalters studirt werden können. Sind auch die Abbildungen
sehr klein, so bieten sie doch durch ihre Fülle — unter Ab-
rechnung weniger Ausnahmen ist der ganze Bestand der
Sammlung aufgenomnien worden — die Möglichkeit, sowohl
von den gemeinsamen Zügen der einzelnen Exochen wie anch
von den zahlreichen Abstufungen innerhalb dcrselben eine
lebcndige Anschauung zu gewinnen. — Das Galeriewerk
„Die Gemälbegalerie ber 1k. /Ibuseen zu iVerlin"
von I. Meyer und N). Bode (Berlin, G. Grote; auf
etwa 25 Lieferungen in Folio mit je 6 Vollbildern und
6 Textillustrationen berechnet, wovon bisher drei Lieserungen
erschienen sind) wird einen Überblick über die gesamte Lnt-

— 2öS
 
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