—
DLcbtuna.
* Der hundertste Geburtstag MUU)elM Dc^S»
der als Superiutendeut vou Ichtershauseu t85-t starb,
des Naturfreuudes, des Kiuderfreuudes, des Fabel-
dichters, wurde am 2 6. März gefeiert. Ls ist uus
Lrwachseuen schwer, deu uach ihrem prächtigen
Bilderzeichuer fo geuauuteu „^peckterscheu Fabeln"
vorurteilsfrei prüfeud gegeuüberzutreteu: sie siud uus
ja alle liebe Riudheitsgeuosseu, die mau so schwer
auf ihreu Mert hiu zu untersucheu vermag, wie leib-
liche Geschwister. Der Schreiber dieser Zeileu hat's
doch au der Haud eiuer ueueu „j)rachtausgabe" aus
dein f?erthesscheu verlage iu letzter Zeit versucht.
Und er erstauute über das gauz wuuderbar richtige
uud zumeist sicherlich gauz uubewußte Gefühl, mit
welchem Hey zur juugeu Seele spricht. Seiu Lsaupt-
geheimnis iu der dichterischeu Techuik ist kuappste
Anpassuug au deu Rindergeist, au deu er sich, ohue
eiue 5pur vou „Schulmeisterei", gauz uud gar wie
der Gleiche zum Gleicheu weudet. Tiu gauz eiusacher
Dorgaug, oft sogar uur eiue eiusache vorstelluug
ohue „Aketapheru" aus das Schlichteste behaudelt;
geru mit Beuutzuug der lebeudigeru Form des Zwie-
gesprächs; die Moral dariu, nicht als Schwänzchen
hiuteu daran — so schrieb der reiue, gute, keusche
Amuu den Aleiuen ihre Fabelu. Vergleichen wir
audere Fabeldichter, so werdeu wir gar oft siudeu,
daß Akeuscheu, Tiere, Bäume, wenn sie auch kiudlich
zu sprechen versucheu, doch deukeu uud eiupsiu deli
wie Trwachseue. Bei ^ey deuken uud sühlen
auch Spitz uud Sperliug, Lerche und Lämmcheu,
Schaukelpserd uud wiud uicht uur wie Akeuscheu,
souderu wie Akeuscheu k i u d e r, uud redeu uicht uur
so — das ist wohl der Lsauplgruud ihrer uuvergleich-
licheu, ihrer verdieuteu uud segeusreicheu volkstüm-
lichkeit.
* Dier Tage vorher, am 2 2. März, war auch
der huudertste Geburtstag LvNSt 2el)UlzeS» dessen
„Bezauberte Nose" alleiu vou seiueu Dichtuugeu uoch
durch die Gegenwart dustet. Zm volleu jDraugeu
ihrer chchöuheit steht freilich auch sie uicht mehr; ein
unsterbliches, ewig juuges Gedicht ist es uicht, das
ihreu Nameu trägt — so oft mau auch iu den letzteu
Tageu das Gegeuteil behaupteu hörte. Die „Bezauberte
Rose" ist gar zu sehr durchwobeu mit der Stimmung
ihrer Zeit, sie eutzückt uus bseutige, weuu wir als
Züugling oder Rkädcheu ausrichtig aber uuklar
schwärmeu, doch uicht mehr, wenu wir gereist siud.
Das liegt uicht etwa am Rkärcheuhasteu des Gauzen:
der ist eiu armer Mauu, der sich uie mit stillem
Lächelu oder gar mit heimlichem Lserzklopseu iu die
holde kvunderwelt versetzeu mag, iu welcher alle Be-
diuguugeu der uüchterueu wirklichkeit aufgehobeu
sind. Ls liegt vielmehr am Au empsuud eueu so
vieler der romautischeu ^timmuugen auch iu der
„Bezauberteu Nose", am Maugel au Uubesaugenheit,
au gauz und gar gläubig an deu Stoff sich hiu-
gebender Ursprüuglichkeit. Die Zeit, da iu der
bvechselwirkuug vou Meusch zu Uleusch Alle iu diesem
Auempsinden lebten (wie iu einem andersartigeu An-
empfinden, in eiuer auders gemischten geistigeu Luft
ja auch wir selber lebeu mögen), ist nun vorüber,
und deshalb seheu wir klarer. Aber wir seheu auch,
daß mauches übrig bleibt, soviel vou ^chulzes Dichten
vergänglich war. Gerade in Schulzes bekanntestem
Merke siud Stelleu, iu deneu eiue leuchteude j)hautasie !
mit der romautischeu Auempfiudung ringt uud eudlich
hervortrilt wie der Moud aus bewegten wolkeu, um
eiue IVeile laug ruhig, erust und schöu zu scheiueu.
Dauu wird auch die schöurednerische Sprache kräftig,
keuuzeichueud uud im erusteren Änne schöu, als uur fürs
Ghr — iu welcher Beziehung Schulzes schmeichlerisch
wohlkliugeude Verse sreilich kauin je wieder übertrofien
wordeu siud. ksätte dieser Mauu, der als Mensch
sehr uüchteru uud klar iu die welt schaute, zu
auderer Zeit uud uuter auderen geistigeu Liuflüsseu,
hätte er vor allem auch läuger gelebt — seiu
Bild iu deu Äteraturgeschichten würde vielleicht gauz
audere Züge trageu, als so.
* „/Ildustk nnd — kDustfi" ueuut Lrust v.
wolzogen eiueu Aufsatz (Tägl. Nschau 69), der
hier im Auszuge wiedergegebeu werden dars uud
soll, obgleich der Versasser über eiuige Diuge, z. B.
über das wesen der j^oefie, die er da uud dort iu
seiue Betrachtuug hereiuzieht, deuu doch etwas uuklare >
vorstelluugeu hegt. „vou der Zeit an, wo Beethoveu
zu Nlozart iu ofienbareu Gegensatz tritt, vollzieht sich
endgiltig die Spaltuug der Musik in eiue Ruust-
sertigkeit uud iu eine Ruust. Die erstere bildet
immer mehr die Geschicklichkeit, die seiue Berechnuug,
die Aumut uud deu Geist im Spiel mit Töuen uud
musikalischeu Formeu heraus, währeud die andere sich
die Ausgabe stellt, durch die geheimuisvolle Rraft der
bsarmouie uud Akelodie uuser gauzes Nerveulebeu so
wuuderbar zu beeiuflusseu, immer mehr von der will-
kür der Lorm loszulöseu uud sie mit Bewußtseiu iu
deu Dienst der poetischeu Lmpfiuduug zu zieheu. Gs
versteht sich vou selbst, daß diese letztere wusikgattuug
sich am sreiesteu uud reichsteu aus dramatischem Ge-
biete eutfalteu wird. Aber wie Lserrliches sie auch
im reiu symphonischeu Stile zu sagen vermag, das hat
uus Beethoven in seiuen spätereu werken bewiesen,
uud zwar wirklich erst Beethoven." was im sechs-
zehuteu und siebzehnteu Zahrhuudert iu dieser Nichtuug
gescheheu, besitze für die Nlusikgeschichte nur den
wert „kuriöser" Auekdoteu. Aber auch Nlozarts
„dramatische Tharakteristik" sei bei der Beschaffeuheit
seiner Texte uicht mehr, als eine gauz selbstverstäud-
liche Sache geweseu — „für diese heideumäßige Hei-
terkeit kauu man sich sreilich keiueu vollkommeuereu
musikalischen Ausdruck denkeu, als die geniale Leichtig-
keit uud Aumut seiuer Nkelodik uud Nhythmik. Auch
der »Dou Zuau« ist nichts weuiger als eiue Tragödie,
als welche uusere Nlusikpedauteu ihn immer uoch
darzustelleu sucheu. Die Szeue der Lrscheiuung des
steiuerueu Gastes hat allerdiugs auch musikalisch eiuen
dramatisch packeudeu Ausdruck gefuudeu, doch — ab-
geseheu davou, daß mau uoch darüber streitet, ob die
j)osauueu iu dieser Szeue echt siud — wie hätte Näo-
zart, weun er nicht jeder Spur vou Geschmack baar
gewesen wäre, hier auders komponireu köuueu." Zm
Übrigeu fiude er sich sür die erusteu Gestalten seiner
Gperu meist durch die Form der „serieuseu" Arie ab.
sl
(s
DLcbtuna.
* Der hundertste Geburtstag MUU)elM Dc^S»
der als Superiutendeut vou Ichtershauseu t85-t starb,
des Naturfreuudes, des Kiuderfreuudes, des Fabel-
dichters, wurde am 2 6. März gefeiert. Ls ist uus
Lrwachseuen schwer, deu uach ihrem prächtigen
Bilderzeichuer fo geuauuteu „^peckterscheu Fabeln"
vorurteilsfrei prüfeud gegeuüberzutreteu: sie siud uus
ja alle liebe Riudheitsgeuosseu, die mau so schwer
auf ihreu Mert hiu zu untersucheu vermag, wie leib-
liche Geschwister. Der Schreiber dieser Zeileu hat's
doch au der Haud eiuer ueueu „j)rachtausgabe" aus
dein f?erthesscheu verlage iu letzter Zeit versucht.
Und er erstauute über das gauz wuuderbar richtige
uud zumeist sicherlich gauz uubewußte Gefühl, mit
welchem Hey zur juugeu Seele spricht. Seiu Lsaupt-
geheimnis iu der dichterischeu Techuik ist kuappste
Anpassuug au deu Rindergeist, au deu er sich, ohue
eiue 5pur vou „Schulmeisterei", gauz uud gar wie
der Gleiche zum Gleicheu weudet. Tiu gauz eiusacher
Dorgaug, oft sogar uur eiue eiusache vorstelluug
ohue „Aketapheru" aus das Schlichteste behaudelt;
geru mit Beuutzuug der lebeudigeru Form des Zwie-
gesprächs; die Moral dariu, nicht als Schwänzchen
hiuteu daran — so schrieb der reiue, gute, keusche
Amuu den Aleiuen ihre Fabelu. Vergleichen wir
audere Fabeldichter, so werdeu wir gar oft siudeu,
daß Akeuscheu, Tiere, Bäume, wenn sie auch kiudlich
zu sprechen versucheu, doch deukeu uud eiupsiu deli
wie Trwachseue. Bei ^ey deuken uud sühlen
auch Spitz uud Sperliug, Lerche und Lämmcheu,
Schaukelpserd uud wiud uicht uur wie Akeuscheu,
souderu wie Akeuscheu k i u d e r, uud redeu uicht uur
so — das ist wohl der Lsauplgruud ihrer uuvergleich-
licheu, ihrer verdieuteu uud segeusreicheu volkstüm-
lichkeit.
* Dier Tage vorher, am 2 2. März, war auch
der huudertste Geburtstag LvNSt 2el)UlzeS» dessen
„Bezauberte Nose" alleiu vou seiueu Dichtuugeu uoch
durch die Gegenwart dustet. Zm volleu jDraugeu
ihrer chchöuheit steht freilich auch sie uicht mehr; ein
unsterbliches, ewig juuges Gedicht ist es uicht, das
ihreu Nameu trägt — so oft mau auch iu den letzteu
Tageu das Gegeuteil behaupteu hörte. Die „Bezauberte
Rose" ist gar zu sehr durchwobeu mit der Stimmung
ihrer Zeit, sie eutzückt uus bseutige, weuu wir als
Züugling oder Rkädcheu ausrichtig aber uuklar
schwärmeu, doch uicht mehr, wenu wir gereist siud.
Das liegt uicht etwa am Rkärcheuhasteu des Gauzen:
der ist eiu armer Mauu, der sich uie mit stillem
Lächelu oder gar mit heimlichem Lserzklopseu iu die
holde kvunderwelt versetzeu mag, iu welcher alle Be-
diuguugeu der uüchterueu wirklichkeit aufgehobeu
sind. Ls liegt vielmehr am Au empsuud eueu so
vieler der romautischeu ^timmuugen auch iu der
„Bezauberteu Nose", am Maugel au Uubesaugenheit,
au gauz und gar gläubig an deu Stoff sich hiu-
gebender Ursprüuglichkeit. Die Zeit, da iu der
bvechselwirkuug vou Meusch zu Uleusch Alle iu diesem
Auempsinden lebten (wie iu einem andersartigeu An-
empfinden, in eiuer auders gemischten geistigeu Luft
ja auch wir selber lebeu mögen), ist nun vorüber,
und deshalb seheu wir klarer. Aber wir seheu auch,
daß mauches übrig bleibt, soviel vou ^chulzes Dichten
vergänglich war. Gerade in Schulzes bekanntestem
Merke siud Stelleu, iu deneu eiue leuchteude j)hautasie !
mit der romautischeu Auempfiudung ringt uud eudlich
hervortrilt wie der Moud aus bewegten wolkeu, um
eiue IVeile laug ruhig, erust und schöu zu scheiueu.
Dauu wird auch die schöurednerische Sprache kräftig,
keuuzeichueud uud im erusteren Änne schöu, als uur fürs
Ghr — iu welcher Beziehung Schulzes schmeichlerisch
wohlkliugeude Verse sreilich kauin je wieder übertrofien
wordeu siud. ksätte dieser Mauu, der als Mensch
sehr uüchteru uud klar iu die welt schaute, zu
auderer Zeit uud uuter auderen geistigeu Liuflüsseu,
hätte er vor allem auch läuger gelebt — seiu
Bild iu deu Äteraturgeschichten würde vielleicht gauz
audere Züge trageu, als so.
* „/Ildustk nnd — kDustfi" ueuut Lrust v.
wolzogen eiueu Aufsatz (Tägl. Nschau 69), der
hier im Auszuge wiedergegebeu werden dars uud
soll, obgleich der Versasser über eiuige Diuge, z. B.
über das wesen der j^oefie, die er da uud dort iu
seiue Betrachtuug hereiuzieht, deuu doch etwas uuklare >
vorstelluugeu hegt. „vou der Zeit an, wo Beethoveu
zu Nlozart iu ofienbareu Gegensatz tritt, vollzieht sich
endgiltig die Spaltuug der Musik in eiue Ruust-
sertigkeit uud iu eine Ruust. Die erstere bildet
immer mehr die Geschicklichkeit, die seiue Berechnuug,
die Aumut uud deu Geist im Spiel mit Töuen uud
musikalischeu Formeu heraus, währeud die andere sich
die Ausgabe stellt, durch die geheimuisvolle Rraft der
bsarmouie uud Akelodie uuser gauzes Nerveulebeu so
wuuderbar zu beeiuflusseu, immer mehr von der will-
kür der Lorm loszulöseu uud sie mit Bewußtseiu iu
deu Dienst der poetischeu Lmpfiuduug zu zieheu. Gs
versteht sich vou selbst, daß diese letztere wusikgattuug
sich am sreiesteu uud reichsteu aus dramatischem Ge-
biete eutfalteu wird. Aber wie Lserrliches sie auch
im reiu symphonischeu Stile zu sagen vermag, das hat
uus Beethoven in seiuen spätereu werken bewiesen,
uud zwar wirklich erst Beethoven." was im sechs-
zehuteu und siebzehnteu Zahrhuudert iu dieser Nichtuug
gescheheu, besitze für die Nlusikgeschichte nur den
wert „kuriöser" Auekdoteu. Aber auch Nlozarts
„dramatische Tharakteristik" sei bei der Beschaffeuheit
seiner Texte uicht mehr, als eine gauz selbstverstäud-
liche Sache geweseu — „für diese heideumäßige Hei-
terkeit kauu man sich sreilich keiueu vollkommeuereu
musikalischen Ausdruck denkeu, als die geniale Leichtig-
keit uud Aumut seiuer Nkelodik uud Nhythmik. Auch
der »Dou Zuau« ist nichts weuiger als eiue Tragödie,
als welche uusere Nlusikpedauteu ihn immer uoch
darzustelleu sucheu. Die Szeue der Lrscheiuung des
steiuerueu Gastes hat allerdiugs auch musikalisch eiuen
dramatisch packeudeu Ausdruck gefuudeu, doch — ab-
geseheu davou, daß mau uoch darüber streitet, ob die
j)osauueu iu dieser Szeue echt siud — wie hätte Näo-
zart, weun er nicht jeder Spur vou Geschmack baar
gewesen wäre, hier auders komponireu köuueu." Zm
Übrigeu fiude er sich sür die erusteu Gestalten seiner
Gperu meist durch die Form der „serieuseu" Arie ab.
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