Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Westenberger, Bernhard: Wie retten wir unser Bühnenschrifttum?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0103

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
über alle Deöiete^e§Mcbörrea.

7. Stück.

Lrscbeint

Derausgeber:

zferdinand Avenarius.

Wesrellpreis:
vierteljährlich 21/2 Mark.

2. Zabrg.

Mie retten vvir unser Wüknenscbrikttum?

^ach dem Literaturkalender haben wir unge-
'fähr 5000 „drainatische Dichter" in Deutsch-
äaud. Gehen wir die Bühnenberichte der
^s^DDletzten Iahre durch, so begegnen wir den
Namen von etwa t50 deutschen zeitgenösfischen Achrift-
stellern. j>'üfen wir jene Berichte darauf, wieviel
der „irgendwo Aufgeführten" in der Niehrzahl der
Darstellungsverzeichnisse wiederkehren, also gewisser-
maßen anerkannte Bühnendichter sind, so zählen
wir höchstens bis auf ein Dutzend. Gehen wir noch
weiter, und scheiden von diesen diejenigen aus, welche
nur die niederste Gattung, jDosse und Schwank, pflegen,
so bleiben vier bis fünf Namen von Bedeutung.
Unter 5000 „Dramatikern" ^ hje „ernst ge-

nommen" werden.

s)rüfen wir die Thätigkeit einer einzelnen deutschen
Bühne und deren Derhältnis zum Bühnenschrifttum
an einem in seiner künstlerischen Leitung durchaus un-
abhängigen, dabei materiell reich unterstützlen Theater,
am Stadttheater von Frankfurt. In seinem Iahres-
berichte von t88 6/87 sinden wir im Schauspiel (ein-
schließlich ^chwank, Lustspiel und Trauerspiel) t d Trst-
aufführungen, von denen den Werken deutscher
lebender Hchriftsteller gewidmet waren. Unter diesen
t-t befanden sich: drei Trauerspiele, ein Schauspiel,
zwei deutsche „Lustspiele" l^chöuthan-Radelburgs „Gold-
sische" und Niosers „Bureaukrat"— also solche, welche
den Namen „Lustspiele" eigentlich nicht verdienen) und
acht ein- oder mehraktige Schwänke! Von den ge-
wählten ernsten Stücken wurde eiues gelegentlich des
Gastspiels seines verfassers, das andere aus Gründen
aufgeführt, welche gleichfalls zu einer unbeeinflußten
Schätzung des Werks nur in sehr untergeordneten
Beziehungen standen. j)rüfungen bei andern Bühnen
führen mit geringen Schwankungen zu den gleichen
Trgebnissen.

wie erklären sich solche Thatsachen? Sind unter
den t§00 Bühnenstücken, die nach sehr niedriger
Schätzung alljährlich geschrieben werden, in wahr-
heit so wenig brauchbare?

Ach uein, die ^ache liegt anders. Sehen wir
doch einmal nach, wie die Trstaufführungen zu ^tande
kommen.

Zunächst: unsern Theaterdirektoren ist ein unge-
heuer großes Gebiet überwiesen. wir wollen in dem-
selben bsause, vor denselben Darstellern heute „bsamlet"
und morgen „Fedora" sehen, und so geht es von
Abend zu Abend fort. Nun ist es aber klar, daß
der Leiter einer Bühne, wenn er das „bllassische" neben
dem „wlodernen" pflegen soll, mit der Linarbeitungs-
zeit nicht ausreichen kann. Für eine Hamletaufführung
reichen ein paar j)roben nicht hin, soll sie auch nur
mäßigen Ansprüchen halbwegs genügen. Ls bedarf
wochenlanger Vorbereitungen dazu, während welcher
das ^aus natürlich nicht geschlossen wird. Attt was
füllt man die Abende aus? !Nan muß das Be-
quemste nehmen. Der Schwank irgend eines „be-
kannten zugkräftigen verfassers" ist gerade auf der
Nundreise, geschwind wird er aufgegriffen. Lr macht
keine Arbeit: die Schauspieler „kennen den Nummel",
uud da die Gestalten dieses Schwanks bereits so und
so viel mal in andern vertreten waren, die bjand-
lungen, die üblichen verwechslungen, ja selbst die
witze allen Ntttwirkenden geläusig sind, so genügen
zwei j)roben, um die „Novität" über die Bretter
schicken zu können. S o kommen die „ssremieren" zu
Stande. Natürlich nicht an allen Bühnen, aber an
den meisten und immer an denen, die den Thespis-
karren auch noch mit Opern und Operetten bepacken
sollen.

Und an den wenigeu „großen"?

Bei ihnen sieht es ja da und dort so aus, als


— 97 —
 
Annotationen