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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 9
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Rundschau
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Vom Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0141

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s.


gabe der Kunst seiu, sondern Darstellung des groß
Ausgefaßten und rein Lmpsundenen.

Iährlich wiederholt sich die Thatsache, daß die
Mehrzahl der Stipendiaten, junge Leute also, deren
hohe künstlerische Begabung vom Staate gewisser-
maßen anerkannt ist, nach Rom kommt mit der Uber-
zeugung, die Antike sei eine längst abgethane Sache,
die Beschästigung damit reiner Zeitvertreib; biete ja
auch die Nenaissanoe mancherlei nicht Uninteressantes,
so habe sie doch für unsere heutigen Bedürsnisse alle
Bedeutung verloren. Ich erinnere mich, von mehr
als einem Stipendiaten gehört zu haben, die an Ber-
leihung der Stipendiums geknüpste Bedingung der
Ueise nach Nom sei ein pedantischer törichter Zops;
ein Ausenthalt in j)aris unter allen Umständen srucht-
bringender. U)ir kommen zu der im Lingang ge-
stellten Frage. Ls heißt, im preußischen Rultusmi-
nisteriuin sänden Lrwägungen statt wegen einer in
Nom zu errichtenden deutschen Akademie. Sieht inan
die Villa U'ledici auf dem jDincio, wo die Fraiizosen
hausen, oder die spanische Akademie bei S. Pietro in
Utontorio, so hat der Gedanke etwas Bestechliches,
ein ähnliches Znstitut auch sür die deutsche Uunst in
Nom erstehen zu sehen. Doch an diese patriotische
wallung knüpst sich bald die nüchterne Frage: wozu?
Der Zeitpunkt für die Aussührung eines solchen Dor-
habens ist entschieden versehlt, verspätet gewiß, ver-
srüht — hoffentlich! IVeshalb werden denn junge
Uünstler nach Nom geschickt? Dainit sie in den voll-
endetsten Bethätigungen des künstlerischen Geistes ein
regulatives j)rinzip sinden für den eigenen Schaffens-
drang und Schaffenswillen. Nun muß man sehen,
wie die Ukehrzahl der jungen Nünstler ihren römischeu
Aufenthalt nutzt. Die Galerien werden pflichtmäßig
und inöglichst rasch erledigt, dann spinnt man sich in
die eigene Arbeit ein, läßt sich von dem reizenden

südlichen Leben entzücken und fliegt am Lnde ziemlich
als der Gleiche über die Alpen wieder heim, als der
man vor zwei Zahren herübergeflogen kam. Der auch
sür die bildende Aunst geltende Goethesche Spruch:
»wer den Dichter will verstehn, muß in Dichters
Lande gehen« kann schon daruin hier gar keine An-
wendung finden, weil ja an sich gar kein wille vor-
handen ist, die klassische Runst recht zu verstehen.
kcherin soll durchaus kein Vorwurs gegen unsere jungen
Rünstler sein. Der Zug der heute herrschenden Runst
ist einmal ein von der Alassizität abgewandter.

Ramen sonst die deutschen Nünstler nach Nom,
um zu lernen, was in umsassender weise nur hier
gelernt werden konnte, so ist heutzutage Nom ein
ganz zusälliges willkürliches Neiseziel. Sie könnten
ebensogut an jede beliebige andere Stelle gehen, wo
der wein gut und billig ist und wo sich's lustig lebt.
wan wende nicht ein, wie bisweilen geschieht, daß
die italienischen Nkodelle an Feinheit der Bewegung
und Ausdruckssähigkeit des Nörpers ihre deutschen
Nivalen weit überragen. Die Nunst müßte eine son-
derbare sein, die von der Tauglichkeit der Nlodelle
abhinge. Zudem findet man in allen größeren deutschen
Städten massenhaft italienische Nlodelle, und wenn dem
Nunstwerk seinempsundene lebensvolle Bewegung
mangelt, so wird dies weniger Schuld des Nlodelles
als des Rünstlers sein.

Nom hat sür die große deutsche Runst seine Be-
deutung als j)urgatorio und j)aradies verloren. Die
deutsche Nunst, größtenteils auch die in Nom ansässige,
wäre ohne Noin heute aus derselben ^telle. Zn dem
Bestehen des Zustandes liegt seine historische Berech-
tigung. Nkan kann wünschen, daß es anders werde,
verlangen kann inan es nicht, ebensowenig mit künst-
lichen Nütteln erreichen.


Voin

Das Iahr ;889 ift für unsere Literaturfreunde reich an
Iubiläen. Am so. Ianuar war der hundertste Geburts-
tag des bekanntcn Shakespeare-Übersetzers Grasen Baudis si n,
am 22. bllärz wird der des Dichters der ,,Bezauberten Rose"
Lrnst 5chulze sein, am 26. kllärz jener des verdieustvollen
Fabeldichters wilhelm kjey, am t3. April dcr hundertundsüns-
zigsteG. D.5chubarts, am tS. 5eptember der hundertste Iames
Loopers, am 2;. Dezember der zweihundertsünszigste Raci-
nes. Vier geachtete lebende deutsche 5christsteller seiern in
diesem Iahr ihren siebzigsten Gcburtstag: lvilhelm Iordan
(am 8. Februar), Friedrich Bodenstedt (22. April', Gotll
sried Aeller sl9. Znli) und Theodor Fontane (zo.
Dezember).

» Lincn hübschen -paß hat sich llloritz Tarrisre ge-
macht, indem er in einer §atire, welche die „Gegenwart"
brachte, so ernsthasten Angesichts nachwies, daß Goethe seinen
Faust eigentlich von Lessing gestohlen habe, daß nicht wenige
Leute klug genug waren, ihn sür nicht klug zu halten.
Nun erklärte er's in einer besonderen Zuschrist: die Sache
sei ironisch gemeint gewesen. w as er verspotten wollte, sagt
er darin auch deutlich genug. ,,Ich verkenne ja den lVert
nicht, welchen die Durchsorschung der städtischen Archive und
der Airchenbücher hat, uin über Aünstler sichere Nachrichten
zu gewinnen, über Bestellnng und jdreis einzclner lVerke ur-
kundlichen Ausschluß zu geben; aber der wahre lVert, dic Be-

Tage.

! deutung, der Znsammenhang der Runst- und Literaturwerke
mit der Aulturgeschichte wird dadurch nicht bestimmt, und wenn
man mit jedem Goetheschen lVaschzettel auch noch das
lVasserzeichen des paxiers mit abdrucken läßt, das lVesen
Goethes wird dadnrch nicht erklärt." Damit hat sich nun
sreilich der Bedauernswerte selbst das Zeugnis ausgestellt,
daß er nicht zu den „Goethereisen^ gehört.

-x- Die Betrachtung unserer Ariegslyrik seitens eines
Franzosen ist sür einen Deutschen nicht uninteressant. Lugene
Nallberg, sAosessor in Toulouse, hat sie in einer Vorlesung
behandelt, die „INnlläpeuäLM littsmirs" wiedergiebt. ,,Ve Viecl
sst eu ellet uussi uöLessLire L l'^VIlsmLucl ous su cllope cle llisre
ou 83. pips, st les ^VllsiULullss eu tout uus cousomiuutiou sucors
plus Araucls, si c'est possillle" — mit diesem -atze, dem wir
nur wünschten, daß er wahr wäre, leitet unser kllann seinen
Nortrag ein. Dann spricht er vom l^rischen lVeihnachtsmarkt
in Deutschland: „Ls ist ein Geschäst, das blüht; die Frage
ist nur: !Vie sährt die jdoesie dabei? Nun, ich darf sagen,
daß man zwischen dem vielen Mittelmäßigen nicht selten auch
glücklichen Lingebungen oder wenigstens hübschen Stücken be-
gegnet. Sie sind auch meistens kurz, und Aürze ist ein Ver-
dienst, zumal bei den Deutschen. Ls läßt sich scrner nicht
leugnen, daß die deutsche Sprache, wohllautend (wenn sie gut
gesprochen wird) und wunderbar zn den verschiedensten Versen
geeignet, wie geschaffen erscheint sür diese Art von Poesie,

- 13Z

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