Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Aus der Bücherei
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0146

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
S__

urteile werden siegreich bekäinpft und neue höchst überraschende
Aufschlüsse und tiesere Einsichten gcboten. Mit cindringender
Schärse und Uiarheit entwickelt Iordan hieraus das Wesen
der indischen, iranischeu, griechischcn uud germanischen Lpen
und er zeigt, wie die Geschicke der Völker die Entstehung der
Lpen beeinflußten und die weiteren 5chicksale dieser aus die
Völker zurückwirkten. Dabei behandelt er noch eine Reihe
völkerpsychologischer Fragen von oberster Wichtigkeit, auss
Glücklichste unterstützt von seinem reichen Mssen und seiner
hell schauenden fdhantasie. klnter den aesthetischen Fragen
dürsten von größtem Interesse die Briese über die Auustge-
heimnisse bsomers sein, die einen Schritt über Lessings Taokoon
hinaus bedeuteu. 5ie bilden eine Ergänzung und Lrweiterung
dessen. was Iordan bereits srüher in „Das Äunstgesetz bsomers
und die Rhapsodik" überzeugend erwiesen hat. Don höchstcr
Bedeutung sür uns müssen alsdann die aesthetisch grundlegeu-
den Betrachtungen über das germanische Epos und einige
Tieder der Edda bleiben. ksier hat Iordan mit wahrhast ge-
nialem Blick den dichterischen und sittlichen Aern unserer
Sagenwelt erkannt uud enthüllt, hier zeigt cr sich als eben-
bürtigcr Echüler Nhlands.

Einen großen Mangel sreilich hat das Buch neben seincn
Borzügen auch: ein so ungeheures Gebiet läßt sich iu eiuein
mäßigen Band unmöglich erschöpsen. Nachdem wir aber unter
der sicheren Führung des Dichtcrs eincn Echritt in dasselbe
gethan und so viele Wnuderdinge gesehen habcu, möchten wir
weiter dringen und noch mehr sehen. Iordan scheint auch das
Werk in größerein Umfange geplant zu haben. In der Bor-
rede hat er eine weitere Briesreihe in Aussicht gcstellt. 5cit-
her ist mehr als ein Iahrzehnt verflossen, und wir warten
noch immer. Illöge er Aeit stnden, eine seiner bedeutendsten
Schöpsungen zu vollenden und ihr damit jenen hervorragendeu
Olatz in unserem Echristtum zu sicheru, der ihr gebührt.

Aarl Schissner.

„Die Meistcrzvcrke des Disksmuseum zu
AmsterdüM." — Das untcr diesem Titel in lllünchen er-
schieuene „Photogravüren-Prachtwerk" von Franz Lsanfstäugl
mit erläuterndemTerte vouiAbr. Bredius(Ill.tLO) liegt nunmehr
vollständig vor. Ich ersülle eiu Versprechen, dessen der
„Aunstwart" bereits in der ersten Nuinmer seines ersten Iahr-
ganges gedacht hat, indem ich mit einigen lVorten aus dieses
ebenso schöne und genußspendende wie lehrreiche lVerk zurück-
komme.

Um eine Lcistung ersten Ranges zu sein, muß ein der-
artiges IVerk drei Bedingungen ersüllen: die Aunstwerke,
welche es verössentlicht, müssen es wert sein, in den weitesten
Areisen bekannt zu werden; die Vervielsältigungen müssen
gut sein; und der Text muß nicht nur lesbar und unterrichtend
sein, sondern auch aus der lhöhe der wissenschaftlichen Ausgabe
stehen. Das Bredius-lhanfstänglsche lVerk ersüllt diese drei
Bedingungen. Die Echönheit und Gediegenheit der äußeren
Ausstattung wird dabei heute als etwas Eelbstverständliches
in den Aaus genommen.

Daß die Gemälde des neuen Reichs-llluseums in Amster-
dam cs vcrdieneu, in guten Nachbildnngen in alle lvelt ge-
tragen zu werden, versteht sich sür jeden auch nur halbwegs
Eingeweihten von selbst. Gaben doch schon die Gemälde,
welche bis vor einigen Iahren in dem sogenannten „Trippen-
huis" in Amsterdam vereinigt waren, einen anschaulichen
llberblick über die Geschichte der holländischen, insbcsondere
der Amsterdamer lNalcrei! Besanden sich unter ihuen doch
schon damals llleisterwerke, wie Rcmbrandts „Nachtwacke"
nnd „Etaalmecsters", welche, obgleicb sie als schlichte Gruppcn-
bildnisse gedacht sind und ganz der sesten Trde angehören,
dnrch die seurige Einbildungskrast dcs llleisters mit berauschen-
dcn lllärchengluten gesättigt worden sind! Bezcichnen diese
und alle zahlreichen übrigcn, dcn verschiedcnsten Gebicten der
Natur uud dcs Lebens angehörigcn holländischen Bilder des
x?. Iahrhunderts doch das Frcistc, Eelbständigste und Eigen-
artigste, was die lllalerei nicht nur ganz lsoÜands und ganz
Niederdeutschlands, sondern aller gcrmanischen Völkcr über-
haupt nach den Tagen Dürers und lsolbeins gcleistet hat. —
Seit abcr vor cinigen Iahren die Gemäldc dcs „Trippenhuis"
mit denjenigen des llluseums van der lsoop, mit eincr be-
trächtlichen Änzahl großartiger „Schützen- und Regentenstücke"
aus dem Amsterdamer Rathaus und aus einigen städtischen
Stistungsgebäuden, leider auch mit deu neueren Bildern des
„stlaviljoens" bei lsaarlem in dem neuen, großartigen, von
außen prächtigcu, inwcndig mit seinen mittelalterlichcn Zier-
sormcn allerdings zu den Gcmälden des x?. Iahrhunderts

nicht recht stimmenden Gebäude des neuen Reichsmuseums ver-
einigt worden sind, kann Amsterdam sich rühmen, eine Eamm-
lung älterer einheimischer Gemälde zu besitzen, um welche sast
alle Etädte der lVelt es beneiden können Durch diese Ver-
einiguug und besonders durch die lservorziehung der älteren
großen 5chützen- und Regentenstücke ans der Verborgenheit
und Vergessenheit ist ein neues Licht auf die Entwickelnngs-
geschichte nicht nur der Amsterdamer, sondern auch der ge-
sammten holländischen Malerei gesallen. lver wußte bis da-
hin z. B. etwas von holländischen llleistern, wie Eornelis
van der Voort, lVerner van Valckert und Nicolaes Elias?
5eit man ihre mächtigen Bildnisgrnppen im neuen Amster-
damer Reichsmuseum kennen gelernt, kann man allmählich die
bisher unter sremden Namen verzeichneten Bilder dieser
Meister in andcren Sainmlungcn Enropas auch wieder richtig
bestimmen. Eine umsangreiche Verössentlichnug der Echätze
des gegenwärtigen Amsterdamer lNuseums wär daher nicht
nur der lNühe wert, sondern entsprach auch einem dringendcn
Ledürsnis aller chorscher und ernsten Aunstsrennde.

Daß aber die bekannte Aunstanstalt von Franz lsansstängl
in lNünchen über die geeigneten lNittel und Aräste versügte,
diese Echätze in guten, klaren photographischen Auxserdrucken
zu vervielsältigen, wußte jeder im Voraus, der die bisherigen
Leistungen dieser Firma versolgt hatte. In der That eick-
spricht die Aussührung der Blätter allen Erwartungen.
lVer sich die einzelneu Gemälde des Amsterdamer Reichs-
museums in schönen photographischen Nachbildungen anschafsen
will, wird allerdings wahrscheinlich die von Ad. Braun 6c Eo.
in Dornach ziemlich gleichzeitig erschienenen prachtblätter vor-
ziehen. Gerade sür die Vereinigung der Nachbildungen mit
einem umsangreichen Text aber eigncten sich, schon wcil der
photographische Aupserdruck sich dem Buchstabcndruck des Textes
harmonischer anschließt, die lsansstänglschen „sdhotogravüren"
noch besser, als die Braunschen Photographien. An sünszig
sdlatten sind dem Eatze selbst eingesügt; über achtig sind aus
ganzen Blättern beigehestet. Erklärlicher lVeise sind nicht
alle Nachbildungen gleich gut geraten. Die „Nachtwache," deren
geheimnisvolles lsalbdunkel sich sehr spröde gegen die sdhoto-
graphie verhält, ist am wenigsten gut herausgekommen. Alles
in Allem genommen aber giebt das lVerk die hundert und
dreißig schönsten Bilder des Amsterdamer Reichsmuseums,
welches im Ganzen allerdings über ungesähr ;soo Gemälde
versügt, iu Nachbildungen wieder, welche als vorzügliche
Leistungen bezeichnet werden müssen.

Daß endlich der versasser des Textes, Abr. Bredius, aus
der lsehe seiner Ausgabe steht, ist zwar den (Binge-
weihten zur Gcnüge bekannt, weiteren Areisen aber doch
viellcicht nicht so geläufig, als daß es sich nicht verlohnte,
einen Angenblick dabei zu verweilen. Abr. Bredius ist ein
jüngerer Amsterdamer Gelehrter, der die ernsteste Forschung
aus dem Gebiete der Aunstgeschichte seines Vaterlandes zu
seiner Lebensausgabe gemacht hat. Er gehört zu den
wenigen Forschern, die gleich Großes auf dcm Gebiete der
archivalischen Forschung und des vergleichenden Bilderstudiums
geleistet habeu. Ilnermüdlich hat er die Archive der ver-
schiedensten holländischen Etädte nach Nachrichten über das
Lebcn der Rünstler durchstöbert und seine reiche, die Runstge-
schichte umgestaltende Ausbeute teils in holländischen und
deutschen Runstzeitschristen, teils in seinem Verzeichnis des
Amsterdamer Reichsmnseunis verössentlicht, teils auch mit
seltener Uneigennützigkeit anderen Gelehrten sür ihre Arbeiten
znr Versügung gestellt. llnermüdlich aber hat er auch alle
Eammlungen Europas, welche Bilder holländischer llleister
enthalten, durchsorscht, Bilderinschristen gesammelt, Vergleiche
angcstellt und sich aus diese lVeise eine Uenntnis der Ge-
schichte der lNalerei lsollands angeeignet, wie sie vielleicht
kein anderer Forscher der lVclt in Bezug aus die Runst scines
Vaterlandes bcsitzt. Line dcutsche llniversität hat ihn, seinen
Verdiensten entsxrechend, auch vor Kurzem dnrch die Vcr-
leihung des Doktortitels ausgezeichnet. Daß es lsansstängl
gelungen, gcrade diesen lllann znr Absassuug des Tcxtes
scines prachtwerks zn veraulassen, war natürlich cin außer-
ordcntlicher Gewinn.

In der That ist der Text nicht nur eiue hübsche, lesbare,
auch weitercn Rreisen verständliche, in gutem, nur hie und
da leise an die holländische Iunge anklingcndem Deutsch ge-
schriebene Erläuterung der Bilder, sondern auch eiue wissen-
schastliche 2lrbeit, welche keiner, der sich mit holländischer Runst-
geschichte beschästigt, übersehen kann. Daß Bredius am
Schlusse sagt: „Es ist diese Arbeit ein erster versuch, die


— 140 —
 
Annotationen