Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 14
DOI Artikel:
Hartmann, Ludwig: Die Kunst Musik zu hören
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0215

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

cuw

üöer asle NebieieOöe.sMcbönen.

14. Stück.

Lrscbetnt

Derausgeber:

zferdinand Avenarius.

Vesrellpreis: !

vierteljährlich 2r/z Mark. ^

Die Ikunst, Musik zu Iiöreu.

'au beklagt jetzt oft, daß eiu großer Teil
(Vdes publikums uur uoch s)uteresse für

>große ^-chaustelluugeu auf der Bühue habe
^WW^uud sich der klassischeu Musik mehr

uud mehr euisremde. Thatsache ist bei fast alleu
deutscheu Operutheateru das Überwiegeu der großeu
Gper oder uoch mehr: des waguerscheu Aiusikdramas.
Biozart, geschweige die Schöpser seiuerer lyrischer
oder komischer Operu, müsseu zurüeksteheu. Liegt das
am Schwiudeu des iutimeu Biusiksiuues überhaupt?
Mohl kaum. Biau kauu z. B. iu Dresden leicht er--
lebeu, daß Lreitags das ^ymphouiekouzert der Rgl.
bkapelle, weuu diese uur k^apdu, Biozart uud Gade
spielt, übersüllt ist bis aus deu letzteu j?latz uud daß

der Figaro Tags daraus im bchstheater halb leer

bleibt. Das muß eiueu Gruud habeu. wahrscheiu-
lich zieht das Dertraueu iu die uubediugt meisterhasteu
Leistuugeu der Röniglicheu Äapelle das j?ublikum ius
Ronzert, uud ebeuso wahrscheiulich ist mau gegeu die
Vollkommeuheit eiuer Ligaro-Aussührung im üostheater
mißtrauisch uud läßt sie uubesucht. bsieruach wäre
zuzugesteheu, daß das publikum sehr gut uuterrichtet
ist. Was die Güte der Symphonie uud der Oper-
aussühruugeu augeht, ist es so wie obeu bemerkt.
Umschriebeu würde also die Beobachtuug lauteu: die
Uapelle spielt Biozart vollkommeu, die Säugsr im
Theater singen ihu uicht vollkommeu. Danüt läge nuu
klar, daß die Aäuger Schuld wäreu am Niedergaug
der ältereu Oper. Deuu wie mit Ulozart geht es
auch mit Rossiui, auch mit Boildieu usw.

Uud deunoch kauu mau deu Säugeru keiueu be-
soudereu Borwurs macheu, daß sie sust das siugeu,
was das j)ublikum zu höreu wüuscht. ^eitdem die
Säuger der großeu Luugeu, seitdem die waguer-
sänger doppelt so hoch bezahlt werdeu, wie kehlsertige
Gesaugsküustler, dräugt alles zum wagnerscheu Aiusik-

drama. Die Gesaugskuust zu erlerueu, lohut ja
uicht mehr, sie wird kaum bezahlt. Wagner bei
seiueu tiefidealeu Biusikdichtuugen hat gauz recht ge-
thau, au deu Ruustgesaug uicht zu denkeu. Ihm
uützte uur das Gesaugspathos, die musikalische
Deklamatiou. Aber waguer hat uur für seiue
Richtuug, die er für die höchste halteu mußte, aus
deu verzierteu Gesaug verzichtet. Au sich schätzte er
jedes Aöuueu sehr hoch. wäre waguer lebeu ge-
bliebeu, so hätte er, sobald er seine j?riuzipieu sestge-
stellt uud seiue Nichtuug vor jZrrtümeru gesichert
hatte, seiu reiches wisseu uud Röuuen auch audereu
Nichtungeu uud j?rinzipieu wieder zugewaudt. Tr
hat deu j?lau, iu Bayreuth Gluek, weber uud Alozart
zu pstegeu, iu seiueu gesauunelteu ^chrifteu mehrfach
gestreift. Lr starb wie die meisteu Genies im Ramps
— deu Lriedeu hat er uicht erlebt. So weuig aber
eiue Gemäldegalerie, welche iu deu reicheu Besitz von
Alakartscheu uud Szimieradskyscheu oder Böckliuschen
Bilderu gelaugte, deswegeu die werke eiues Rrauach
oder Guido Reui oder Leouardo da Diuoi mißachten
uud iu die Rumpelkammer stelleu würde, so weuig
würde mau, uach der außerordeutlicheu Bereicheruug'
der musikdramatischeu Literatur durch Nichard waguer,
mit früheren Bichtuugeu ausräumeu dürsen. waguer
war der letzte, der diesem Nadikalismus gehuldigt
habeu würde. Nur der Uuverstaud glaubte das
frühere ausschließeu zu dürfeu, der Uuverstaud uud
die Bequemlichkeit; deuu wie eiugaugs bemerkt:
durste mau Ukozart uud Nossiui uuausgeführt lasseu,
dauu brauchte es keiuer großeu Gesaugsstudieu mehr,
der weg zu hoheu Bühuengehalteu war weseutlich
verkürzt.

Leruten die Sänger uuu aber weuiger,
weil das publikum es uicht besser oer-
laugte, oder verlangte dasj?ublikum nichts


— 209 —
 
Annotationen