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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

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Heft 20
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Bernburg, Ed. A.: Unsere Gartenkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0312

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geduldeten Bürger, dem „Bekanntmachungen" und
„Berbote" an jedem zehnten Baume uoch recht ins
Gemüt führten, daß er in ihnen nur geduldet sei —
fehlte in diesen dem zugelassenen Bürger nicht gerade
das, was die Hauptlust für den Gartenbesitzer sei:
das Necht, selber darin zu arbeiten, selber mitzuwirken
am Ganzen, und so gewissermaßen selber Bütarbeiter
der Natur und Bütkünstler zu sein?

F>prechen wir ernsthast: wir kommen auf dem
jetzigen wege in der That nicht weit. Sollen die
Gaben der Gartenkunst nicht mehr und mehr einem
Nlonopol der jAutokratie unterstellt werden, soll die
Gartenkunst die außerordentlichen Ausgaben, die ihr
gerade die sozialen Verhältnisse der Gegenwart stellen,
wirklich ersüllen, oder ihrer Lrfüllung doch wenigstens
zustreben, dann geht es aus dem jetzt eingeschlagenen
Wege nicht weiter. Dann gilt es vor allem, nüt
einem großmächtigen Zrrtum zu brechen, der die
Gartenkünstler und das j)ublikum unserer Zeit be-
fangen hält: mit dem Zrrtum, daß die Garten-
kunst eine sreie Runst sei.

Sie ist das so wenig oder, wenn man will, sie ist
ist das nur in dem Änne, wie es auch die Baukunst
ist oder das Aunsthandwerk. Auch die Architektur
oder das Aunstgewerbe schafft ja Gebilde genng, in
denen hundert Mal mehr chchönheit und Wert steckt,
als zur dürstigen Lrsüllung des Zwecks unumgäng-
lich nötig wäre: aber brauchbar zu irgend einein
Zwecke sind seine Gaben und chchöpfungen, nnd kein
Baumeister oder Aunsthandwerker schämt sich dessen
— er rühmt sich vielmehr und rühmt sich mit vollstem
Nechte, wenn seine Arbeit stilgemäß Zweck und Ge-
brauch klar erkennen läßt. Unsere Gartenkünstler hin-
gegen setzen sich selbst, während sie sich zu erhöhen
glauben, nur herab, wenn sie das Nützliche, Zweck-
mäßige, Braxrchbare aus ihren Gebilden ausscheiden
wollen, da sie reine Aunst im engsten F>inne ja doch
einmal schon deshalb nicht bieten können, weil ihre
Schöpfungen sich fortwährend verändern.

Gelänge es, unsere Akaßgebenden von der wahr-
heit des eben Gesagten zu überzeugen, so böten
sich ganz neue, weite und schöne Aussichten in die
Zukunst des Gartenbaus. Der Garten fände dann
gleichsam einen goldenen Boden im köandwerk. Durch
das bsereinziehen des Nutzbaus, der von den Garten-
künstlern so verachteten „Arauterei", würde dem Garten
die Aköglichkeit geschaffen, sich selber zu erhalten.

5o wenig aber wie das Nunsthandwerk bei einem
volke wirklich blüht, so lange es nur einzelne Luxus-
geräte schafft, während tausend entschieden häßliche
Dinge neben den hundert hübschen täglich hervorge-
bracht werden, so gewiß, wie es erst dann in der
That wohlgedeiht, wenn auch das billigste j)feunig-
stück immer noch eine schöne Form zeigt, die ja nicht
mehr kostet als eine häßliche — so gewiß wird anch
die Gartenkunst erst dann einmal blühen, wenn sie
„allgemein ist, wie's Sonnenlicht". Zch bitte die
Herren Gartenkünstler und die Lserren jDhilister, sich
nicht zu entsetzen: die Blüte der Gartenkunst bedeutet
in der That, wie ich einmal einen andern sagen hörte,
geradezu uach dem Ackerbauzeitalter ein Gartenbau-
zeitalter.

Wir mögen's bedauern, so viel wir wollen, wir
mögen uns noch so herzlich nach früheren Zeiten zu-

rücksehnen, wir ändern es nicht, daß die Rultur mehr ^
und mehr durch die Urwüchsigkeit der wälder und
Berge zieht und manch herrliches Fleckchen welt ver-
häßlicht und vernüchtert. Das wachsen des Wenschen-
geschlechts verlangt's, und so geschieht es. Tben weil
sich dieser vorgang nicht aushalten läßt, und weil wir
Wenschen doch andererseits den traulichen verkehr
mit der frisch grünenden Natur aus die Dauer nicht
ohne eigenen chchaden entbehren können — eben des-
halb sollten wir eine unvergleichlich allgemeinere
Mege der Gartenkunst als ein schönes, wennschon
noch sernes Ziel erstreben — und hinwirken daraus,
daß ein Bedürfnis, das hier vorhanden ist, auch als
Bedürfnis empsunden werde. Ulan bedenke, welche
riesengroße Ukenge von Arbeitskrast dem Gartenbau
gewonnen würde, wenn jeder heranwachsende oder er-
wachsene Atädter auch nur eine F>tunde täglich zur
eigenen Trholung ihm widmen würde, man be-
denke, was Alles sich schaffen ließe mit dieser ver-
größerung der zur Versügung stehenden Rräfte!
wir sind übrigens in der angedeuteten Nichtung
weiter zurück, als mauches andere Land. Zst doch
z. B. das hohe Lebensalter der pariser Gelehrten-
und Rünstlerwelt daraus zurückgesührt worden, daß
diese wlänner neben ihren k^äusern in der Umgebung
von jdaris gewöhnlich den Garten haben, in dem
sie selbst arbeiten. Von Lngland nicht zu sprechen,
wo in vieler Beziehung die Verhältnisse besser, in
mancher, durch den aus die Spitze getriebenen Gegen-
satz von Neich und Arm, aber sreilich womöglich
noch schwieriger liegen als bei uns. Menschenfreunde,
die ein Rapital in den Dienst von Zdeen stellten,
so in der Nähe der Ziele liegen, die wir erstreben
sollten, hat es ja auch bei uns in Deutschland ge-
geben — ich erinnere an jene Leipziger Stiftung,
die dem kleinen wlanne den Genuß an der Mege
eines eigenen Gärtchens ermöglicht. Zm Großen
aber könnte erst geschaffen werden, wenn man be-
gönne, nicht blos das enge chtück zu betrachten, das
Zaun oder Nlauer (brauchten wir doch keines von
beiden!) umhegt, sondern das Ganze.

Um statt der jetzigen Trennung der gesamten
Gärtnerei in eine nur ans Bedürsnis denkende >
„praktische" und in eine reine „Luxus"-Gärtnerei
eine innige verbindung von 5chönheit und Nützlich-
keit anch auf diesem Gebiete zu erreichen, wäre
allerdings u. A. eine ganz andere vorbildung dcr
„Runstgärtner" notwendig, als die jetzt gewollt ganz
und gar einseitige. Leute, welche vom praklischen
Gemüse- und Obstbau usw. so gut wie gar nichts
verstehen, werden ja nicht geeignet sein, ihn zu
färdern und noch dazu s o, daß sie zugleich Zweck-
mäßiges und F>chönes erreichen. Nlan müßte ver-
langen, daß die bserren nicht bloß auf den erstrebten Aka-
demien die „Runst", sondern auch von der j)ike aus das
„biandwerk" lernten. Zudem sind Spezialisten immer
leichter zu finden, als „Harmonisten", Lsarmonisten
meine ich, welche ihre Liebe zur Harmonie nicht blos
nnt dem N'lunde preisen, sondern durch die That be-
zeugen — solche aber, und wahrlich tüchtige, brauchte
es, um das werk zu sördern, von dem wir sprechen.

Dämmert einmal ein solches Gartenbauzeitalter
heraus, in dem jeder, der es haben will, sein Stück-
chen mütterlicher Lrde zur eigenen pflege hat, daß

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