Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 2.1888-1889

DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:
Köberle, Georg: Die Theater-Agenten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11724#0328

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ist entworfen nach der Mirklichkeit im Bretter-Reiche.
wer je Gelegenheit hatte, den Theater-Agenten und
den mir ihnen verbündeten Zeitungsredaktionen in die
Rarten zu blicken, der wird es zugeben, das Abbild
gleicht dem Vorbilde.

In noch häßlicherer Gestalt erscheint das Gemälde,
wenu man die Größe der Geldsummen erwägt, welche
den Bühnen-Angehörigen zu Gunsten solch einer heil-
losen wirtschaft alljährlich verloren gehen. Abgesehen
von den bBinkel-Agenten, bestehen gegenwärtig in
Deutschland und Deutsch-Gesterreich zweiundfünfzig
größere Theater - Agenturen. Nur weuige davon
haben eineu jährlichen Tiirnahmenstand unter fünf-
zehntausend RMrk, die meisten weit darüber, einige
sogar das vier- bis Sechsfache. Nimmt man als
Durchschnittszahl die Ziffer fünfzehntauseud an, welche
zuverlässig vie! zu uiedrig gegriffen ist, so ergiebt sich
als Gesammt-Tinnahme die Summe von fünfmal-
hundertundachtigtausend Mark, um welche die Bühnen-
Angehörigen von den Theater-Agenten alljährlich
ärmer gemacht werden.

Und dein ließe sich durch Nichts steuern? Diese
blutegelartigeu Schröpsungen wären wirklich eine „den
Theatern unentbehrliche Notwendigkeit" ? Gewiß nur
so lange, als es an einer Tinrichtung fehlt, durch
welche das, was die Agenturen so theuer und so
hinkend besorgen, wohlfeiler und besser besorgt wird.
Und eine solche Tinrichtung, zu welcher die am schwie-
rigsten zu gewiunende Grundlage bereits in der „Ge-
nossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger" vorhanden
ist, wäre so leicht zu schaffen, daß es vielleicht nur
eiues kräftigen Anstoßes bedarf, um sie in nicht ferner
Zukunft verwirklicht zu sehen.

Die „Genossenschast deutscher Bühnen-Angehöriger",
welche durch Selbsthilfe bereits hocherfreuliche Trfolge
iu der Daseins-Sicherung invalid werdender Utit-
glieder erruugen hat, dehne ihre Thätigkeit auch auf
die Wahrung des wohlergehens der noch in frischer
Uraft wirkenden Uünstler aus! Uüt andern Morten:
sie gründe ein eigenes Auskunfts- und Lngagements-
Nermittelungs-Amt. Uiehr als irgend eine einzelne
person oder als irgend eiu anderer Verein ist just
die „Genossenschaft" befähigt, sowohl den Bühnen-
leitern, wie auch den Stellensuchenden über alle hier
in Betracht kommenden Fragen stets zuverlässige Ant-
wort erteilen zu können: sie besitzt an fast sämtlichen
Bühnen „Lokal-Berbände", von dereu Vertrauensper-
sonen ihr in allen denkbaren Fällen leicht uud rasch
jede wünschenswerte Aufklärung erteilt werdeu kann.

Die Bühnenleiter, welche sich von den Agenten
bisher nur zu oft mit Zuweisung unbrauchbarer j?er-
sönlichkeiten belästigt und in Nerlegenheiteu gebracht
sahen, würden ohne Zweifel einer neuen besseren
Lezugsquelle gern sich zuwenden; und ebenso hätte
der wahrhaft leistungsfähige Teil des 5-chauspieler-
standes einen zweifachen Grund, für die Dermittelung
seiner geschästlichen Angelegenheiten das amtliche Bü-
reau jedec audern Agentur weit vorzuziehen: er sähe
sich dadurch einer Blutsteuer entlastet und gewönne
überdies zum miudesten doch die Wahrscheinlichkeit,
künftig nach Awßgabe seiner wirklichen Fähigkeiten
gefördert und gestellt zu werdeu. Auch würdeu daraus
noch zwei andere vorteile von großer Tragweite ent-
springen: die Tinschmuggelung vollständig talentloser

Leute wäre nun, da sich die Tngagements nicht mit
Banknoten erkaufen oder erschleicheu ließen, unmöglich
gemacht, sowie voraussichtlich auch das in Bälde ohne
ehrenwerte Rundschaft dastehende heutige Agenten-
wesen überhaupt. Damit entffele zugleich weuigstens
einer von den Anlässen, aus welchen sich das Schau-
spieler-j?roletariat so erschreckend mehrt. Auch er-
wüchse für das von der Genossenschaft zunächst an-
gestrebte Ziel eine nicht zu unterschätzende Lörderung.
Die Rköglichkeit, allen Bühnen-Angehörigen für das
Alter eine ansreichende Dersorgung sichern zu können,
hängt hauptsächlich vom recht zahlreicheu Beitritt zur
Geuosseuschaft ab. Leider aber blieben die schönen
Genossenschaftsbestrebungen bisher noch von so
Awnchem unverstanden. Der Nutzen, welchen ein
amtliches ^tellen-Bermittelungsbüreau allen sofort
eintrüge, wäre zur Nläruug bedauerlicher Attßver-
stäuduisse ein selbst dem Beschränktesteu einleuchtendes,
schlagendes ur»umeutum ucl üomiuem, vnd man könnte
dann einen massenhaftern Beitritt um so mehr er-
hoffen, als vielen just wegen ihrer hohen Abgaben
an die Agenten bisher der verhältnismäßig sehr kleine
Zahresbeitrag an die Genossenschast schwer erschwing-
bar geworden ist. Der zehnte Teil der Summen, die
sie sich bisher von den Agenteu abpressen ließen,
würde künftig zur Negeluug uicht bloß ihrer Tnga-
gements-Angelegenheiten, sondern auch zur Sicherung
eines sorgenlosen Alters genügen.

!Nan wende nicht ein, daß die Ausführung meines
vorschlages auf finanzielle kchndernisse stoßen und die
Genossenschaft mit drückenden Auslagen belasten könnte.
Diese Besorgnis wäre schon von dem Augenblicke an
gegenstandslos geworden, in welchem die Bühnen-
Dorstände sich entschlosseu hätten, künftig, sofern sie
nicht unmittelbar mit den Rünstlern abschließen, ihre
jDersonallücken durch das amtliche Büreau zu decken.
Bei dem masseuhaften Lngagementswechsel in der
Theaterwelt würde schon eine ganz kleine Taxe für
jeden neu abgeschloffenen Bertrag genügen, um dem
Büreau eine Linnahmen-Guelle zu sichern, aus welcher
die Betriebskosten und die Besoldungen der angestellten
Leamten reichlichst gedeckt werden könnten. Nnd
schwerlich würde irgend ein Theatermitglied Nechnungs-
stümper genug sein, um künstig nicht lieber an das
offizielle Büreau die jeweilige kleine Taxe, als an
einen Agenten die fortlaufenden hohen j?rozente zu
zahlen.

Die mannigfachen vorteile, welche von der Ab-
schaffung der j?rivat-Agenturen und von dem an ihrer
F>telle hiermit beantragten amtlichen Znstitut zu er-
hoffen ständen, springen so klar in die Augen, daß ich
jedes weitere wort hierüber für überflüssig halten
darf. Ts gilt hier eine reformatorische That zu
vollziehen, die nicht bloß so manches verborgene
Nünstler-Tlend mildern, sondern auch in hohem Grade
segensreich für die Bühnenkunst wirken würde. Das
neue Büreau könnte, wenn es entsprechend organisirt
und parteilos von fachkundiger bsand geleitet wird,
zu einer weittragenden Neinigung der so düstern The-
aterluft wesentlich beitragen und würde sich in den
weitern Folgen auch nutzbringend für die Theater-
Nassen erweisen. Solch ein Bürean bildet ein Glied
in der Nette jener Neformen, deren Notwendigkeit
nachzuweisen ich schon in einem früheren Aufsatz ver-
 
Annotationen