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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1917)
DOI Artikel:
Barkow, Johannes: Die reinen Toren und ihr Beruf, [1]
DOI Artikel:
Polenske, Karl: Sackgassen in der Zielrichtung: zur Bodenreform
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0030

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sagen; aber eine Anfechtung und ein Fehltritt mögen wohl nötig sein, damit
er das Ideal erst recht lieb gewinne. Der reine Tor! Aber auch: welch
glücklicher Tor! I. Barkow

<Schluß folgt)

Sackgassen in der Zielrichtung

Zur Bodenreform

war ein ins Äberirdische hebender Blick: Aus nachtdunklen Gassen
R^auf die mondbeschimmerte Spitze eines gotischen Münsterturms! —
^^Als wir aber geradeaus liefen, um recht bald das ganze Wunder vor
Augen zu haben, da ging es mit einem Mal nicht weiter; es war eine
Sackgasse.

Unser Leben von heute ist noch voll von solchen Sackgassen aus alter
Zeit, aber leider entstehen sie gerade auch aus unserer Ausdruckskultur-
bewegung heraus noch immer wieder, und so oft, daß es sich doch wohl
lohnt, einmal an einem Beispiel das Wesen dieser höchst gefährlichen
Art des Steckenbleibens klarzumachen. Das Beispiel entnehme ich der
rechtspolitischen Ausdruckskulturbewegung, und zwar demjenigen Teil von
ihr, der als Bodenreformbewegung heut in so vieler Herzen ist.

Ihr Ziel, ihr Münsterturm, ist, den deutschen Boden unter ein
Recht zu stellen, das seinen Gebrauch als Werk- und Wohnstätte sördert
und jeden gemeinschaftswidrigen Mißbrauch mit ihm ausschließt; das Ge-
bäude, auf dem allein dieser Turm ruhen kann, ist eine Gesetzgebung,
durch die die reine Bodenrente als ein Erzeugnis nicht des einzelnen
Grundstücksbesitzers, sondern der gesamten werktätigen Bevölkerung der
Verfügung des Einzelnen entzogen und der Gesamtheit zugeführt wird;
die frohe Botschaft aber — in Wirtschaftsdingen —, die von diesem
Münster ausgeht, lautet: Iede Arbeit wird ihrem Arbeiter wieder den
vollen Lohn und jedes Kapital wird seinem Besitzer wieder die volle Frucht
bringen, niemand aber wird mehr zu ungerechtfertigten Abgaben an
die Drohnen und Wucherer des heutigen Bodenunrechts verurteilt sein.

Nun bitte zu einer Sackgasse, die in dieser Zielrichtung liegt! Man
kennt die Spar- und Bauvereine. Ich besuchte neulich einen, der
in ganz besonderer Blüte steht. Eine entzückende Gartenstadt ist ent-
standen, in der kleine Beamte und Gewerbetreibende gut, gesund, dauernd
billig und, wenn sie ihre Verpflichtungen erfüllen, sogar unkündbar wohnen.
Von Zeit zu Zeit findet eine Besichtigung statt. Dann wird erzählt, wie
alles so hat kommen können und hierbei wird niemals vergessen, im rechten
Augenblick aller Augen auf unsre schöne bodenreformerische Münsterturm-
spitze hinzulenken: „Alles das, was die Bodenreformbewegung dereinst
für das ganze deutsche Volk schaffen wird, das haben wir hier im
kleinen; im Rahmen unsrer Genossenschaft ist der Boden bereits voll und
ganz unter ein Recht gestellt, das" usw.

Herrlich! Also dann weiter auf diesem Weg! Aber er führt nicht zum
Ziel. Warum nicht? Weil diese ganzen Veranstaltungen nicht auf freiem
Spiel wirtschaftlicher Kräfte, auf gleichwertiger Leistung und Gegenleistung
beruhen, sondern auf einer Ausschaltung des freien Wettbewerbs, im
letzten Grunde auf offener oder versteckter Schenkung. Offene Schenkung
ist es zum Beispiel, wenn ein Gönner oder, was häufiger ist, Gemeinde
oder Staat den Boden zu einem viel billigeren Preise hergegeben haben,

<6
 
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