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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Tönjes, Max A.: Vom amerikanischen Sportgeheimnis
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0326

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als in den weniger bemittelten, in denen auch die englische Kranlheit noch
heute verheerend wirkt. Sodann sind die Studenten usw. auch in der Lage,
dem Körper während des Trainings die unbedingt erforderliche Ruhe zu
geben. Wer nicht ausgeruht und frisch zum Training kommt, wird eher
Schaden als Nutzen davon haben. Natürlich ist Enthaltsamkeit vom Alkohol
und überhaupt mäßiges und gesundes Leben Voraussetzung fürjeden inten«
siven Sportbetrieb. Diese Kreise in ganz anderem Maße als bisher
für den Sport zu gewinnen, muß sich der Reichsausschuß für Olympische
Spiele angelegen sein lassen, wenn er mit guten Aussichten in den fried«
lichen Kampf von hineingehen will.

Das ist das eine Geheimnis der Amerikaner, das die deutsche Studien-
kommission gelüftet hat. Viel wichtiger ist aber das andere, nämlich
die Fürsorge der Gemeinden und Behörden für die
Iugend. Man bedenke, daß beispielsweise Boston neunundvierzig große
Spiel- und Sportplätze hat, von denen vierzig eine sportgerechte Aschen»
laufbahn besitzen, daß in Chicago den zweiundvierzig Geviertmeilen Wohn-
fläche sieben Geviertmeilen Spielflächen gegenüberstehen; man bedenke,
daß diese Plätze mit allen nur wünschenswerten Einrichtungen wie
Schwimmbassins, Turnhallen, Duschen usw. ausgestattet sind und dank
der Opferfreudigkeit von Behörden und Privaten nebst den besoldeten
Sportlehrern den Sportleuten kostenfrei zur Verfügung stehn. Wenn man
sich diese fürsorglichen Einrichtungen vergegenwärtigt, so sind die ameri-
kanischen Erfolge kein Geheimnis mehr. Kümmerliche Spielplätze ohne
jede Einrichtung für den Sport gibt es bei uns; die Vereine müssen
noch Pachten für ihre Plätze zahlen, die sie auf ihre Kosten einzäunen, befesti-
gen, mit Laufbahn und mit Duschen und Umkleideräumen versehen müssen —
unter Opfern, die oft ihre Kräfte überschreiten. Daher kommt das bei uns
übliche unheilvolle und im höchsten Grade unsportliche System, daß die Ver-
eine wohl gar Sonntag für Sonntag irgend etwas auf ihren Plätzen zeigen
müssen, was Geld in die Kasse bringt, damit die Schulden bezahlt werden
können. Sport und Geschäft müssen bei uns in einer Weise verknüpft werden,
die dem Sport wahrhaftig nicht dienlich ist.

Auch hier und wohl hier am kräftigsten muß bei uns der tzebel ange-
setzt werden, wenn wir wirklich bei den Olympischen Spielen etwas er-
reichen, vor allem aber, wenn wir unser Volk vor den gesundheitsschädlichen
Folgen der großstädtischen Arbeit und Wohnweise bewahren wollen. Das
Geld für diese Zwecke wird an den Kosten für Armen- und Krankenhäuser,
Irrenanstalten, Gefängnissen und Zuchthäusern gespart werden. Dann muß
die Iugend in ganz anderem Maße für Sport- und Leibesübungen er-
zogen werden. In der Schule, auf den Universitäten, im Heer. Dann
werden wir im Sportleben nicht mehr vom „amerikanischen Geheimnis"
reden. Max A. Tönjes

Lose Blätter

Moderne Humoresken

>^s ist seltsam: unter den bildenden Künstlern gibt es keine großen
I^Karikaturisten, die das Karikaturzeichnen nicht auch als Beruf
^^betrieben, die großen „ernsten" Maler sind samt und sonders keine.
Ia: es gibt in der Gegenwart kaum irgendeine genial gezeichnete Karikatur,

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