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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1914)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Ein deutsches Kulturprogramm
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Roloff, Luise: Cecilienhilfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0220

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die Religion) angewandte Wissenschaft, bei Fichte die Wissenschaft ange-
wandte Ethik (und Religion). Doch wäre das insofern nicht im Sinn
Fichtes, als er eine andre als ethische Wissenschaft im Grunde gar nicht
zugibt: Wirkliches Wissen könne man nur von dem alles Leben erst
zustandebringenden Trieb haben, der sich in Wollen und Sollen zerlegt,
und der das geistige Leben in uns, welches Erkenntnis will, überhaupt erst
schafft. Daß wir — auch wenn wir diese Anschauung teilen — den Aus--
druck „Wissen" anders zu gebrauchen uns gewöhnt haben (was an der
Sache nichts ändert) wurde schon gesagt. Wir müssen aber überhaupt
die besondere und sehr in die Tiefe führende Fichtesche Mystik, die sich an
dieser Stelle auftut, hier dahingestellt sein lassen. Wer sie — und damit
den tieferen Zusammenhang alles Fichteschen Denkens — eingehend kennen
lernen will, lese seine „Seligkeitslehre" und dazu Fritz Gogartens eben
erschienenes Buch „Fichte als religiöser Denker« (Iena, Diederichs).

Dahingestellt soll aber auch, um es nochmals zu sagen, die Berechtigung
von alledem bleiben, was Fichte den Deutschen in einer Stunde tiefster
nationaler Erniedrigung nachrühmte, um ihre Notwendigkeit im Haushalt
der Völker zu erweisen. Er sah das Volk, wie es sein mußte, um uner-
setzbaren Wert zu haben; er sah das Ideal seines Volkes — das Volk, an
das er glaubte, zu einer Zeit, als man nicht sah. Aber eben dies ist der
Wert dieser Darstellung, das, was sie zu einem Programm für unsre Zu-
kunft macht.

Soll mir noch ein kurzes persönliches Wort erlaubt sein, so wäre es
dieses: Ich las diese Reden — etwa die ersten neun oder zehn — in erster
Iugend. Ich weiß, daß ich einen überstarken Eindruck von ihnen hatte.
Aber nach einem psychologischen Gesetz, das öfter wirksam ist, als man
zu glauben geneigt ist, traten in meiner Erinnerung steigend die Momente
hervor, die meinen Widerspruch hervorgerufen hatten, so daß ich das
Buch aus eignem Antrieb kaum wieder vorgenommen hätte. Nun ich es
nach mehr als einem viertel Iahrhundert auf einen Anlaß von außen
lese, bin ich betroffen, wie stark ich mit allen meinen Gedanken in diesem
Buche wurzele. Ich entnehme daraus, daß es trotz der unleugbaren
Schwerverständlichkeit vieler Aussührungen doch schon auf die erwachsene
Iugend starke Einflüsse auszuüben vermag. Veraltet ist von dem, was
nicht nur auf seine Zeit geht, nichts, sind nicht einmal seine pädagogischen
Auseinandersetzungen. Bonus

Ceeilienhilfe

Es gibt nur eine Heilung allgemeinen Elends: allgemeine
Erziehung, die darauf gerichtet ist, die Menschen zum Nach-
denken zu bringen, sie barmherzig und gerecht zu machen.

Ruskin

^^m Sommer des abgelaufenen Iahres gingen durch die Tageszeitungen
^ ^Mitteilungen über eine „soziale Organisation«, die ihre Entstehung
^lder Anregung der Kronprinzessin verdanke und deshalb den Namen
„Cecilienhilfe" führen werde, und am 26. November berichteten die-
selben Zeitungen über eine Besprechung, die tags zuvor im Hause des
 
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