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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1914)
DOI Artikel:
Malzan, E.: Die Zukunft der Sozialpolitik
DOI Artikel:
Barkow, Johannes: Die reinen Toren und ihr Beruf, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0138

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wenig daran ändern. Die moderne Beamtenbewegung beweist zur Genüge,
daß auch das Treuverhältnis zwischen dem Staate und seinen Dienern
von ökonomischen Bedingungen abhängig ist. Im übrigen ist es eine
alte, immer wieder erprobte Ersahrung, daß Staatsbetriebe in der Regel
weniger zweckmäßig wirtschaften als private. Ein Land mit vorwiegend
staatlicher Produktion kann auf die Dauer nicht mit einem andern Schritt
halten, wo der private Unternehmungsgeist sich noch voll entfalten kann.
Ohne Frieden zwischen Arbeitern und Produktionsleitern in den Betrieben
ist keine fruchtbare Sozialpolitik möglich und jener Frieden kann nur
das Ergebnis einer direkten Verständigung zwischen den streitenden Par-
teien sein: ist ein solcher aber erst zustande gekommen, dann kann man
den Staat ruhig nach dem Vorschlage der verrufenen alten Manchester-
männer absetzen, um die Menschenökonomie braucht er sich dann ebensowenig
zu kümmern wie um die Warenökonomie; die Produktionsleiter werden
dann von selbst mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" das
organische Kapital in ihren Betrieben verwalten, das die Arbeiterschaft
vorstellt. E. Malzan

Die reinen Toren und ihr Beruf

(Schluß)

/-^v^eist seine Anlage auf einen Beruf hin? Wenn wir von den Zufällig-
^/B Hkeiten, die natürlich auch ihn in diesen oder jenen Erwerbszweig
drängen, absehen, und an seinen allgemeinen Beruf unter den Men-
schen denken, so können wir wohl aus seinen Eigenschaften schließen, daß ihm
die stille seelsorgerische, die erziehliche Tätigkeit am besten eignen muß. Ein
reiner Tor inmitten einer witzelnden, sich in Unzüchtigkeiten überbietenden
Schar wird vielleicht die Zielscheibe vieler übler Späße, gewiß aber auch der
Ausstrahler stiller Vorwürfe sein, an denen mancher, der sich mit fort-
reißen ließ, seine Scham wiederfindet. Er wird als der Vertreter des
Seelenadels zwischen ihnen stehen, der seinen Standpunkt nicht zur Ver-
handlung stellt, seine Perle nicht vor die Säue wirft, weil sich ihm von
selber versteht, daß das Sittliche keine Begrenzungen kennt. Sein sonniges
Auge, sein gütiger Mund werden Zeugnis genug sein, wes Geistes Kind
er ist und daß ihm bei seinem Wesen wohl ist. Er wird nicht not haben,
mündlich zu überzeugen, und trotzdem den schwachen, aber noch nicht ganz
verdorbenen Genossen stärken.

Hält seine Gegenwart so schon im größeren Kreise die Außerung des
Tierischen im Menschen in bestimmten Grenzen, so noch viel mehr in
der Zwiesprach und im Umgange mit Einzelnen. Hier ist er bald Herr
und Meister trotz seiner Bescheidenheit und oft ohne daß er sich dessen
bewußt würde. Sein Geist weht über der Aussprache. Da hat nichts
Zweideutiges einen Schlupfwinkel. Schlicht die Meinung, schlicht der
Ausdruck, ehrlich die Anerkennung oder Ablehnung. Der ganze Mensch
in jedem Gedanken. Iede tzeuchelei unwirksam. Die hellen Augen des
reinen Toren, seine verwunderten Fragen, seine naive Auffassung von
Verfänglichkeiten verhüten jedes Hinüberspielen auf schlüpfrigen Boden,
jede Aberwucherung durch das Selbstische. In dieser guten Luft ist aber
auch nichts sonst verpönt; ihm, dem Reinen, ist alles rein. Was den
Geist lebhaft beschäftigt, darf Gegenstand der Aussprache werden und
wird es auch. Da scheut sich der Iüngling nicht, seine Stimmungen zu

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