Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1914)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Artikel:
Unsre Bilder und Noten
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0286

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das ist's: Seit in Uranias Aug,
die tiefe,

Sich selber klare, blaue, stille, reine
Lichtflamm, ich selber still hinein-
gesehen,

Seitdem ruht dieses Aug mir in
der Tiefe,

Und ist in meinem Sein das ewig
Eine,

Lebt mir im Leben, sieht in meinem
Sehen. Fichte

Unsre Bilder und Noten

ist uns eine Freude, zum Fichte-Gedenktag unsern Freunden eine
l^gute Wiedergabe von Friedrich Burys Fichte-Bildnis mitgeben
^^zu können. Außer dem kraftvollen Schattenriß aus Goethes Besitz, den
wir über den Leitaufsatz dieses Heftes setzen, gibt es kein Bild von Fichte,
das sich mit dieser bisher so gut wie unbekannten Zeichnung vergleichen
könnte. Das Original ward weiteren Kreisen zuerst aus der Breslauer
Iahrhundert-Ausstellung bekannt, dann hat es Professor Bauch erworben
und der Universität Iena geschenkt, zu deren hellsten Leuchten Fichte ja
gehört hat. Es dürfte um j800 entstanden sein. Die Aufnahme ist vom
Photographen Alfred Bischofs in Iena.

Von den vier Kinderköpfen Michelangelos, Höhenschöpfungen aller-
ersten Ranges, wird in einem Rundschaubeitrage gesprochen. Der hinter
das Heft als erster gesetzte Kopf ist der eines der Engel des Iesaias.

Der Prophet hatte gelesen und sann darüber, da sanken ihm die Lider,

jetzt, der Knabe versteht's, geschieht es: daß Iesaias mit dem inneren
Auge den Herrn sieht. Ioel, der Chronist, liest (unweit dem Sündflut-
bilde!) die Rolle, die der Geist durch ihn selber geschrieben hat, und
jetzt erst erfaßt er, schaudernd, ihren Sinn. Der Knabe liest mit, ohne

daß sein Kindergesicht recht verstände. Die beiden andern Köpfe gehören

zu Hesekiel. Es scheint, der glühende Alte sieht wie bei Dante mit
Wind, Wolken und Feuer die Evangelisten nahen.

^Änsre Notenbeilage zeigt den für das jüngste Kaiser-Wettsingen in
^Frankfurt am Main komponierten und als „Preischor" gewählten
Chor von Friedrich Hegar, doch nicht so, wie er bei jenem Feste
als Prüfungsaufgabe verwendet wurde, sondern in seiner ursprünglichen,
vom Komponisten eingereichten Fassung. Diese Gestalt ist reicher und in
sich logischer als die auf Wunsch des Kaisers nachträglich vorgenommene
Kürzung, und man kann es begreifen, daß der Autor auch sie der
Sffentlichkeit vorzulegen wünschte. Hegar, der Altmeister der Schweiz
auf dem Gebiet des Männergesanges, den er gefördert und veredelt
hat, ein unerreichtes Vorbild, mutet in diesem Chor den Sängern aller-
dings nicht geringe Schwierigkeiten zu. Dafür ist aber das Werk auch
keines der landläufigen Produkte musikalischer Hurrabegeisterung, son-
dern eine vornehme Tondichtung. Den kraftvollen, stark rhythmisierten
Worten Adolf Freys hat der Musiker überzeugende Töne geliehen. In
dem Patriotismus der beiden lebt etwas von dem Geist der großen Zeit,
die den Deutschen ihre ersten Männerchöre gab. So paßt dieser Chor
wohl in ein Heft, das einem der bedeutendsten Männer jener Epoche
gewidmet ist, und wird gewiß unsern Lesern zum Vergleich mit der zuerst
bekannt gewordenen Fassung oder zur Kenntnisnahme willkommen sein. L. S.

2H7
 
Annotationen