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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Gulbransson
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0307

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Gulbransson

hat keinen Sinn für Humor." Wie oft sprechen wir das schnell hin

sind wir uns dessen bewußt, was es eigentlich besagt? Das be-
^ ^^sagt es: ihm fehlt die Möglichkeit, auf einfachste Weise die Miß-
klänge der Welt versöhnt zu hören. Wer ihn nun „hat", diesen „Sinn",
dem wird es schwer, diejenigen zu verstehen, die ihn nicht haben. Lr
glaubt eben, daß die andern die Welt so sehen, wie er, er kann sich nicht
vorstellen, daß sie verletzt sind, wo er sich erheitert, daß sie beleidigt
sind, wo er sich lustig geneckt fühlt, daß sie an dem körperlich Häßlichen,
Niedrigen hasten bleiben, welches ihm nur als die irdische Abstoßstelle beim
Sprung in die Höhe geistiger Heiterkeit erscheint. Womit ganz und gar
nicht gesagt werden soll, daß jeder Witz, jede Satire tzumor gebe und
also wenigstens auf jeden Empfänglichen so wirken müsse. Witz,
Satire, Ironie, Karikatur sind Sprachen, mit denen man Wahres und
Falsches, Vornehmes und Niederträchtiges sagen, schmeicheln und ver-
leumden kann. Aber wer ihre Sprache versteht, wird aus dem Gehörten
andres entnehmen, wie wer sie nicht versteht. Beispielsweise: er wird
das Mittel der ungeheuerlichen komischen Äbertreibung gerade als Kor-
rektur der vorgeblichen komischen Behauptung empfinden und er wird
erst recht nicht in den alltäglichen Fehler verfallen, eine derart mit
Scheinernst behauptete Einzelangabe ohne weiteres verallgemeinernd
als schwere Beleidigung eines ganzen Standes zu empfinden. Das
Deutschverstehn und Bilderinhalterfassen, die tun's da nicht. Wem Ohr
und Auge für die Obertöne der humoristischen Wort- oder Zeichen-
sprache versagen, der bleibt gegenüber komischen Aussprüchen und Bildern
so unsicher, wie einer, der deutsch vortrefflich versteht, vor einem chine-
sischen Vortrag. Vielleicht deutet er die Mimik und die Gesten des
Redners richtig, vielleicht auch nicht. Nur ist's in einer Beziehung
auch wieder gerade umgekehrt, wie dort. Denn bei Karikaturisten
liegt ja nichts im Was des Gesagten, liegt alles im Wie, liegt
alles gerade in der Gebärde, mit der sein Ich seine Stellung zur
Sache ausdrückt. Vielleicht vermittelt sie den Humor gerade durch schroffen
Widerspruch zu dem, was sie sagt. Sie schreibt nein, aber lesen mußt
du's wie ja.

Es ist bekannt, daß Komiker „im ^eben" oft Melancholiker sind, aber
wer ihre besondre Sprache gut lesen kann, der liest das dann auch aus
ihren „Produkten" heraus. Komik kann grausam grimmig und beißend
bitter sein. Es gibt aber auch welche, die der Trauernde gleichgültig
andern Leuten für ihr Lachen als Ware verkauft. Die Komik bleibt immer
bestehen dabei, das Menschenseelenbild tritt heiter oder auch ernst hinzu.
Bei Wilhelm Busch, um den Meistgenannten zu nennen, deutet es auf
einen recht beträchtlichen Zuschuß an Menschengeringschätzung, der zur
Resignation in diesem Punkte geführt hat, ein Gefallen an „Körper-
verletzungen" kommt hinzu. Bei Oberländer auf einen im Grunde
scheuen, gutherzigen Mann mit Behagen an menschlicher Harmlosigkeit
und Arger über menschliche Torheit. Bei Th. Th. Heine auf einen, der
ist, was man unzutreffend „boshaft" nennt, stechlustig und, ohne viel „Ge-
müt", verstandesscharf. Gulbransson nun ist vor allem und ist ausnahmelos
liebenswürdig. Wer nur den Inhalt seiner Darstellungen, nur ihre
Worte und Sätze erfaßt, wird eine Anmenge von Beleidigungen bei

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