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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Walzel, Oskar: Hermann Bang
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Buschmann, Johannes: Frauenerwerbsarbeit und Fortbildungsschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0320

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das verzerrte Bild des Toten so wirksam vor das innere Auge stellt, bis
der allzu Eindrucksfähige genau in derselben Lage tot hinfällt. In solchen
Grotesken überschlägt sich Bangs virtuose Augenkunst.

Grausarn genug verfährt Bang mit der Empfänglichkeit seiner Leser. Er
schwelgt manchmal in der Gabe, atembeklemmende Bilder zu entwerfen.
Allein ihm steht auch das Gegenteil zu Gebote: Zartes, rührend
Schwaches, selbstlose Aufopferung des eigenen Glücks, stilles Verzichten.
And wie er Leid auch da spüren läßt, wo derber Geartete fühllos bleiben,
so kann er doch auch wieder rauschende Festeslust, überschäumende Lebens--
freude verwirklichen. Das lustige und festesfrohe Dänemark kommt in
den Dichtungen nicht zu kurz, die dänisches Leben treffend genug schildern,
um den Ausländer auf dänischem Boden Schritt für Schritt die Welt
Bangs wiederfinden zu lassen. Nur daß sein fast überempfindliches sitt-
liches Gefühl und seine Angst um die Heimat, deren schwerste Schicksale
untrennbar mit Bangs ersten Eindrücken verflochten waren, jede Zeich--
nung dänischer Lebenslust in eine nicht immer ausgesprochene Mahnung, in
ein ernstes ^Mene tekel^ ausklingen lassen. Ich las einmal irgendwo, daß
Bang die letzten Folgerungen des ethischen Nihilismus ziehe, der seit
I. P. Iacobsen in Dänemark herrsche. Das ist grundfalsch! Aus banger
Liebe zur Heimat erhebt seine Dichtung warnend ihre Stimme und ver--
zeichnet Dänemarks Schwächen, um ein starkes Dänemark zu erziehen.

O. Walzel

Frauenerwerbsarbeit und Fortbildungsschule

enn man absieht von den ersten Anfängen der Fortbildungsschule,
^F V^die zunächst im wesentlichen weiter nichts war als eine Ergän-

zungs-- und Wiederholungsschule für die Anterrichtsstoffe der
Volksschule, dann tritt sie uns, etwa von der ersten HLlfte des neunzehnten
Iahrhunderts an, bald mehr bald weniger als eine Berufsschule entgegen.
And da die Ausübung von Erwerbsberufen zunächst und noch bis über
die Mitte des letzten Iahrhunderts hinaus fast ausschließlich Sache des
Mannes ist, so dient auch die Fortbildungsschule allein ihm. Dabei hat es
geraume Zeit gedauert, bis sich diefer Charakter als Berufsschule durch--
setzte. Das immer noch geltende sächsische Volksschulgesetz vom Iahre s873
kennt ihn zum Beispiel noch nicht; es formuliert die Aufgabe der Fort--
bildungsschule noch ganz im Sinne der alten Wiederholungsschule. Aller--
dings ist hier wie anderwärts das Leben längst über den Rahmen des
engen, starren Gesetzesparagraphen hinausgewachsen und hat im Grunde
genommen doch fast überall dem beruflichen Charakter der Fortbildungs--
schule zur Anerkennung verholfen. Schon aber meldet sich eine neue
Wandlung. In der Praxis langsam vorbereitet, ist in allen neueren Fort-
bildungsschulgesetzen, Erlassen, Lehrplänen usw. der meisten deutschen
Bundesstaaten diese neue Entwicklungsphase klar und deutlich formuliert.
Die Fortbildungsfchule bekommt neben dem berufskundlichen Unterrichts--
zentrum einen zweiten BrennpuNkt in der staatsbürgerlichen Erziehung.
Vielleicht kann man hier mit Necht ein Wiederanknüpfen an die älteste
Form der Fortbildungsschule erblicken, die einen wesentlichen Teil ihrer
Aufgabe im religiös-sittlichen Einfluß auf ihre Zöglinge sah. Auch staats--
bürgerliche Erziehung ist ja im Grunde genommen Einwirkung auf das
sittliche Bewußtsein und Charakterbildung. Nur daß eben das religiöse Mo--
ment dabei ausgeschaltet ist und an seine Stelle politisch-soziale Ziele treten»

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