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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1914)
DOI Artikel:
Grupe, Margot: Vom Einfluß der Frau auf das allgemeine Modebild
DOI Artikel:
Schlaikjer, Erich: Amerikanismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0131

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wie eine Familie sich gut zusammenstimmend kleiden kann, um nicht bunt,
aber auch nicht eintönig zu wirken. Wie selten zeigen zusammengehörige,
zusammenauftretende Menschen Harmonie oder auch nur gegenseitige Be-
rücksichtigung in ihrer Kleidung. Daß Schwestern sich gleich kleiden, ist
nicht etwa das Grundelement für Harmonie; daß sie alle Regenbogenfarben
wählen, auch nicht; daß sie hellblau und dunkelblau, hellrot und dunkelrot
nehmen, erst recht nicht. Da hilft kein Rezept und keine Theorie, das
muß erlebt und ausgeprobt sein. Vor allem müßte jede Schwester ihrem
Stil und einem gewissen Familienstil folgen, der sie alle zusammenhielte.

Von solchen Dingen hätte die Ausstellung manches bringen können.
Sie hätte auch mal neben der übereleganten, aber auch meist überladenen
und spinnewebenen Wäsche solche in festeren Stoffen mit neuartigen Hand-
verzierungen bringen können, die im Charakter anders als jene, sach-
gemäßer, haltbarer, aber nicht weniger anmutig hätte zu sein brauchen.
Welch Feld allein bietet die moderne weiße Batistbluse: einmal statt des
Durcheinanders von falschen Valenciennes- und Klöppelspihen mit Hand-
stickereien solche Blusen, die uns zwar nur eine Spitzenart zeigen, diese aber
gut und nicht von einem Stickereigeschnörkel umrankt, das gar nicht zum
Ganzen paßt. Ich könnte mir denken, daß manche Beschauerin durch gute
Beispiele darauf gekommen wäre, daß man innerhalb der Moderichtung
eine individuelle Erscheinung sein kann, wenn man eine eigene Note
hineinlegt. Um diese bis zu einem eigenen Stil zu treiben, muß man
erst den Stil und die Eigenart der eigenen Persönlichkeit kennen: dann
kann man sie mit der des nächsten Kreises in Einklang bringen.

Das wäre meiner Ansicht nach der Weg der Frau zur Einwirkung auf
das allgemeine Modebild. Bei sich selber muß sie beginnen, um durch
ihre Erscheinung Vertrauen in ihre Geschmacksauffassung zu gewinnen,
dann kommen unbewußter Einfluß und bewußter ganz von selbst.

Margot Grupe

Amerikanisnrus

^«^er amerikanische Staatssekretär Bryan tritt in einem Variets auf,
(^D^um als Gaukler unter Gauklern Ansprachen an das Publikum zu
halten. Diese Nachricht ist in der europäischen Presse nicht sehr
schmeichelhaft besprochen worden. Der Amerikanismus in dieser schneiden«
den Form ist vorläufig nur in Amerika selber heimisch.

Aber auch wir nehmen schon bedenklich viel von ihm herüber. Das
ist keinem fremd, der unser öffentliches Leben miterlebt. Ie klarer wir
aber die Gefahr erkennen, um so mehr Aussichten haben wir, ihr schließlich
doch noch zu entrinnen. Deshalb sollten wir versuchen, uns zunächst
einmal über den ästhetischen Begriff „Amerikanismus" klarer zu
werden, wenn wir auch bei diesem Worte einen Gefühlswert emp-
finden, der sich durch verstandesmäßige Erklärungen niemals restlos
wird erschöpfen lassen.

Es läge auf den ersten Blick nahe, im Amerikanismus eine skrupellose
Iagd nach dem Gold zu sehen, die über alle menschlichen Empfindungen
dahinrast. Ein Blick in das Leben der europäischen Völker belehrt uns
aber bald, daß eine derartige Erklärung viel zu weit gefaßt wäre. Die
Sucht nach dem Gold haftet dem Amerikanismus zwar an, macht sein be«
sonderes Wesen aber nicht aus. Die Inhaber von öffentlichen Häusern sind

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