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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI issue:
Heft 8 (2. Januarheft 1914)
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Grupe, Margot: Vom Einfluß der Frau auf das allgemeine Modebild
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0130

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für das Gesamtbild gar nicht das Wichtigste, auch nicht, ob jede Frau
jede Modeschwankung, jede Kleinigkeit mitmachte.

Wenn etwa ein Fremder die Frauenwelt einer Stadt beurteilen wollte,
so hinge der entscheidende Eindruck von ganz anderen Dingen ab. Er
könnte ein halbes Iahr auf See gewesen sein und nichts von Mode
wissen. Da würde sich ihm als erstes nicht aufdrängen, ob die Frauen
modern, sondern, ob sie gut gekleidet sind. Und das würde sich offen--
baren im guten Sitz und Schnitt ihrer Sachen, im Material, das sie
tragen, in der Einheitlichkeit des Grundgedankens ihrer Kleidung, im
Farbenreiz, in der Vermeidung von Äberladungen, kurz im Zusammew-
stimmen des Ganzen. Es ist eben so charakteristisch für das Gesamtbild
der Frauen einer Stadt, wie sich die Backfische, die Ladenfräulein, die
einkaufenden Köchinnen als wie sich die Modeköniginnen kleiden. Nach
dieser Auffassung würde ich sagen, daß etwa die Französinnen, die zum
Straßenbild von Paris gehören, sich trotz ihres unleugbaren Charmes in
der Kleidung nicht gut kleiden. Das Bestreben jedes kleinen Laufmädchens,
es den großen Modedamen nachzutun, bringt viel reizende kleine Straßen-
erscheinungen hervor; länger besehen, zeigt sich aber alles als Plunder
und Täuschung, Schäbigkeit und mangelnde Ordnung. Bewußtes Stil-
gefühl muß es verletzen, Frauen, die sonst als „Damen" auftreten, im
Regenwetter mit Samtschühchen zu Fuß zu sehen, deren überhohe, über-
schmale Äberabsätze zudem schies getreten sind. Die Französin läßt eben
ihr Leben für die Mode an sich, während die Engländerin bedeutend mehr
Stilgefühl hat und in ihrer Kleidungskultur uns viel besser Lehrmeisterin
sein kann.

Wer beruflich mit der Mode zu tun hat, ist leider häufig zu sehr ihr
Sklave. Liest man ein paar Modeberichte, so scheint die Mode eigentlich
nur für ein paar obere Tausend mit schönem Geldbeutel da. Wer nicht
einsieht, daß die mittleren Hunderttausende und die weiteren Millionen
andres brauchen als jene paar Tausend, der kann nicht viel mit seinen
Berichten nützen.

Auf der großen Frauenausstellung „Die Frau in Haus und Beruf"
hat die „Frau in der Mode" auch ihre Rolle gespielt, doch zeigte sie
damals nicht, daß die Frau eine Rolle in der Mode spielt. Treffen-
der wäre gewesen: „Die Mode der Frau" zu sagen; denn was die Aus-
stellung gab, war eine Kleiderschau für die Frau als Konsumentin, wie
jeder Laden sie bietet. Auch hier hätte der Einfluß der Frau stärker
hervortreten sollen, es hätte sogar gezeigt werden können, wo er über-
haupt einsetzen kann. Hier gab es zwei getrennte Lager, das eine zeigte
die elegante Mode, das andre das Reformkleid mit künstlerischem Einschlag.
Wieviel interessanter wäre gewesen, aus den beiden Lagern eins zu
machen, das den künstlerischen Einfluß der Frau innerhalb der Mode auf
gesundheitsgemäßer Grundlage zeigte! Da konnten auch wertvolle Ver-
suche gemacht werden, die der Zukunft gedient hätten. Versuche, die das
Modebild gezeigt hätten, wie es jetzt ist, mit den Abweichungen, die ein
künstlerisches Stilgefühl heute verlangen muß.

Der seit Iahren bekannte Reformschnitt mit dem wechselnden Kurbel-
stickerei-Ausputz kann uns keine neuen Anregungen mehr geben. Aber
ein Aufbau von farbig gut zusammengestimmten Gewändern, von Grup-
Pierungen, die Wirkungen verschiedener Kleider aufeinander gezeigt hätten,
wäre gewiß für manche Frau lehrreich gewesen. Man hätte zeigen können,
 
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