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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Gulbransson
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Schmidt, Leopold: Die Operette
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0311

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geistigung eben der Natur heraus. Wenu man bei irgendwem von komischer
Monumentalität sprechen kann, so hier.

Rnd nnn sieh, Leser, und wenn du magst, so lies noch die paar BegleiL-
worte zu Einzelnem im Bildertext. Dürfen wir es nicht Björnson und
dem Simplizissimus-Langen als ein ganz besonderes Verdienst anrechnen,
daß sie diesen Norweger bei uns eingebürgert haben? Sein Angesicht
sieht nicht sehr germanisch aus, eher nördlicher, aber seine Kunst ist
germanisch. wenn eine. Spricht man künftig von denen, die immer wieder
das Hin und Her, Beisammen und Ineinander der germanischen Kultur
Skandinaviens und Deutschlands trotz aller Gegensatze und Streitereien
belebt und erhalten haben, so wird man neben den Großen der nordischen
Literatur auch der ganz einzigartigen Lrscheinung Gulbranssons mit
warmer Freude gedenken dürfen. A

Die Operette

^2^arneval naht. Für einen Augenblick erhellt sich, ein wenig krampf-
U^haft, die nur zu trübe, sorgenschwere Physiognomie der ZeiL.
^^Kalendermäßig, doch weniger um alter Traditwnen willen — die ja
längst aus der Welt geschafft sind — als um einem tiefeingewurzelten,
berechtigten menschlichen Bedürfnis zu genügen. Einmal im Iahre —
selten genug! — wollen wir alle Sorgen und uns selber abschütteln
und unvernünftig sein. Wir heucheln nicht: unser Lebensernst ist un-
natürlich. Wir halten Umschau nach Bundesgenossen. Was bietet uns die
Kunst? Was die Musik? Es meldet sich der Tanz. Wir Aberreichen
haben die Tanzliteratur von Iahrhunderten. Uralte Rhythmen, die in
wechselnden Gestalten fortleben, den Straußschen Walzer, die Tänze der
Slawen, Magyaren und anderer Nationen. Was weiter? Das Lied.
Den fröhlichen, geselligen, bald übermütigen, bald finnigen Liederschatz
des Volkes. Und dann? Die Operette. Das heitere Bühnenspiel, in dem
Tanz und Lied sich die Hand reichen. Aber schon runzelt sich bedenklich
die Stirn. Ist unsere Operette wirklich noch der Born volkstümlicher Musik
im wahren Sinne des Wortes? Ist sie uoch die Spenderin von Freu-
den, deren sich auch der künstlerisch Empfindende nicht zu schämen braucht?
Die Erlebnisse vieler Iahre tauchen auf und erfüllen uns mit Verdruß
. und Lkel. Was ist aus dem Kind frohester Laune und genialer Daseins-
freude geworden! Das Cafshausorchester, der Nachfolger der seligen Dreh-
orgel schnalzt und wimmert. „Ia, das haben die Mädchen so gerne!"
Stumpfsinnig, ohne es recht zu wissen und zu wollen, johlt es eine über-
müdete Menge, die sich am Lärm aufstachelt, mit. Das ist unsere Lustig-
keit! Das ist unser Tanz, unser Lied! Prinz Karneval — man schreibt
ihm nicht umsonst fürstliche Abstammung zu — schaut sich verwundert
um. Man hat sich's oft und immer wieder eingestanden, in welches
Banausentum wir hineingeraten sind; aber man hat noch kaum ernstlich
nach den Nrsachen geforscht und das Elend in seinem ganzen Amfange
aufgedeckt. Karnevalstage sollten uns dazu anregen!

Wer sich über den Verfall der Operette und damit zugleich über die
Aufgaben der Zukunft klar werden will, braucht nur einen Blick auf
die geschichtliche Entwicklung zu werfen. Wie die Operette entstanden,
wie sie zu dem wurde, was sie gewesen und was sie heute ist, das gibt
auch den Aufschluß über den Gang dieser Entwicklung. Der Name stammt

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