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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1914)
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Roloff, Luise: Cecilienhilfe
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Wilhelm, Karl: Gutes aus dem Osten?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0223

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tage usw., die man unter dem Namen „Wohltätigkeitsfeste" kennt. In
einer Zeit, die erfüllt ist von sozialen Gedanken, zeigen sich gerade die
Kreise, die führen sollten, innerlich so wenig erfaßt von sozialen Pflichten,
haben sie so wenig die erziehliche Pflicht erkannt, die ihre be-
vorzugte Stellung ihnen zuweisen sollte. Sie glauben noch immer, einer
Verpflichtung zu genügen, wenn sie Veranstaltungen anregen oder sich
an ihnen beteiligen, die mit den Notständen, die sie angeblich beseitigen
sollen, nichts zu tun haben, als den Mitzbrauch eines Wortes. Was
wissen die jungen Damen, die rosengeschmückt ein Fest für „verschämte
Arme" und dergleichen besuchen, von deren Not? Nicht an ihr religiöses
Empfinden wendet man sich, nicht an ihr schwesterliches Mitgesühl, nicht
an ihre Barmherzigkeit, nicht an ihr Gefühl der Mitverantwort-
lichkeit, nicht an ihre Willigkeit zum persönlichen Opfer etwa in der
Versagung eines Wunsches, nicht an ihre Vertiefung in die ernsten Fragen
nach den Gründen der Notstände — nein: ihre Eitelkeit, ihre Putz- und
Vergnügungssucht, ihr Ehrgeiz, oft ihre Koketterie ist es, die man braucht.
Das Gefühl für die Anwahrhaftigkeit, die tzeuchelei, die darin liegt, datz
man sie zu „gutem Zweck" tanzen und flirten lätzt, wird völlig erstickt.
Die ernsten Frauen und Mädchen, welche die Not mit allen ihren
Ursachen und Folgen, die keineswegs in den meisten Fällen durch Geld
zu beseitigen ist, im inneren tzerzen nachfühlen, sieht man nicht bei
solchen Veranstaltungen. Hier dars man auch nicht die gewöhnliche Be-
schönigung gelten lassen, datz „die Menschen nun einmal so sind, datz sie
um der Sache willen das Geld nicht geben^ das man braucht". Der
Schaden, der dadurch angerichtet wird, datz man die Gedanken--
losigkeit, die Oberflächlichkeit immer aufs neue sördert, kann
nicht mit Geld gutgemacht werden; alles, was mit dem so gewonnenen
Geld geleistet wird, ist nicht schwerwiegend genug gegenüber der Sünde,
die an der Erziehung des Volkes zur sozialen Pflicht-
erfüllung begangen wird. Denn die allein, die soziale Pslichterfül-
lung allein kann eine Besserung aller Notstände, der sittlichen wie der
materiellen, herbeiführen.

Könnte nicht ein grotzes Werk ins Leben gerufen werden, das nur
getragen wäre von diesem Pflichtgefühl, das im Vertrauen auf seine
grotze Sache alle äußerlichen Hilfsmittel abwiese? Ist so wenig Verständnis
für rein sachliche, selbstlose Wohlfahrtsarbeit in unserm Volke, daß ein
solches Werk nicht aus Vertrauen und tatkräftige Unterstützung rechnen
dürfte? Es wäre unberechtigter Pessimismus, diese Frage zu verneinen.
Aber alle müssen dazu helfen, daß der Gedanke: Erziehung zum
Nachdenken, zur Vertiesung in die sozialen und sittlichen Bedürfnisse
der Zeit, zum tätigen Mithelfen die ganze Wohlfahrtsarbeit durchdringe
und aufräume mit den ihr anhastenden unethischen Begleiterscheinungen.
Erst dann wird sie imstande sein, dem „sittlichen und sozialen Nieder-
gang^ entgegenzuwirken, wie das die Cecilienhilfe anstrebt.

Luise Roloff

Gutes aus dem Osten?

an ist seit langem in Deutschland daran gewöhnt, Osteuropa als
einen Pfuhl von Minderwertigem anzusehen. Von Rußland,
Serbien, Bulgarien wissen viele nicht mehr, als daß es Länder
voll Korruption und Unreinlichkeit seien. Znm Teil geht diese An-

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