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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0351

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Der Schaffner hat den Tabak aufgeschnupft und schaut den Herrn vor-
wurfsvoll an.

„Den sollten S' aba scho kenna!" sagt er. „Der hat vier solchene
Büacha g'schrieb'n."

Er zeigt mit den Händen, wie dick die Bücher sind.

So . . . so?"

„Lauter Weltgeschüchte!"

„Ich bin nicht von hier", sagt der Herr und sieht jetzt mit sichtlichem
Respekte auf den Professor.

„Ah so! Nacha is 's was anders, wenn Sie net von hier san", er--
widert der Schaffner.

Er ösfnet die Türe.

„Universität!"

Professor Spengler steigt ab. Der Schaffner ist ihm behilflich; er gibt
acht, daß der alte Herr auf dem glatten Asphalt gut zu stehen kommt.
Dann klopft er ihm wohlwollend auf die Schulter.

„Soo, Herr Professa! Nur net gar z' fleißig!"

Er pseist, und es geht weiter.

Der Schaffner wendet sich nochmal an den Herrn:

„Alle Tag, punkt acht Uhr, fahrt dös alte Mannderl auf d' Universität.
Nix wia lauta Weltgeschüchte!"

In Berlin. Der Straßenwagen fährt durch den Tiergarten. Seitab
werden Bäume gefällt, und es ist ein sonderbarer Anblick, mitten in der
Großstadt Waldarbeit zu sehen.

Der Schaffner wendet sich an einen Herrn, der Ahnlichkeit mit dem
Kaiser hat. Die man in Norddeutschland so häufig trifft. Starkes Kinn.
Habyschnurrbart.

Der Schaffner sagt: „Das geht nun schon so vier Wochen."

Er deutet auf die Holzarbeiter.

Der Doppelgänger Kaiser Wilhelms schweigt.

„Wenn sie nur nich den ganzen Tiergarten umschlagen!" sagt der
Schafsner.

Keine Antwort.

Der Schaffner versucht es noch einmal.

„Den ganzen Tiergarten! Es wär doch jammerschade!"

Ietzt blickt ihn der Doppelgänger Kaiser Wilhelms an; strenge und ab-
weisend.

Und er sagt:

„Ich habe nicht die Absicht, mich mit Ihnen in eine Konversation
einzulassen." Ludwig Thoma

Vom Heute fürs Morgen

Karnevalgeist

-^o viel Iahre ich zurückdenken
>!^kann, so lange hab ich auch
davon gehört, daß man den südlichen
Karneval im Norden einführen
wolle. Wird's endlich mal? In

Dresden, beispielsweis, schien's die
letzten Iahre beinahe so, in Berlin
schien's nicht so. Es gibt ja auch
Stimmen, die den alteingesessenen
kölnischen als roh und dumm an--
klagen und sogar den Münchner als

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