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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 9 (1. Februarheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0260

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Vom Heute fürs Morgen

Gegen den AustritL aus der
Kirche

an ist wieder einmal weder
rechts noch links mit uns zu-
frieden, zur Linken ist man mit
nnserm Rat nicht einverstanden, in
der Kirche zu bleiben, zur Rechten
verstimmt es, daß wir dsn Beamten--
charakter der heutigen Kirche be-
tont haben. Man weist auf das
Bestreben so vieler Psarrer hin, die
Kirche wieder zu einem Wohnhaus
für unser Volk zu machen, den Spuk
des Bureaukratismus, der Tausende
abschreckt, zu bannen. Der Kunst--
wart ist in so vielen Pfarrhäusern
Gast und Freund, daß er aus hun--
dert Briefen die Gesinnung der
Pfarrer kennt, wie kann man glau--
ben, wir sähen in ihnen nur Be-
amte? Aber aus keinem Kreise
mehr als gerade aus dem der Geist-
lichen sind auch immer wieder zu
uns die Klagen übsr Beamtengeist
in den Kirchen, vor allem in der
preußischen Landeskirche, gekom-
men. Da arbeiten Hunderte und
Tausende von Pfarrern in selbstloser
Pflichterfüllung, und jeder, links
wie rechts, spricht mit Verehrung
von ihnen — aber man spricht von
ihnen als einzelnen Menschen,
woher kommt es, daß man in wei-
testen Kreisen ihre Verdienste nicht
auf die Kirche als solche über-
trägt? Gutenteils, glauben wir,
daher, daß die offiziellen, weithin
sichtbaren und vernehmbaren Kir-
chenvertretungen durch Worte und
Handlungen immer wieder den Ein-
druck in der Öffentlichkeit erwecken,
daß die Pfarrer in erster Linie
Beamte seien. Hat doch kürzlich
erst das Münstersche Konsistorium
dem hessischen Pfarrer Lmil Fuchs
den Dienst in der preußischen Lan-

deskirche verwehrt, ohne ihn über-
haupt aus seine Frömmigkeit
oder auch nur auf seine Theo-
logie hin zu prüfen, allein weil
er einmal etwas getan hat, was
sich nach den Begriffen des Kon-
sistoriums nicht mit einem korrekten
Beamtenverhalten vereinbaren läßt,
weil er, obwohl selbst kein An-
hänger der Theologie Iathos, doch
einen „Protest von Geistlichen Hes-
sens gegen das Spruchkolle-
gium und sein Verfahren in
der Angelegenheit Iathos mitunter-
zeichnet" hat. Ieden andern Grund
hätte man geltend machen können,
aber nicht diesen, der zugleich alle
übrigen Pfarrer vor der Offentlich-
keit in eine Lage bringt, die ihnen
das nötige Vertrauen in weiten
Volkskreisen erschwert. Denn wie
soll die Gemeinde ein rechtes inner-
liches Verhältnis zu den Pfarrern
gewinnen, wenn sie glaubt, man
wolle die Seelsorge nach Be-
amtengrundsätzen leiten? Unter
dem Eindruck solcher Handlungen
verbreitet sich die Meinung: die
Kirche gibt uns nicht, was wir von
Herz zu Herzen brauchen, sie „re-
giert" nur. So werden Vorurteile
gefördert, gegen die alle einzelnen
Pfarrer mit all ihrem guten Willen
machtlos sind. Am das Empfinden
dafür zu wecken, schrieben wir ja
darüber im vorigen Heft. Und wir
werden immer wieder die Forde-
rung stellen: bleibt in der Kirche
und helft sie verinnerlichen.

Wir wollten zeigen, wie auch
der, den nach seiner eigenen Mei-
nung nichts mehr an die Kirche
fesselt, doch Gründe hat, in ihr
zu bleiben und zu arbeiten. Da-
gegen bringt man linksher Gegen-
gründe. Ihre Wertung HLngt letz-
ten Endes sehr oft von persönlichen
 
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