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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 11 (1. Märzheft 1914)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand; Wyneken, Gustav: "Freideutschtum" und "Jugendkultur"
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Popp, Joseph: Kunst und Moral
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0417

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Treueschwur für Gut und Blut am Flammenstoß. Wagt ihr gegenüber
diesen jungen Menschen von Libertinage und Zuchtlosigkeit zu reden,
hofsentlich, so überhören sie's einmal, versucht ihr aber, sie von solcher
Voraussetzung aus an dem zu hindern, was sie als ihr Bestes in sich fühlen,
so lehrt ihr die, in euch den verständnislosen Feind zu sehn, die für alles
Veredelnde eure wertvollen Verbündeten werden könnten. Totmachen
lassen sie sich nicht mehr, höchstens rotmachen, und das ist doch gewiß,
meine Herren an den grünen Tischen, nicht eure Absicht. Nebenbei aber
würdet ihr durch Maßregelungen für nichts besser den Boden bereiten,
als für die Verdammung der heutigen Einrichtungen durch denselben
Wyneken, den ihr bekämpfen wollt. Helfen wir alle, daß die freideutsche
Bewegung bleiben kann, was sie bleiben will: eine sittliche nationale
Bewegung außerhalb aller politischen und konfessionellen Partei. A

Kunst und Moral*

^M^ie richtige, theoretische Behandlung des Verhältnisses von Kunst und
^-)^»Moral bietet ebensoviele Schwierigkeiten wie die erfolgreiche, prak-
tische Arbeit auf diesem Gebiet. Wir beleuchten das Thema vom
Standpunkt der Kunstwissenschaft aus.

Seit mehr als hundert Iahren bedenkt die Ästhetik die gegenseitige Bezie-
hung von Kunst und Moral. Nie aber war es fchwieriger, die maßvollen An-
sichten hierin durchzusetzen als heützutage. Den einen bangt für die Freiheit
der Kunst, den andern für die Verpflichtungen der Moral. Die sogenannte
öffentliche Meinung aber ist durchaus geteilter Ansicht und im allgemeinen
nicht gerade zugunsten der Moral gestimmt. Es zeigt sich wieder einmal,
welch schweren Kampf auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens
heute das Moralische kämpft: man gilt lieber als sittlich minderwertig, denn
als geistig minderwertig. Damit aber wird von Anfang an die Grundlage
für die Erörterung unseres Themas erschüttert. Zu dessen Verdunkelung
trägt aber auch eine weitgehende Unklarheit der einschlägigen Begriffe
bei. Nur dadurch wird es erklärlich, daß man unter anderem die Kunst
als Ersatz der Weltanschauung erstrebt, der Kunst eine viel zu weitgehende,
sittliche Lrziehungskraft beimißt, daß man das Schöne höher als das Gute
schätzt. Die Verwirrung wurde noch gesteigert durch das sogenanntr
Expertenwesen: manche Urteile angesehener Literaten und Künstler in
Unsittlichkeitsprozessen der letzten Iahre haben die Allgemeinheit mit Recht
empört und die Debatte über Kunst und Moral so erhitzt, daß die Ent-
scheidung fast zur Parteisache wird. Die einen wollen sich nicht als
Banausen brandmarken lassen, indem sie von solchen fachmännischen Gut-
achten abrücken. Die andern glauben wegen des falschen Nrteils einzelner
der Künstlerschaft und der Kunst überhaupt in dieser Sache mißtrauen

^ Der Verfasser des folgenden Aufsatzes ist bekanntlich nicht nur ein sehr
geschätzter Kunstschriftsteller und Hochschullehrer der Kunstwissenschaft, sondern
auch ein katholischer Priester. Gerade das macht seine maßvollen Ausführungen,
so scheint uns, für unsere Leser besonders interessant. Denn sie zeigen, daß
sich auch mit gebildeten und sachverständigen Katholiken sehr wohl ein Zu-
sammengehen ermöglichen ließe, um gegenüber den blinden Angriffen auf das
Nackte seine Rechte zu sichern. A
 
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