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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Schmidt, Leopold: Musikalischer Rückblick
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Schumann, Wolfgang: Novellensammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0035

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ist hundert Iahre zu spät gekommen, um als das zu gelten, was er seinen
rein musikalischen Fähigkeiten nach ist.

Auffällig sind dagegen die Fortschritte, die Richard Straußens
Musik in der Gunst der Menge macht. Seine großen Orchesterwerke, bis
zu gewissem Grade seine Opern (namentlich der „Rosenkavalier"), und vor
allem seine Lieder sind geradezu populär geworden, und wie kein anderer
moderner Komponist beherrscht er die Programme. Bereits ist auch jener
Kontakt mit der Persönlichkeit eingetreten, der auf das Publikum sug-
gestiv wirkt. Man glaubt ihm jetzt, und das ist für jeden Neuerer
entscheidend. Der Schluß des Iahres hat dafür einen deutlichen Beweis
erbracht. Das Königliche Opernhaus konnte, zum ersten Male, eine Strauß-
Woche ansetzen. In den wichtigsten Abonnementskonzerten kamen ver-
schiedene der symphonischen Dichtungen kurz hintereinander zu Gehör,
Straußsche Lyrik schmückt die Programme fast aller Liederabende, und als
jüngst zwei neue Werke zur Aufführung gebracht wurden, kannte der
Iubel keine Grenzen, mit dem der Meister umringt und gefeiert wurde.
Aber diese neuesten Erzeugnisse seiner Muse läßt sich vorläufig nur be-
schreibend berichten. Lin abschließendes Urteil wäre solchen Erscheinungen
gegenüber verfrüht. Das für die Eröffnung des neuen Wiener Konzert-
hauses geschriebene „Festliche Präludium" für Orchester und Orgel
steigt zwar nicht in die Tiefe und erscheint leicht übersichtlich. Lin stolz
gegliederter Bau, Bewunderung erregend durch die glänzende Verwen-
dung aller Klangmittel. Hier fehlte der poetische Inhalt, der Stranß
allein tiefer anzuregen vermag. Doch zeigt sich der Meister der Form
und Farbe. Um so bemerkenswerter ist die „Deutsche Motette" für (6stim-
migen Chor und vier Solostimmen. Es scheint, als ob Strauß auf dem
Gebiete des Acappellastiles eine Renaissance anstrebt und eine ähnliche
Umwälzung, wie er sie einst im Orchestralen vollzogen hat. Mit einer
Freiheit sondergleichen sind hier die Stimmen klanglich und architektonisch
als poetische Ausdrucksmittel und zu ganz neuen, unerhörten Wirkungen
verwertet. Freilich sind die technischen, im besonderen die Intonations-
schwierigkeiten so groß, daß es erst einer neuen Chorkultur bedürfte, um
ein geeignetes Organ für die Wiedergabe des Werkes zu schaffen.

Wir sind am Ende. Ich kann jedoch diesen Rückblick nicht abschließen,
ohne der Erfolge zu gedenken, die unter den Ausländern Puccini
neuerdings bei uns zu verzeichnen hat. Sein „Mädchen aus dem gol-
denen Westen" und eine Wiederaufnahme der „Manon Lescaut" erwei-
terten den Kreis der Werke, die von ihm auf dem Spielplan stehen. Noch
hat Puccini in Deutschland viele Gegner, die ihm realistische Kraßheiten
und süßliche Sentimentalität vorwerfen. Wer jedoch seine Eigenart in der
„Boheine" erkannt und liebgewonnen hat, muß in ihm mehr als einen
Theaterspekulanten sehen und wird den Anteil nicht unterschätzen, den er
zu seinem Teil an der Spiegelung des zeitgenössischen Empfindens in der
Musik genommen hat. Leopold Schmidt

Novellensammlrmgen

^VV^enn sich einzelne Novellen selbständig in Buchform hervorwagen
^I^^wollen, so müssen sie schon viel Tiefgang, viel künstlerische Be-
deutung haben. Ein Novellenbuch aber vermag leichter künstlerische
Persönlichkeit zu bezeugen, eine Welt- und Lebensansicht anzudeuten

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