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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 7 (1. Januarheft 1917)
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Avenarius, Ferdinand: Volk und Heer
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Spitteler, Carl: Die Dichter als Denker
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0019

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Verhältnissen unsäglich schwer ist und unmöglich scheint, darf die Ziel-
setzung nicht verrücken. Denn am Ende des jetzt eingeschlagenen Weges steht
— wenn auch in Iahrhundertferne — ein Offizierkorps, dem keine Unterord-
nung mehr einen Einfluß über die Dienstzeit hinaus sichern kann. Eine Kaste
von zwei Iahre lang widerwillig ertragenen Vorgesetzten, nicht, was wir
brauchen: ein Stand von auch im Frieden willig geachteten Lrziehern
fürsMannesleben. Und wer wollte wissen, was dereinst im Kriege ge-
schähe, wenn das Heer seine Führer einmal nicht als Fleisch von seinem
Fleisch empfände? Gott sei Dank, so weit sind wir noch nicht, — aber
wären wir's, so wären wir auch am Ende. In einigen Orten geht der
Offizier bereits wie ein Fremder durch sein Volk. Daß ihn der wünscht
und ihm schmeichelt, der ihn braucht, und daß die Städte nach Garni-
sonen schreien, das ändert an dieser Tatsache nichts. Hoffen wir, daß der
Offizier immerhin noch in den meisten Städten auch dem breiten Volke
noch als Freund gilt. Wir müssen mit allen Mitteln das Bewußtsein
in ihm pflegen, daß es eine seiner Pflichten ist, so zu erscheinen und
so zu sein. A

Die Dichter als Denker

^^n meinen Knabenjahren hatte ich mich oft verwundert gefragt: „Warum
^^macht man nur so viel Wesens aus den Sprüchen der Dichter? Warum
E^gelten die großen Dichter immer zugleich für die besten Denker? Was
in aller Welt hat denn ein Drama, ein Epos, ein Lied mit der Weis-
heit zu schaffen?"

Darüber ist einige Zeit vergangen, und heute glaube ich die Antwort
zu wissen.

Zunächst ist die Konkurrenz im Denken lange nicht so groß als
ich mir's vorgestellt hatte. Wer kommt denn eigentlich zur Vergleichung
in Betracht? Die Gelehrten, die Forscher denken partiell, die PLda-
gogen, Ethiker usw. denken mit dem Zeigefinger, die Theologen denken
— wenn ich mich so ausdrücken darf — am Leitseil (ob auch in Freiheit
dressiert), der Politiker denkt nach dem Ziel, also an der Angel, die
Tausende von gescheiten Leuten denken aphoristisch und beiläufig, als
Sonntagsdenker, und die überwiegende Mehrzahl der Menschen denkt
gar nicht.

Da sind freilich die Berufsdenker, die Philosophen. Die sollten doch
(müßte man meinen), den Dichtern an Weisheit weit den Rang ablaufen.

Allein das philosophische Denken ist ja etwas ganz Besonderes für
sich, das mit dem, was wir Denken nennen, nicht viel mehr zu tun hat
als die Mathematik. Macht man sich nicht gewöhnlich eine ganz falsche
Vorstellung von dem Tagewerk eines Philosophen? Aber alles, was in
der Welt geschieht und da ist, nachdenken sollten sie? Aber das wäre
für einen Philosophen viel zu gemein. Sondern der Philosoph kriecht
mit dem Denken hinter sein eigenes Denken und denkt nun hinter seinem
Denken mit dem Denken über das Denken nach. Das ist philosophisches
Denken. Ebenso falsch ist die gewöhnliche Vorstellung von der Sprache
der Philosophen. Sie ist nicht etwa tiefsinnig und dunkel, sondern sie
ist nebelregennaßnüchtern, sie hantiert mit vertrockneten, ihres Inhalts

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