Kunstwart und Kulturwart (27,2.1914)

dünne Oberschichten beschränkt ist, um
die Massen des Proletariats nnd
selbst des niederen Bürgertums an
sich zu sesseln. So erfahren in allen
einzelnen Entwicklungsabschnitten
des „nationalen Kampfes" allge--
mein deutsche Fragen eine besondere
Beleuchtung, und jene neuen Auf-
gaben, die dem Deutschtum gestellt
sind, alle jene Reformarbeiten, die
das deutsche Volk von innen heraus
krästiger und mächtiger gestalten
möchten und die sich um eine
immer stärkere „Partei der Partei-
losen" sammeln, werden hier beson-
ders eindringlich deutlich. Daß man
das nicht längst in weiteren reichs-
deutschen Kreisen bemerkt hat, ist
zum Teil die Schuld der Deutsch--
österreicher selbst, die ihren Kampf
viel zu einseitig-politisch auffaßten.
Franz Iesser hat zum ersten
Male (nach Michael Hainisch' in den
achtziger Iahren erschienenemBuche
„Die Zukunft der Deutschen in Oster--
reich") einem weiteren Kreise jene
Probleme in freierer und reiferer
Auffassung, so daß ihm politische
Gegner, Sozialdemokraten wie Ren-
ner im Parlament zustimmten, ge-
zeigt, und zwar in der ersten Flug-
schrift der „Deutschen Arbeit".* Er
hat damit zugleich ein Programm der
Sammlung gegeben, die er mit die-
sem Heftchen einleitete: sie will über
jene besonderen Grenzfragen, über

* Wesen und Werden der natio-
nalen Frage. Prag I.» Palais Elam
Gallas, 25 Heller.

ihre tieferen sozialen, wirtschaftlichen,
kulturellen Grundlagen aufklären
und namentlich für die Aufgaben
der Volksbildung und Volkser-
ziehung, die aus ihnen erwachsen,
werben. An weiteren Heften sind bis
jetzt erschienen: 2. vr. Franz Perko,
Die deutsch-tschechische Streitfrage
und ihre Bedeutung für das Deutsch-
tum Osterreichs, 3. Wilhelm Winkler,
Aus der neuesten Volksschulstatistik
Böhmens. K. R., Zehn Iahre
Deutscher Volksrat in Böhmen.
NLchstens erscheinen: Iesser, Aufga-
ben der vorbeugenden National-
politik, Prof. vr. Spiegel, Die böh-
mische Frage in ihrer geschichtlichen
Entwicklung, Dürre, Die deutsch-
tschechischen Ausgleichsverhandlun-
gen, F. Ertl, Staatssold und deut-
sche Steuerleistung, Lothring, Zur
Wohlfahrt des deutschen Landvolkes,
Ullmann, Die Deutschen in Oster-
reich und die Reichsdeutschen.

Vom KunsLwerk

^cvras nun aber das Kunstwerk be-
^^trifft, meine Lieben, so meine
ich, es sei damit so ungefähr wie mit
dem Sauerkraut. Ein Kunstwerk,
möcht ich sagen, müßte gekocht sein
am Feuer der Natur, dann hinge-
stellt in den Vorratsschrank der Lr-
innerung, dann dreimal aufgewärmt
im goldenen Topfe der Phantasie,
dann serviert von wohlgeformten
Händen, und schließlich müßte es
dankbar genossen werden mit gutem
Appetit. WilhelmBusch

Unsre Bilder und Noten

ier Winterbilder zum Ianuar.

H^Das Bild von Wolfgangmüller „Der Schlittschuhläufer^ haben
wir schon in dem kleinen Rundschaubeitrage „Staffage" erwähnt: es
ist eines der wenigen Bilder mit stark hervortretender Staffage, bei denen
diese doch die Stimmung der Landschaft nicht etwa abschwächt, sondern
erhöht. Den eigentlichen seelischen Gehalt des Werkes gibt eben nicht die
nur betrachtete Landschast, sondern gibt sie so, wie sie der Schlittschuh-