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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 12 2. Märzheft 1914)
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Avenarius, Ferdinand: Raubbau am Heimatswert: auch etwas zum Vorfrühling
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0499

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Iahrg.27 Zweites Märzheft 1914 Heft 12

Raubbau am Heimatswert

Auch etwas zum Vorfrühling

Spessart stehen noch Hunderte von Rieseneichen, deren Alter an
^ ^ ein Iahrtausend heranreichen soll. Sie sind gesund und stark, das


bedeutet einen hohen Wert — an Holz. Man bat die Behörde, sie
zu schonen, aber die erklärte, nran könne nicht der Touristen wegen solch
ein Kapital ungenutzt lassen. „Der Touristen wegen." Wie's im Hegau
mit den Basaltbergen des Fürsten zu Fürstenberg und des Freiherrn von
Hornstein geht, wissen wir. Wie's dort in der Nähe mit den in Deutsch-
land einzigartigen Rheinstromschnellen bei Laufsen gegangen ist, wissen
wir auch. Wie die Wanderdünen der Kurischen Nehrung bedroht waren
und wie's um ein Haar mit den Sylter Norddünen und Heideland ge-
gangen wäre, ebenfalls. Wie man die Flußufer fast aller Gaue des
Vaterlands von ihren Baumgruppen und Büschen „besreit" und dadurch
die Flußläufe in der Landschaft vernüchtert hat, diese einst so wunder-
reichen silberdurchglitzerten und vogeldurchsungenen Kronengehänge von
Grün, das weiß zum mindesten aus irgendeinem Beispiel jeder. Wie
man die malerisch verstreuten Bäume aus den Feldern ausmerzt, weil
sie Schatten geben, wie man die Knicks und Hecken ausrodet, die an sich
so schön waren und so geeignet zum Vogelgenist, wie -man durchs Be-
gradigen Feld und Wiese verschachbrettet, wir wissen das alles. Wir
wissen auch von dem Wüsten gegen unsre Märchenvögel, den Reiher,
den Eisvogel und die andern — es werden ja auch die edeln Sing-
vögel, ja selbst Storch und Schwalbe seltener und da und dort schon
selten. Wie die Tierwelt ward die Pflanzenwelt unsrer Heimat arten-
armer, einsörmiger mit jedem Iahr. Daß es an hundert, an tausend
Stellen im Vaterlande so geht, ahnt jeder, der es nicht weiß, aus den
Beispielen in seiner Nähe. Das neueste ist, daß man den letzten Teil
urwüchsiger Landschaft in der Nähe Berlins, den Spreewald, entsumpfen
und als Gemüseland ausnützen will. Damit ist noch lange nicht an alles
Zerstören von Naturgebilden erinnert. Wollten wir aber auch nur mit
kurzen Stichworten auf die Zerstörungen an Menschenwerk, an Vor-
sahrenwerk hinweisen und auf die Verhäßlichungen durch Zeitgenossen-
zutat, wir würden noch Seiten über Seiten, wir könnten Hefte, könnten
einen Band damit füllen.

Freilich, wir könnten auch Seiten füllen mit Belegen dafür, wie sich's
bei der Behandlung all solcher Fragen schon gebessert hat. Ia: der
Gegensatz zwischen heut und einem Vierteljahrhundert früher scheint trotz
all dieser begründeten Anklagen gegen das Heute so groß, daß sich
der Fortschritt des Kulturbewußtseins kaum anderswo so schlagend
aufzeigt. Vor einem Vierteljahrhundert war trotz der idealistischen Reden
das Entscheidende in all solchen Fragen so gut wie allein das
 
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