Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1914)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Kunst und Moral
DOI Artikel:
Schmidt, Leopold: Heitere Musik als Volksunterhaltung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0426

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zotenjäger herstellen; wenn unter dem Vorwand der „Kulturgeschichte"
obszöne Bilder zusammengestellt werden. lind die einflußreiche Kritik
schweigt dazn.

Es ist auch bedauerlich und zu bekämpfen, wenn in Dingen, die jeder
anständige Mensch von Herzensbildung instinktiv ablehnt, „Experten" einen
gerichtlichen Freispruch und die Freigabe erwirken können. Zum mindesten
ist hier zu verlangen, daß nicht nur Literaten und Künstler einer Rich-
tung gehört werden, daß auch wissenschaftliche Fachmänner beigezogen
werden; die bloßen Kunst- und Literarhistoriker rechne ich hierzu nicht,
sondern nur jene, die auch ästhetische Arteilskraft haben. Ia, es wäre
zu fordern, daß anerkannte Pädagogen oder ein gebildeter Arbeiter in
solchen Prozessen als Experten vernommen werden — wenn schon die
Richter nicht genügen sollten; und wie es scheint, bisweilen nicht genügen.

Zum Schluß! Es gilt den mannhaften Kampf gegen alles Schamlose,
das mit der Kunst nichts oder nur wenig zu tun hat; es gilt den Kampf
aber auch gegen den Mißbrauch der Kunst vonseiten taktloser Künstler — und
das nicht nur im Namen der Sittlichkeit, ebensosehr im Namen und
Interesse der Kunst.

Das beste Mittel dagegen ist die richtige sittliche und künstlerische Er-
ziehung unserer Iugend und unseres Volkes, eine Erziehung, die nicht
zuerst und zumeist auf den Gedanken der Furcht und Flucht eingestellt
wird, sondern sich auf einer maßvollen, natürlich aus den Lebensverhält-
nissen sich entwickelnden Gewöhnung an das Nackte der Wirklichkeit und
Kunst aufbaut. Das Mittel der Flucht kann manchmal die einzige
Rettung bringen, aber es entspricht zu wenig der vollen Sittlichkeit, die
nicht bloß ein Meiden und Entsagen, sondern ein Beherrschen und Voll-
bringen ist. Der Selbstschutz ist immer der nächste Schutz im Leben! Dar-
über hinaus muß aber durch die Gesetzgebung und Verwaltung ein stärkerer
Schutz der Reinen und Anmündigen, ein wirksameres Kampfmittel als
bisher gegen die Ansauberen gefunden werden.

Daß wir dies erreichen und bis wir es erreichen, sollte die Presse
aller Parteien das Ihrige tun; es wäre das zugleich eine schöne und
immer seltener werdende Gelegenheit, daß die Presse aller Richtungen
sich eins fühlte und wüßte im gemeinsamen Handeln zum Wohle des
Ganzen, dem doch jede auf ihre Weise dienen will und soll.

Ioseph Popp

W

HeiLere Musik als VolksunLerhalLung

er sich praktisch mit den Aufgaben der Volksunterhaltung be-
schäftigt, weiß, wie wichtig es ist, vor allem der zweckentsprechenden
Auswahl des Anterhaltungsstoffes die größte Aufmerksamkeit zuzu-
wenden. Das Wie der Ausführung tritt demgegenüber in die zweite
Reihe zurück. Es zeigt sich dabei, daß es nicht immer leicht ist, die
gemeinnühige Absicht rein in die Erscheinung treten zu lassen. Von
Fall zu Fall gilt es, zu entscheiden, was in den Kreis des Darzubietenden
miteinbezogen werden darf, was nicht. Der Frage nach der künstleri-
schen Würdigkeit gesellen sich die nach der Schwierigkeit des Verständnisses,
nach dem nationalen Charakter, nach den Tendenzen des Autors, nach
dem ethischen Gehalt seiner Werke. Eine sorgfältige Prüfung wird sich
auch über ihren Stimmungsgehalt klar werden müssen.

353
 
Annotationen