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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 11 (1. Märzheft 1914)
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Schmidt, Leopold: Heitere Musik als Volksunterhaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0427

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Dürfen Programine, die neben dem ästhetischen einen kunstpädagogischen
Zweck verfolgen, nur Ernstes bringen, oder dürfen sie auch der heiteren
Muse das Wort gönnen? Kann das Mrchlich-religiöse noch Gegenstand
der Darstellung sein, und sollen anderseits Komik und urwüchsiger Humor
von ihr ausgeschlossen bleiben? Das Wort „Volksunterhaltung" ver-
bindet zwei Begriffe, von denen der eine mehr auf den Ernst, der andere
mehr auf das Heitere weist. Damit ist die Berechtigung beider Stim-
mungsgebiete gegeben; die Verbindung aber zu einem neuen Begriff
weist daraus hin, daß es ratsam ist, nach beiden Richtungen eine gewisse
Grenze innezuhalten. Der Ernst darf nicht zur Strenge werden, die
srohe Laune nicht zur Banalität oder Frivolität führen. Die Anterhaltungs-
stätte ist keine Kirche und kein Lehrsaal, aber sie soll auch nicht Gelegenheit
bieten, gemeinen, im höheren Sinne kunstwidrigen Instinkten zu frönen.
Hier sei es gestattet, die Frage nach der Zulässigkeit des Heiteren einmal
im Hinblick auf die Musik zu streisen. Es sind besondere Schwierigkeiten,
die sich dem Suchenden gerade auf diesem Gebiet in den Weg stellen.
Die Musik hat es ja mit der Dichtkunst gemein, daß sie zur Dienerin
der trivialsten Empfindungen, zur Begleiterin der alltäglichsten Vorgänge
herabgewürdigt werden kann, wenngleich sie auch dann noch etwas wie
einen veredelnden Schimmer um sich verbreitet. Gerade nach ihrer lustigen
Seite, vom Dämon des Rhythmus getrieben, kann sie nur zu leicht aus-
arten, und dann lebt sie im Volke in wenig erfreulicher Gestalt. Niemand
wird sie auf dieser Stufe dem Volke als Unterhaltung bieten wollen.
Unzweiselhaft aber gibt es eine heitere, ja ausgelassene Tonkunst, die durch
den Adel des Künstlerischen, der ihr innewohnt, unabhängig von dem
Charakter ihres Stimmungsgehaltes ihren Wert behält. Es ist die Opern-,
Operetten-, Tanz- und Volksliedmusik, die da in Frage kommt, die nicht
selten bis an die äußerste Grenze der Heiterkeit geht und doch ganz gewiß
nichts in sich birgt, was sie als Unterhaltungsstoff in unserm Sinne aus-
schlösse. Freilich, bei der Gesangsmusik kommt häufig noch die Beschaffen-
heit des Textes hinzu, die ein an sich unbedenkliches musikalisches Gebilde
als ungeeignet erscheinen lassen kann. Aus all dem gilt es nun, mit
sicherem Takte eine gesunde und anregende Kost herauszusuchen, ohne
Engherzigkeit, die ebensowenig am Platze wäre wie der leiseste Verstoß
gegen den guten Geschmack.

Soweit die sogenannte komische Oper in Betracht kommt, wird sich
kaum irgendwo ein Bedenken regen. Die heiteren Werke eines Lortzing,
Flotow, Auber, Adam, Rossini usw. bieten eine Fülle ein- und mehr-
stimmiger Gesänge, an deren künstlerischer Bedeutung und Vornehmheit
noch niemand gezweifelt hat, leicht saßliche und doch edle Melodien, die
jeder Volksfreund den Hörern nicht wird vorenthalten wollen. Bei der
Tanzmusik ergibt sich von selbst eine Beschränkung, weil die in Frage
stehenden Veranstaltungen über orchestrale Darstellungsmittel nicht ver-
fügen. Ein Grund, das Typische, Lpochemachende auf diesem Gebiete, etwa
einen Schubertschen Ländler, Webers „Aufforderung" oder einen der prä-
gnantesten Walzer von Strauß, nicht gelegentlich durch Klaviervorträge
vorzuführen, liegt indessen auch hier ganz gewiß nicht vor. Kein Ein-
sichtiger hat je an dem künstlerischen Wert solcher Gebilde gezweiselt, etwa
weil sie in einsachster Form nichts anderem als dem Temperament und dem
Frohsinn Ausdruck geben.

Anders liegt die Sache bei der modernen Operette. Was einst in der

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