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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 9 (1. Februarheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0285

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Hohenzollern sei. Man stellt bei uns
die Wirkungen der Volkskraft
nicht in die Sonne, sondern in den
Schatten.

Die Deutschen im Auslande
haben aus bitteren Erfahrungen im
Wettbewerbe mit fremden Völker-
schaften gelernt, daß sich ein
Volk zu seiner Selbstbehauptung
nur auf seine eigene Tüch-
tigkeit verlassen kann, darum be-
greifen sie auch, daß die Volkskraft
Voraussetzung, nicht Folge
irgendwelcher Staats- und Fürsten-
macht bildet. Im Reiche sagen Teil-
haber der Staatsgewalt, das Herr-
scherhaus und der Staat seien die
Voraussetzung aller Volkskraft. Viel-
zuviele glauben das, gewöhnen es
sich ab, selbständig zu denken und zu
handeln, und die Folge ist, daß jeder
einen „Staatsanwalt" zu brauchen
meint, um seines Daseins sicher zu
sein. Lr vergißt, daß diese Sicherheit
nur solange dauern kann, als der
wachsende, vorwiegend verbrauchende
Teil der Bevölkerung von dem vor-
wiegend schaffenden Teile leben
kann. Aber der vorwiegend schaf-
fende Teil verringert sich.

Wie sehr wir in derartigen Vor-
urteilen befangen sind, das konnte
man ja bei der Feier des 25jährigen
Regierungsjubiläums unsers Kai-
sers reichlich wahrnehmen. Sogar
in „liberalen" Zeitungen und Zeit-
schriften wurde der Monarch als
der „Schöpfer" alles Möglichen ge-
priesen, was in den letzten 25 Iah-
ren an deutschen Werken entstan-
den ist. Besonders wurde immer
wieder hervorgehoben, unsre Flotte
sei des Kaisers „ureigenstes Werk",
obschon doch ein wenig Äberlegung
jedem sagen müßte, daß in diesem
Zeitalter dieselben Kräfte, die eine
gewaltige Entfaltung unseres Ex-
portindustrialismus ermöglichten,
auch ein allgemeines Bedürfnis nach
einer entsprechend wachsenden See-
macht hervorrufen mußten. Unser

Kaiser hat für unsre Flotte mit
leidenschastlicher Liebe gewirkt, als
viele ihre Notwendigkeit noch nicht
einsahen, dafür gebührt ihm unser
warmer Dank, — aber „geschaffen"
hat er unsre Flotte nicht. Unsre
Zeitungen, diese „Lehrer der Er-
wachsenen", als welche sie einem
Friedrich List einst erschienen, sind
allzuoft unbedachte Vertreter jener
„heroischen" Geschichtsauffassung, die
doch immerhin nur eine sehr be-
dingte Berechtigung hat. Was
Wunder, daß sich der Deutsche im
Reiche heut erst von den Brüdern
im Auslande darüber belehren las-
sen muß, was deutsche Volkskraft
geleistet hat und noch leisten kann.

Malzan

Aus Fichtes Schriften

haben wir bereits zweimal Auswah-
len in den Losen Blättern gebracht,
XXI, ^ und XXV, j7. Das zweite
Mal auch ein größeres Stück aus
der Rede über die deutsche Sprache,
mit der sich Bonus in diesem tzeft
beschäftigt. Es mag darum diesmal
genügen, auf die früheren Hefte zu
verweisen.

Fichte über sich selbst

as meinem Auge diese Kraft ge-
geben,

Daß alle Mißgestalt ihm ist zer-
ronnen,

Daß ihm die Nächte werden heitre
Sonnen,

Nnordnung Ordnung und Verwe-
sung Leben?

Was durch der Zeit, des Raums
verworrnes Weben

Mich sicher leitet hin zum ewgen
Bronnen

Des Schönen, Wahren, Guten und
der Wonnen

Und drin vernichtend eintaucht all
mein Streben?
 
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