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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 9 (1. Februarheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0284

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Wegen der Abzweigung des Gym-
nasiums vom Lyzeum sind die Städte
genötigt. für drei Iahrgänge von
Mädchen doppelte Klassen zu unter-
halten, und durch diese Abzweigung
werden die an sich schon leeren und
darum teuren Oberklassen des Ly-
zeums noch leerer und teurer. Da
nun nur große Städte sich eine solche
Schuleinrichtung leisten können, wie
sie den gesetzlichen Forderungen ge«
nügt, so sind die Eltern gezwungen,
ihre Töchter mit Iahren in groß-
städtische Pensionen zu schicken —
ein recht teurer Aufwand. Wenn
wenigstens die Großstädte für den
Zweck der Erziehung die geeignetsten
wären! „Aber gerade das ist der
wunde Punkt. Iedermann warnt
heute vor dem Zuge nach der Groß-
stadt wegen der allbekannten zahl-
reichen Zerstreuungen, Vergnügun-
gen und Versuchungen, den unge-
sundesten und unsittlichsten Orten
mit dem störenden Straßenlärm und
dem selbst Erwachsenen lebensgefähr-
lichen Straßenverkehr. Mit Recht
schafft die Iugendpflege unsrer Tage
zwecks körperlicher und sittlicher Er-
tüchtigung dem heranwachsenden Ge-
schlecht frische Luft und Bewegung
im Freien. Und ausgerechnet in die
Großstädte zwingt man unreife Mäd-
chen von Iahren! Freilich müs-
sen, auch wenn die Mädchengym-
nasien in Kleinstädten errichtet wer-
den, Pensionen bezahlt werden.
Allein die Last fällt dann auf die
relativ kräftigeren Schultern. Und
ferner, das durch das In-Pension-
Schicken zerrissene Familienleben,
dasjenige sittliche Gut, das sür die
MLdchen ganz besonders wichtig ist,
wird in den kleinen Orten mit ihrem
mehr ländlichen Zuschnitt dadurch
wiederhergestellt, daß die Mädchen
hier in das häusliche Leben viel
leichter hinein- und zu allerlei Ver-
richtungen in Haus und Garten
herangezogen werden können."

Die „Abzweigung" vom Lyzeum

bringt aber auch den Äbelstand der
„Umschulung" mit sich, wobei der
Entschluß dazu unnötig früh gefaßt
werden muß. „Eine spürbare und
ausfallende Veränderung in der
weiblichen Psyche, ein deutlicheres
Hervortreten der Individualität zeigt
sich erst im zehnten Schuljahr, also
in der ersten Klasse des Lyzeums."
Dann aber ist sozusagen der An-
schluß verpaßt.

Demgemäß fordert Pachaly eine
dreijährige, gradlinig an das zehn-
jährige Lyzeum anschließende Fort-
setzung und dazu die Berechtigung,
alle für Frauen in Betracht kom-
menden Berufe zu wählen. Für die
dadurch nötig werdenden Lehrplan-
änderungen schlägt er mehrere Mög-
lichkeiten vor. „Auch dann noch um-
faßt der Frauenweg zur Universität
dreizehn Iahre (wie bisher), ein Iahr
mehr als die männliche Vorbildung.
Allein, das bedeutet keinen Verlust,
da auf diese Weise der Lehrstoff in
den Entwicklungsjahren geringer be-
messen und die Mädchen in der Zeit
mehr geschont werden können."

„DeuLsche Volkskraft hat
Staaten gegründet ..

^n einer Vorstadt Prags war es,
Owo ich in einer deutschen Schule
schlichte Tafeln mit Mahnwor-
ten „An dich deutscher Knabe"
und „An dich deutsches Mädchen«
hängen sah, die den Schülern die
Haupteigenschaften des Deutschtums
einprägen sollen. Ich las das Wort
an den deutschen Knaben und kam
an eine Stelle, wo es hieß: „Deut-
sche Volkskraft hat Staaten gegrün-
det, deutscher Fleiß sie befestigt,
deutscher Heldenmut sie vor Fein-
den beschützt und deutscher Geist
sie groß gemacht." Für ein reichs-
deutsches Ohr klang das ungewöhn-
lich. Ich erinnerte mich aus meinem
Geschichtsunterricht, daß der preußi-
sche Staat das alleinige Werk der
 
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