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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Tönjes, Max A.: Vom amerikanischen Sportgeheimnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0325

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nächst einmal genügend Sportlehrer heranzubilden, die ihrerseits die Leicht-
athleten vernünftig und zielbewußt vorbereiten können. Das Lrkennen
der Veranlagung des einzelnen Sportjüngers spielt dabei die größte Rolle.

Kränzlein hat gleich in seiner Ansprache bei Eröffnung des ersten Sport--
lehrerkurses eine Reihe von Fehlern genannt, die bei uns Iahr sür Iahr
gemacht worden sind. Er verlangt, daß das Training nur auf wenige,
höchstens drei bis vier Monate im Iahr ausgedehnt werde. Bisher
pflegten unsre Leichtathleten, sobald die Fußballsaison im Frühjahr er-
ledigt war, mit dem Training zu beginnen, das sich dann bis zum
Herbst ausdehnte. Es mag an sich nicht schön sein, Menschen mit Pserden
zu vergleichen, aber im Training der Rennpferde haben wir in Deutsch-
land erheblich mehr Erfahrung als im Leichtathletiktraining. Ieder Kenner
vom Pferdesport weiß, daß die Rennpferde kein Training während des
ganzen Iahres aushalten. Man nnterscheidet frühe und späte Pserde,
also solche, die zu Beginn der Saison und solche, die erst gegen Herbst
auf der Höhe sind. Ist ihre Zeit vorüber, so geht die Form zurück. Ruhe
nach der Zeit des Trainings verlangt Kränzlein, wenn er sagt, daß man
nur drei bis vier Monate trainieren darf. Für den Rest des Iahres muß
man ausruhn, soll auch nicht Fußball spielen, sonst tritt der Zustand ein,
den man „Abertrainiertsein" nennt. Die Kräste lassen nach, und man
ist nervös.

Hier nach der Veranlagung des Einzelnen vorsorgend und regelnd
einzugreifen, ist die erste Aufgabe der Sportlehrer. Man möchte ihnen
aber auch ans Herz legen, daß sie ihr Arbeitsgebiet nicht allzu eng
bemessen, indem sie ihre Tätigkeit nicht nur auf die Leichtathleten be--
schränken, die auf Grund der Ausscheidungskämpfe für ein weiteres
Training im tzinblick auf die Olympischen Spiele in Betracht kommen.
Dadurch würden doch allzu viele, deren sportliches Können den Durchschnitt
nur eben erreicht oder überschreitet, kaltgestellt und sportüberdrüssig werden.
Sehr viel wichtiger als drei oder vier Olympiasieger ist es denn doch
für unser Volk, daß möglichst viele junge Leute sich sportlich betätigen
und damit den ungesunden Lebensbedingungen der Großstädte entgrgen--
wirken. Man muß auch bedenken, daß sich einem wirklich harten Training
nur verhältnismäßig wenige Sportleute unterwerfen können. Für alle,
die tagtäglich vom frühen Morgen bis zum späten Abend ihre Kräste
brauchen, um ihr Leben zu fristen, kann ein hartes Training gar nicht
in Betracht kommen, da dem Körper sonst die nötige Ruhe fehlt. Gerade
sür solche Menschen ist aber ein Tummeln in frischer Luft unbedingt nötig,
schon damit sie die Freude am Leben nicht in Kneipen zu befriedigen
suchen. Drängt man sie als sportlich minderwertig hinter die Barriere
in den Zuschauerraum, so sind sie dem Sport verloren. Sie dem Sport
zu erhalten, sollte aber eine der vornehmsten Aufgaben auch der Sport«
lehrer sein.

Für die Olympischen Spiele in Berlin kommen bei uns dieselben
Kreise in Betracht, die auch für die Amerikaner in erster Linie die Sieger
stellten: die Kreise, die den Ofsizierersatz stellen. Karl Diem hat das in
einer Schrift über die Olympischen Spiele in Stockholm gesagt, und
Erfahrungen wie Aberlegungen geben ihm recht. Gemeint sind damit
vornehmlich die Schüler der oberen Mittelschulklassen und die Studenten.
Die Ernährung und Pflege ist in jenen Kreisen, wie die Statistik über
die Säuglingssterblichkeit usw. lehrt, von Iugend auf erheblich günstiger

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