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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0327

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die nicht einen Karikaturisten „voin Metier" zum Verfasser hätte. Da-
gegen: bei den Schriftstellern und Poeten ist's gerade umgekehrt. Die
besten humoristischen Gedichte sind von solchen Poeten gemacht worden,
die sonst durchaus „seriös" dichteten; von den vielgenannten „Humoristen
der Feder" hat keiner eine Höchstleistung erreicht — merkwürdiger--
weise: außer Busch, der zugleich Zeichner war. Und ebenso steht es
bei der literarischen Humoreske, bei der freien humoristischen Skizze.
Grundgütiger, was haben wir für eine Menge von „Humoristen" und
was sorgen Witzblätter, was Familienblatt-„Ecken" und -Feuilletons für
Massenkonsum aus dieser Branche — nimmt man aber die freundlichen
Gebilde ins Haus, so zerschmelzen sie von heute auf morgen wie Butter
am Ofen. Humoristische Schriftwerke starker Art entstehen nicht durch
ein Visieren aller Dinge auf ihre komische Seite hin, noch durch eine fort-
währende Äbung im literarischen Zerrzeichnen, sondern sie blühen in guter
Stunde unverhofft aus einer Fülle von Beobachtungen und Erfahrungen,
die Bewußtes und Anbewußtes je besser zusammenfügt, je reicher der Nähr-
boden im Kopf und Herzen der Poeten ist. Ich kenne gute Humoresken,
bei denen sogar die besten Einzelscherze tatsächlich geträumt waren
— und auch sie nicht von berufsmäßigen „Humoristen".

Peter Altenberg, mit dem wir unsere kleine Blütenlese eröffnen,
ist in seinen meisten Sachen durchaus nicht Humorist. Mag's eine Eafs-
haus-Wehmut sein, jedenfalls ist es eine Wehmut, was inmitten seiner
kleinen Skizzen als Farbe klingt, manchmal ist es sogar geradezu ein
Schmerz. Immer ist es eine Feinfühligkeit. Das gibt den wenigen Alten-
bergschen Humoresken immerhin einen Duft; er ist ein Rüchlein echter
Poesie, er kommt von einer Blume, die im großen zusammenhängenden
Erdreiche gewachsen, nicht nur in einem Topse gezüchtet ist. Bei vielen
andern Leuten kommt dann heut die Poesie auch zu den Humoresken in
romantischem Kleid — es gespenstert bekanntlich in einigen Zimmern
unserer Literatur schon so, daß das nicht mehr gemütlich rst. Höchst unge-
mütlich ist es beispielsweise oft bei Gustav Meyrink, unter dessen
Gesammelten Novellen sich wahrhaft grausige Stücke finden. Gerade er
versteht es aber auch, das Äbernatürliche scherzhaft zu nehmen, indem er
Lollgewordene Möglichkeiten hier nur hereingucken, dort herrschen, dort
Purzelbäume schlagen läßt, die doch an unserem eigentlichen Ich vorbeigehn.
Der Phantast, der beinah aufzugehen vermag im Phantastischen als
solchem, im Phantastischen als Spiel, als Form, ist aber erst Paul
Scheerbart — Stücke, wie wir sie aus seinem „Nilpferderoman"
„Immer mutig!" bringen, sind insofern für ihn nicht bezeichnend, sie sind
noch zu irdisch vernünftig dazu, aber sie eignen sich am besten zu einem
etwaigen ersten Besuche bei ihm, da hier der Leser doch immerhin noch
mit einem Beine auf Grund steht. Den haben wir etwas sicherer bei
I. von Bülow, dessen „Nnverantwsrtlicher" in dieser kleinen Auslese
die Satire vertreten mag. Ganz fest aber haben wir Grund bei Ludwig
TH oma — Münchner Grund, wenn auch fahrbaren, urverläßlichen Münch-
ner Grund. Da blitzt's hin und her von guter Laune, aber jeder Blitz haut
Schlagschatten von der Nase bis ins Hirn, daß wir das münchnerisch-merk-
würdige Seelenwesen drin hausen sehen. „Auf der Elektrischen" hat ganz
das Behagen des wirklichen Humors.

Die folgenden Stücke stammen aus den Werken: Altenberg, Bilder-
bögen des kleinen Lebens (Verlag Erich Reiß, Berlin, geheftet M. H.—,

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