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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1914)
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Wienecke, Chr.: Kunstwerk, Künstlerpersönlichkeit, Kunstgeist: Grundsätzliches zur Wertung der "Klassiker der Kunst"
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Schmidt, Leopold: Bies "Oper"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0124

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Die Kunstwerke erschließen uns aber nicht nur den Weg zu den Künstler-
persönlichkeiten, sondern auch zu dem seelischen Zustand ganzer Zeitalter,
und das gibt nicht weniger eine Erweiterung und Vertiefung unsrer selbst.
Man soll auch hier nicht einwenden, das habe ja im Grunde mit Kunst-
genuß nichts mehr zu tun, es sei Sache der Wissenschaft. Gewiß, die
Erarbeitung des geschichtlichen Bildes der Vergangenheit ist Aufgabe
der Wissenschaft. Aber: die Welt so zu sehn, wie unsre Vorfahren sie
sahn, ihr Denken und Fühlen bewußt zu wiederholen, die FLHigkeit dazu
ist eine Bereicherung unsres persönlichen seelischen Lebens. Hier liegen
Lebenswerte, die alle brauchen und an denen alle teilnehmen können.
Diese Schätze sind nur durch den Kunstgenuß zu heben, obwohl sie selbst
nicht Gegenstände des Kunstgenusses sind. Auch hier haben wir wieder
den differenzierten psychologischen Vorgang, daß durch bestimmte Gegen-
stände, nämlich die Kunstwerke hindurch das Erleben sich auf einen Gegen-
stand richtet, der hinter jenen liegt, auf einen Gegenstand, der sich im
Kunstgenuß sowie durch die hinzukomrnenden Assoziationen überhaupt erst
gestaltet. Und dieses Erfühlen allgemeiner geistiger Zustände vergangener
Zeiten, das oft genug Instinkten und ererbten Anlagen erst ein klares
Gesicht verleiht, ist rein als solches noch nicht Wissenschaft, hat mit historischen
Methoden nichts zu tun, sondern ist lebendige Betätigung für uns selbst.
Die Wissenschaft arbeitet an einem objektiv richtigen Vergangenheitsbild.
Uns aber kommt es auf die Bereicherung der eignen Lebensfülle an. Darum
machen wir Büchern gegenüber, die uns in das Kunstfühlen und -schaffen
einer Zeit durch Zusammenstellung geeigneter Bilder einführen wollen,
ähnliche Vorbehalte wie gegenüber den „Klassikerausgaben". Sie fördern
nur den, der sie richtig benutzt.

Gesagr werden muß aber, daß alle psychologische und geschichtliche Be-
trachtung der Kunstwerke in den eben bezeichneten Einstellungen schwere
Gefahren in sich birgt. Durch Ablenkung von den eigentlichen künst-
lerischen Werten stumpft sie leicht die unmittelbare Empfindlichkeit für
diese ab. Die Ausbildung der Sinne wird vernachlässigt, das natürliche
Geschmacksurteil wird durch allerlei Nebeneinflüsse getrübt. Darum muß
man immer wieder betonen: die Fähigkeit, ein Kunstwerk rein als solches
zu genießen, ist die Grundbedingung für allen weiteren Genuß. Wer
sie nicht hat, dem bleibt alles, was er von Persönlichkeitswerten und ge-
schichtlichen Werten erfaßt, angelerntes Wissen, Phrase. Denn er vermag
es nicht in sein eigenes warmes Lebensblut aufzunehmen. Eine Beschäf-
tigung mit den Kunstwerken selbst ohne alle kunstgeschichtlichen Nebenab-
sichten, zum wenigsten eine Beschäftigung mit solchen Wiedergaben, die
möglichst viel von dem Reiz der ursprünglichen Werke in sich schließen
(was von den beliebten Farbenautotypien nur ausnahmsweise giltl),
ist die Grundbedingung zur Aneignung all der Werte, die sich irgendwie
darauf gründen. Lhr. Wienecke

Bies „Oper"

^^as volkstümlich gewordene Kind des Luxus, der verwöhnte Liebling
des Publikums, das Ziel des Ehrgeizes, die Quelle höchster Triumphe
und bitterster Enttäuschungen, der Moloch, dem immer und immer
wieder geopfert wird: die Oper, sie ist bis heute für den Musiker ein unge-

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