griffe von Praktischkeit, Hygiene, Sachlichkeit, ja Bequemlichkeit, die alle
Augenblicke in Widerspruch mit der Mode zu kommen drohen. Und
warum nimmt sie keine Rücksicht auf unsre Forderungen, die ja eigentlich
nur den Anschauungen entsprechen, die unsre moderne Kultur verbreitet, den
Anschauungen unsrer Arzte, die für Gesundheit von Wohnung und Kleidung
eintreten, unsrer Architekten und Künstler, die für Sachlichkeit wirken,
unsrer eigenen Lebensgewohnheiten, die Bewegungsfreiheit und Bequem-
lichkeit verlangen? Ansern Bekleidungskünstlern ist das alles ganz gleich-
gültig. Die wollen den Chik, die Eleganz, das Raffinement, immer
Wechsel, immer Neuerung, Äberraschung, Verblüffung. Auch haben sie
einen feinen Instinkt für das, was die große Menge gefangen nimmt,
was ihren Sinnen schmeichelt, was auf Beifall rechnen kann. Nur ganz
wenige von ihnen, die großen Könige in ihrem Gebiet, sind ja überhaupt
schöpferisch, die andern ahmen nach. Im Verein mit den tonangeben-
den Damen des Theaters, der großen Welt und der Halbwelt dichten und
komponieren sie ihre Luxuswerke und schicken dann mutige Trägerinnen
damit an die Öffentlichkeit, auf die Bühne, die Rennen, die Promenade.
Was da zu sehen ist, Vorpostengefechte, das wird von der Menge — abge-
lehnt in den seltenen Fällen — oder angenommen, weiterverbreitet, und
dann ist es zur Mode geworden. Frage ich nun in diesen Zeilen, welchen
Einfluß kann die Frau auf das allgemeine Modebild gewinnen, so ist
damit nicht gesagt „welche Moden kann sie schaffen?" Dazu sind die
wenigsten in der Lage, weder ihrer Stellung noch ihrer Börse nach. Aber
wir können mit annehmen oder ablehnen, Stellung nehmen zu dem, was
überhaupt Mode werden soll.
Ein drastisches Beispiel hierfür war vor einiger Zeit la jups cmlotte,
der Hosenrock. Wir sollten ihn haben nach dem Willen der Mode-
herrscher — und wie manche Frau hätte ihn wohl angenommen! Aber das
große Publikum sprach sein Veto so unverkennbar deutlich, daß er eine ver-
einzelte Eintagserscheinung blieb. Völlig sicher ist aber des Publikums
Hilfe nicht; bei weniger auffallenden Dingen verhält es sich gleichgültig;
jedenfalls beteiligt es sich nicht aus bestimmten Anschauungen, sondern
nur nach Impulsen an Modefragen. Nur aus Impulsen läßt sich aber
ein zielbewußter Linfluß nicht aufbauen, dazu gehören schon Äber-
zeugungen und wertvolle geistige Eigenschaften.
Diese würden Grenzen ziehen, die es einer Versuchserscheinung er-
schweren, zur Mode zu werden.
So unbillig es wäre, lauterste kalte Vernunft von der Mode zu ver-
langen, so sicher man dadurch ihre reizvollsten Blüten knicken würde, so
fest müßte man gegen bare Unvernunft stehen, sobald allgemeine Interessen
dadurch litten. So dürfte niemals wieder das Schleppkleid durch die
Straßen fegen. Nicht um der törichten Trägerin Nnbequemlichkeit und
Schmutz zu ersparen, sondern um dem Straßenverkehr und der Hygiene
ihr Recht zu lassen. So hätte die unverschämte Mode der Hutspieße
im Keim erstickt werden müssen, sowie das lächerliche Vorurteil, das in
manchen Theatern den tzut verlangt. Was die Polizei nicht immer erfolg-
reich bekämpfen kann, das müßte der Einfluß der Frau durch bewußtes,
begründetes Ablehnen können.
Seit mehreren Iahren wird verkündet, daß wir wieder die Krinoline
bekommen werden. Die Frage wird eifrig erörtert, aber es ist trotzdem
nicht ersichtlich, ob die Frauen wirksam Stellung dagegen nehmen würden.
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Augenblicke in Widerspruch mit der Mode zu kommen drohen. Und
warum nimmt sie keine Rücksicht auf unsre Forderungen, die ja eigentlich
nur den Anschauungen entsprechen, die unsre moderne Kultur verbreitet, den
Anschauungen unsrer Arzte, die für Gesundheit von Wohnung und Kleidung
eintreten, unsrer Architekten und Künstler, die für Sachlichkeit wirken,
unsrer eigenen Lebensgewohnheiten, die Bewegungsfreiheit und Bequem-
lichkeit verlangen? Ansern Bekleidungskünstlern ist das alles ganz gleich-
gültig. Die wollen den Chik, die Eleganz, das Raffinement, immer
Wechsel, immer Neuerung, Äberraschung, Verblüffung. Auch haben sie
einen feinen Instinkt für das, was die große Menge gefangen nimmt,
was ihren Sinnen schmeichelt, was auf Beifall rechnen kann. Nur ganz
wenige von ihnen, die großen Könige in ihrem Gebiet, sind ja überhaupt
schöpferisch, die andern ahmen nach. Im Verein mit den tonangeben-
den Damen des Theaters, der großen Welt und der Halbwelt dichten und
komponieren sie ihre Luxuswerke und schicken dann mutige Trägerinnen
damit an die Öffentlichkeit, auf die Bühne, die Rennen, die Promenade.
Was da zu sehen ist, Vorpostengefechte, das wird von der Menge — abge-
lehnt in den seltenen Fällen — oder angenommen, weiterverbreitet, und
dann ist es zur Mode geworden. Frage ich nun in diesen Zeilen, welchen
Einfluß kann die Frau auf das allgemeine Modebild gewinnen, so ist
damit nicht gesagt „welche Moden kann sie schaffen?" Dazu sind die
wenigsten in der Lage, weder ihrer Stellung noch ihrer Börse nach. Aber
wir können mit annehmen oder ablehnen, Stellung nehmen zu dem, was
überhaupt Mode werden soll.
Ein drastisches Beispiel hierfür war vor einiger Zeit la jups cmlotte,
der Hosenrock. Wir sollten ihn haben nach dem Willen der Mode-
herrscher — und wie manche Frau hätte ihn wohl angenommen! Aber das
große Publikum sprach sein Veto so unverkennbar deutlich, daß er eine ver-
einzelte Eintagserscheinung blieb. Völlig sicher ist aber des Publikums
Hilfe nicht; bei weniger auffallenden Dingen verhält es sich gleichgültig;
jedenfalls beteiligt es sich nicht aus bestimmten Anschauungen, sondern
nur nach Impulsen an Modefragen. Nur aus Impulsen läßt sich aber
ein zielbewußter Linfluß nicht aufbauen, dazu gehören schon Äber-
zeugungen und wertvolle geistige Eigenschaften.
Diese würden Grenzen ziehen, die es einer Versuchserscheinung er-
schweren, zur Mode zu werden.
So unbillig es wäre, lauterste kalte Vernunft von der Mode zu ver-
langen, so sicher man dadurch ihre reizvollsten Blüten knicken würde, so
fest müßte man gegen bare Unvernunft stehen, sobald allgemeine Interessen
dadurch litten. So dürfte niemals wieder das Schleppkleid durch die
Straßen fegen. Nicht um der törichten Trägerin Nnbequemlichkeit und
Schmutz zu ersparen, sondern um dem Straßenverkehr und der Hygiene
ihr Recht zu lassen. So hätte die unverschämte Mode der Hutspieße
im Keim erstickt werden müssen, sowie das lächerliche Vorurteil, das in
manchen Theatern den tzut verlangt. Was die Polizei nicht immer erfolg-
reich bekämpfen kann, das müßte der Einfluß der Frau durch bewußtes,
begründetes Ablehnen können.
Seit mehreren Iahren wird verkündet, daß wir wieder die Krinoline
bekommen werden. Die Frage wird eifrig erörtert, aber es ist trotzdem
nicht ersichtlich, ob die Frauen wirksam Stellung dagegen nehmen würden.
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