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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0344

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ihr Perlenkollier, das einen halben Zentner Gold gekostet hcrt, nicht mehr
bei sich.

Der Gras setzt sich wieder.

Und der Hauptinann wendet sich nun an die Damen, die schwarzes
Haar haben (zwei sind's nur), und feierlich spricht er:

„Meine gnädigsten Damen, auch ihnen wollen wir eine Äberraschung
bereiten. Sie werden fühlen, daß ich nur ein kleines Andenken möchte —
und mir's nicht abschlagen — nicht wahr?"

Die Damen nicken hastig, denn sie sind noch neugieriger als die Gräfin.

Und zwei Raketen steigen aus dem Schwanenteich, sie teilen sich oben
in sieben Arme, aus deren umgebogenen Spitzen dicke, rote Tropfen,
die wie Blutstropfen aussehen, schnell herunterstürzen.

Die schwarzen Damen erschrecken, Herr von Rabenwitz besprengt sie
aber mit duftigem Olivenwasser.

Die Schwarzhaarigen ziehen ihre Ringe vom Finger und machen auch
die Ohrringe los, geben alles dem guten Hauptmann, der das Emp-
fangene dankend einsteckt, doch gleichzeitig bemerkt, daß er auch die im
schwarzen Haare befindlichen Haarnadeln als Andenken haben möchte.
Er bekommt auch diess Haarnadeln, an denen unzählige Rubine blitzen.

»Wollen Sie nicht", sragt der Graf, „ein Glas Wein trinken? Leider
ist meine Bedienung nicht hier.^

Der Hauptmann lächelt, zuckt mit den Achseln und sagt leise: „Verliebte
trinken nicht, Herr Graf! Ietzt kommt die Äberraschung für die drei Blonden."

And da knattern auch schon drei große Sonnen los — das funkelt und
blitzt — das knistert und knackt — das poltert und rumort — wie echte
Rebellen.

Die Sonnen drehen sich und schleudern brennende Diamantengarben
nach allen Seiten.

Der Hauptmann erhält derweil von den drei Blonden alle Pretiosen,
die sie bei sich haben, als Andenken.

Und er küßt den Damen sämtlich zärtlichst die Hand und blickt ihnen
ernst und traumsüß ins Auge.

Und dann verschwinden die Räuber. — PaulScheerbart

Der LlnverantworLliche

(7>;rüher konnte einem allenfalls einmal, wenn Sturm war, ein Ziegel-
„O stein auf den Kopf fallen, oder des Nachts ein Schlafwandler, schlimm-
stens ein Fensterflügel und ein Schieferdecker. Auch der Blitz aus heiterem
Himmel, der eine Sage ist, eher schon der aus der Gewitterwolke, diente
dazu, leichtfertige Gemüter von oben her empfindlich zu treffen. Heute",
so sprach mein Freund Hinrichs zu mir, „ist das alles eingeschrumpft
gegen die übergroße Wahrscheinlichkeit, selbst draußen im freien Feld
in der unvermenschten Natur einen ausgewachsenen Aeroplan auf den
Schädel zu erhalten." Dabei nahm er seinen Zylinderhut ab und wies
mir eine kräftige Hochquart, eine haarlose Straße durch seinen Lockenbau.
Ich kannte ihn als Vernünftling und abhold allen törichten studentischen
Streichen, die auch seinen Mannesjahren schlecht gestanden hätten. Darum
mußte ich seiner Behauptung Glauben schenken, daß er mit einem Luft-
zeug unsanft in Berührung geraten sei. Er war fröhlich durch die Wiesen
gewandert, so recht in seinem Gott vergnügt, als ihn das Surren eines
Motors aufgeschreckt und ehe er noch rechte Zeit gehabt hatte, sich zu be-

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