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Kunstwart und Kulturwart — 27,2.1914

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Heft 10 (2. Februarheft 1914)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14288#0358

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wie kein andrer Dichter unsrer Tage
sie ans Licht zu heben weiß.

_Friedrich Düsel

Holbergs „Der Geschäftige"
und Sudermanns „Lobge-
sänge des Claudian"

Hamburger Theater
»v ls Auftakt zu einem „nordischen"
^Zyklus, der schauen lassen soll,
wie das Zeitbedingte und Stainm-
verwandte der Kunst Ibsens, Björn-
sons, Strindbergs sich mit dem orga-
nischen Werden ergab, versuchte das
Altonaer Stadttheater ein Werk
Ludwig tzolbergs, die von Paul
Schlenther eingerichtete Komödie
„Der Geschäftige", neu zu beleben.
Kein Geringerer als Friedrich tzeb-
bel hat in seinem großen an die
deutsche Ausgabe Robert Prutzens
angeschlossenen Aufsatz (Werner,
Band XII. Seite 98 bis M die
Wiederaufnahme des dänischen
Dichters warm befürwortet. „Es
wäre", schreibt er, „zu jeder Zeit
ein Verdienst gewesen, den alten
dänischen Dichter wieder im Gedächt-
nis der Deutschen aufzufrischen; in
unserer Zeit ist dies Verdienst dop-
pelt groß. Ich kann nun zwar nicht
in Ludwig tzolberg einen der ersten
komischen Genien aller Völker und
aller Iahrhunderte erblicken, aber
ich halte ihn allerdings für ein
Talent, das mit Dänemark selbst in
die Wette leben wird. Die bun-
ten Lampen, die einst auch bei uns
alle Monat einmal den Hans Fran-
zen oder den politischen Kanne-
gießer beleuchten, sind viel zu früh
ausgegangen, und wer Homers un-
auslöschliches Gelächter erschallen
hören will, der zünde sie wieder
an." Freilich, Hebbel hat an der-
selben Stelle auch die großen
Schwierigkeiten betont, die dieses
wünschenswerte Unternehmen mit-
bringt. „Ein anderes", fährt er bald
darauf fort, „ist es, ob man nicht
erschrocken vor ihm zurückfährt, wenn

er sich in seiner derben Knochenhaf-
tigkeit so plötzlich wieder unangemel-
det unter den Molluskenchor der
Tageskomödien mischt. Anfangs ge-
wiß, denn der Äbergang vom Dosen-
stück zum Fresko und von der kan-
dierten Zweideutigkeit zum Zynis-
mus ist zu groß, als daß er durch
einen Sprung gemacht werden
könnte. Aber Kraft und Wahrheit
werden schon durchdringen." Diese
Hoffnung hat sich in Altona nicht
erfüllt. Das Publikum fuhr zurück»
als es die derbe Knochenhaftigkeit
Holbergs unvorbereitet erblickte; es
zischte, pfiff und flüchtete, als handle
es sich um einen allermodernsten
Ludwig Unbekannt. Da der Ge-
danke nahe liegt, daß Regie unv
Darstellung diesen Mißerfolg ver-
schuldet hätten, so sei ausdrücklich be-
tont, daß man beiden eine irgend-
wie wesentliche Schuld nicht aufbür-
den kann. Wenn es auch ein
Schätzungsfehler war» dem Stück
noch die Kraft zuzutrauen, daß es
einen ganzen Abend fülle, und wenn
auch die Idee, lebendige Menschen
eine bewußte, mühsam einexerzierte
Marionettenhaftigkeit festhalten zu
lassen, sich als sehr zweischneidig
erwies, so muß doch gesagt werden,
daß man es weder an Eifer noch
an Geschick hatte fehlen lassen; daß
die Darstellung» Tempo, Witz, Geist,
Können in hohem Maße aufwies.
Nein, es ist so, wie Hebbel sagt,
unser Durchschnittspublikum hat sich
an den Molluskenchor der Tages-
komödianten so sehr gewöhnt, hat sich
an den kandierten Zweideutigkeiten
der Molnar, Auernheimer, tzardt
st tutti guauti so sehr den Geschmack
verdorben, daß heute das von tzeb-
bel nur Befürchtete zwangsnotwen-
dig Ereignis werden mußte. Und
diese Tatsache scheint mir (in be-
trüblichem Sinne) so bedeutsam, daß
sie hier nicht nur festgehalten, son-
dern auch mit einigen Worten be-
trachtet werden soll.
 
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